VORWORT
Sabine Himmelsbach |
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Diese Publikation erscheint im Rahmen der Ausstellung Cornelia Sollfrank – Originale und andere Fälschungen (24. Januar bis 19. April 2009) im Edith-Ruß-Haus für Medienkunst. 2008 war
Cornelia Sollfrank Stipendiatin am Edith-Ruß-Haus. Während ihres einmonatigen Aufenthalts arbeitete sie an ihrem neuen Projekt Déjà Vu: First Plagiarism Detection Software for Fine Arts,
für dessen Realisierung sie eines der von der Stiftung Niedersachsen geförderten Stipendien für Medienkunst erhalten hatte. Neben der Recherche zum Thema Plagiarismus war ihre Zeit
in Oldenburg der Vorbereitung ihrer Einzelausstellung gewidmet, die sich mit der Aktualität der Bedeutung von Original und Plagiat und dem komplexen Regelwerk des Urheberrechts auseinandersetzt.
Die Frage nach Original und Kopie ist ein Thema, welches sich wie ein roter Faden durch das Schaffen von Cornelia Sollfrank zieht. Die Künstlerin erforscht die digitale Kulturtechnik
des Kopierens und Wiederverwertens seit Mitte der 1990er Jahre. Neben ihrem Interesse an neuen Autorschaftsmodellen und maschinell unterstützter ästhetischer Produktion widmet
sie sich in ihren aktuellen Arbeiten den dabei entstehenden urheberrechtlichen Fragen. In der Ausstellung geht sie dieser Thematik anhand der Verwertungsprozesse von Bildrechten nach.
Leihgaben aus dem Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, dem Horst-Janssen-Museum und dem Stadtmuseum Oldenburg sind zum bildnerischen Grundstock einer von ihr
betriebenen Online-Bildagentur geworden, in welcher fotografische Reproduktionen der ausgestellten Werke erworben werden können. Die notwendigen Schritte für die Herstellung der
Abbildungen und den Erwerb der notwendigen Bildrechte werden in der Ausstellung transparent gemacht.
Im Obergeschoss des Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst werden die BetrachterInnen mit der für das Haus ungewöhnlichen Präsentation von Werken »alter Meister« überrascht. Plastiken,
Gemälde und Grafiken aus Oldenburger Museen zieren den Ausstellungsraum. Die farbig gestrichenen Wandstücke dienen dabei als Zitat musealer Präsentation und ihrer Kontextverschiebung
in einem Haus für Medienkunst. Im Untergeschoss folgt die Präsentation des Angebots aus der Bilddatenbank. Die Abbildungen der im oberen Stockwerk ausgestellten Werke sind mit Sollfranks
Agenturlogo übergroß versehen, womit die Künstlerin die Besitzansprüche deutlich macht und ironisch auf gängige Praktiken zum Schutz vor unrechtmäßiger Verwendung von Fotos aus
Bildagenturen verweist. Neben dem Angebot an erwerbbaren Fotografien der ausgestellten Arbeiten sind die Schritte dargestellt, die die Künstlerin unternehmen musste, um die Werke in ihrer
Datenbank zum Kauf anbieten zu können. Verträge mit LeihgeberInnen und RechteinhaberInnen bieten Einblick in das komplexe Regelwerk von Urheberrechten und deren Verwertung. Der langwierige
Prozess der fotografischen Reproduktion musealer Werke wird durch ein Video anschaulich gemacht, welches den Museumsfotografen Christoph Irrgang bei der Arbeit zeigt.
Das Ausstellungskonzept geht zurück auf eine Präsentation, die Sollfrank 2007 im Märkischen Landesmuseum Witten unter dem Titel Museum-Shop realisiert hat. In Oldenburg wurde dieses
Konzept erweitert und die Datenbank der Bildagentur mit einer für Oldenburg repräsentativen Werkauswahl vergrößert. So finden sich neben Porträts von Oldenburger Mäzenen auch Tierund
Landschaftsmalerei aus der Region.
Die Frage von Autorschaft wird in der Ausstellung abschließend in einer Collage zum Thema Plagiarismus thematisiert, die Ausblick auf die im Rahmen des Stipendiums entstehende Arbeit
Déjà Vu gibt, welche sich mit der Erkennung von Plagiaten in der bildenden Kunst beschäftigt. Erste Möglichkeiten hat die Künstlerin bereits in der Ausstellung präsentiert. In Zusammenarbeit
mit dem Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT) konnte Sollfrank die Software »ImageMark«, einen vom Fraunhofer-Institut entwickelten Wasserzeichenschutz für
digitale und analoge Bilder und Grafiken, einsetzen und auf die fotografischen Abbildungen der ausgestellten Werke anwenden. Interessant sind an diesem Verfahren nicht nur der Originalitätsnachweis
für digitales Bildmaterial, sondern auch die ästhetischen Ergebnisse, die mit diesem Programm erzeugt werden.
Mit ihrer »Plagiarismus-Erkennungssoftware« verspricht Sollfrank eine Technik, welche für die digitale Kunst eine neue Möglichkeit bereitstellen soll, Original und Fälschung zu unterscheiden.
Als »Öl des 21. Jahrhunderts« bezeichnet Mark Getty, Gründer der Bildagentur Getty Images, geistiges Eigentum in der Informationsgesellschaft. Im Zeitalter von »Copy« und »Paste« wird
mit enormen finanziellen und organisatorischen Mitteln versucht, originäre Inhalte vor fremder Aneignung zu sichern, da die Computerbefehle »Kopieren« und »Einfügen« der digitalen Erstellung
von Kopien neue Dimensionen eröffnet haben. Das Internet dient dabei als unerschöpfliche Quelle für digitales Material und gleichzeitig als überaus effektives Distributionsmedium. Mit ihrer
Behauptung der eindeutigen Identifizierung von Plagiaten trägt Sollfrank einmal mehr zur aktuellen Diskussion um Copyright und Urheberschaft bei. Mit Witz und Ironie stellt sie sich
scheinbar auf die Seite der BewahrerInnen, um in ihren Arbeiten, denen die Wiederverwertung von Vorhandenem inhärent ist, immer wieder aufs Neue als Meisterin des trügerischen Spiels
um Original und Kopie vorzugehen. Mit ihren Aneignungsstrategien macht sie letztlich deutlich, dass in der heutigen Remix-Kultur die Frage nach Authentizität obsolet scheint.
Der vorliegende Katalog dokumentiert die in der Ausstellung Originale und andere Fälschungen gezeigten Arbeiten und gibt einen Überblick über das bisherige OEuvre von Cornelia Sollfrank. Neben
ausführlichen Werkbeschreibungen sorgen theoretische Reflexionen für die Einordnung der Werke in kunsthistorische Kontexte. Die theoretischen Grundlagen zum Verständnis der Bedeutung
von maschineller Produktion im Werk von Sollfrank leistet der Philosoph Gerald Raunig in seinem Beitrag mittels eines Vergleichs der technischen Maschine mit Körper- und Organisationsprozessen.
Mit den Strategien kollektiven Schaffens und den von der Künstlerin gegründeten Foren und vernetzten Aktions- und Arbeitsplattformen beschäftigt sich die Kulturwissenschaftlerin
Rahel Puffert. Das Phänomen der multiplen Autorschaft steht im Zentrum des Beitrags von Jacob Lillemose. Dabei thematisiert der Kulturtheoretiker vor allem das Agieren in globalen Netzwerken und die Aufforderung der
Künstlerin an die NutzerInnen ihrer Software-Arbeiten, selbst aktiv zu werden und an den Prozessen geteilter und vor allem vernetzter Autorschaft teilzuhaben. Eine vertiefende Diskussion des Aspekts
der Wiederholung im Werk von Sollfrank unternimmt die Kulturwissenschaftlerin Silke Wenk in ihrem Gespräch mit der Künstlerin. Es knüpft an die aktuelle Werkreihe von Re-Enactments
der Künstlerin an, die feministische künstlerische Aktionen und Performances der 1970er Jahre wiederholen und neu kontextualisieren. Sollfrank selbst nimmt in einer kurzen Autobiografie
Stellung zu den sie prägenden Einflüssen – über die AutorInnenschaft dieses Textes darf allerdings nach genauem Lesen gerätselt werden.
Ich möchte all denen danken, die am Zustandekommen dieser Ausstellung und dieses umfassenden Katalogs beteiligt waren. Mein Dank gilt der Stiftung Niedersachsen für die Ermöglichung
des Stipendienprogramms, durch das jedes Jahr drei neue Arbeiten realisiert werden können. Besonders danken möchte ich Herrn Dominic Freiherr von König für die Unterstützung und das
Engagement unserem Hause gegenüber, Herrn Joachim Werren, Generalsekretär der Stiftung und Julia Hiller, Projektleiterin der Stiftung. Für die finanzielle Unterstützung bei der Realisation
dieser Ausstellung und der begleitenden Publikation gilt der Stiftung Kunstfonds, dem Land Niedersachsen und der Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg mein
herzlicher Dank. Danken möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen der Oldenburger Museen und Sammlungen für die großartige Unterstützung und die Leihgaben aus ihren Häusern.
Besonders danken möchte ich natürlich auch Cornelia Sollfrank, die mit großem persönlichen Engagement diese Ausstellung und die Produktion des Katalogs begleitet hat.
Sabine Himmelsbach
Artistic Director of the Edith Russ Site for Media Art
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