FRüHE EINFLüSSE, SPÄTE FOLGEN
ODER : WARUM ES AUTOMATEN FüR MICH TATEN
Cornelia Sollfrank |
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Fragmente einer Rekonstruktion der Lebensgeschichte
als Textgeneration unter besonderer Berücksichtigung der Frage:
»Sind KünstlerInnen automatisch genial oder sind Automaten geniale KünstlerInnen?«
Die Tatsache meiner Geburt wäre ansonsten unerheblich
für mein weiteres Schaffen, wenn ich
nicht in Feilershammer das Licht der Welt erblickt
hätte. Genialität kündigt sich bekanntlich
beizeiten in einschlägigen Vorzeichen
an – und so wies bereits diese Konstellation
weit voraus. Ganz automatisch waren
mir mit Feile und Hammer zwei Werkzeuge
ins Stammbuch eingetragen, die in meinem späteren
Schaffen so große Bedeutung gewannen.
Es gehört noch heute zu meinen leidvollen Erinnerungen,
wie sich an langen Sommertagen
links und rechts der Landstraße die Sportwagen
der Ausflügler reihten, um welche der Kreis der
Geschwister freudig erregt zusammenrückte. Da,
wo die Finger meiner Brüder von verzückten Rufen
begleitet hinwiesen, sah ich nur die Schlösser
an Tür, Lenkrad und Zündung, die mich
vorerst noch von der Auto-Mobilität
trennten. Den Schlüssel hatten
andere, die mich auch noch verständnislos anfuhren, bevor
sie losfuhren, ich solle die Finger von dem lassen, was mir
nicht gehört. Überhaupt, Frauen und
Technik, da sei ich eh ganz verkehrt. Das
war hart für das Mädel, das ich war, aber es
lernte. Ich lernte, dass es die richtigen Schlüssel
braucht, um Dinge zum Laufen zu bringen.
Und ich machte mich beizeiten schlau in Sachen
Auto-Mobilität. Fortan war es mein innigster
Wunsch, zu zeigen, was geht. Aber auch Freudiges kannte die
Kindheit und davon zu berichten, heißt von
einer weiteren Prägung zu berichten.
Meine Mutter liebte es, sich mit Blumen
zu umgeben. Nicht allein mit Blumen
im Garten und Blumen in Vasen. Bunte Blumen-Drucke zierten Kacheln und Küchentücher,
Töpfe und Kannen, Kleider und Schürzen. Hier,
in diesen Bildwerken, erfuhr mein Weltbild
tiefste Prägung – und auch meine anderen Bilder
sind nicht ohne sie zu denken.
Gerade den Blumen-Drucken verdanke ich so
ungemein viel, sie inspirierten einerseits jene
bildwissenschaftlichen Studien, die in meinen
späteren Schaffen zunehmend an Bedeutung
gewannen (von ihnen wird hier noch die Rede
sein), aber vor allem anderen war es eine Blüte,
der eine besondere Vorliebe meiner Mutter galt,
und mit der sie sich und uns deshalb bevorzugt
umgab und die sich dem empfänglichen
Gemüt der Heranwachsenden
unauslöschlich einprägte: die
Hibiskus-Blüte.
Die Hibiskus-Blüte – ihre ins Bild
gebannte Gestalt – sie schien mir etwas
in sich zu vereinen, ein Bild zu sein für – ich
weiß nicht was. Erst sehr viel später enthüllte
sich mir das tiefe Geheimnis, das in der schicksalhaften
Begegnung mit der Blüte lag. In einem
einschlägigen Werk zur modernen Kunst sollte
sie mir – ich ihr – erneut begegnen. Dort dreifach,
vierfach – bald schon dutzendfach, hundertfach,
tausendfach. Gedruckt auf Leinwand,
gedruckt auf Papier, reproduziert, multipliziert
– digitalisiert im Netz. Ein ideales Markenzeichen
– ganz automatisch genial!
Alles rief in mir nach ihr. Aber ach, noch war ich
nicht in der Lage, die Verführung zu programmieren.
Noch nicht. Denn ich hatte ja längst gelernt:
Frauen und Technik? Kein Widerspruch,
sondern Programm! Um mehr darüber zu lernen,
wie solche abgefahrenen, ganz automatisch
genialen Bilder generiert werden, besuchte ich
eine Kunstakademie – was sich allerdings nur als
mäßig nutzbringend erwies. Malen lernte man
dort und von Genialität war ebenfalls die Rede.
Den einen oder anderen Computer gab es ebenfalls.
Aber vor allem gab es Old Boys Networks,
die sagten, ich solle die Finger von dem lassen,
was mir nicht gehört. Überhaupt, Frauen und
Kunst, da sei ich eh ganz verkehrt.
Hier kam nun wieder mein
Schlüssel-Erlebnis ins Spiel. Erstens
war klar, dass ich weder
das Blumen-Bild noch andere Bilder
selbst malen muss, weil sie schon
massenhaft vorhanden waren. Zweitens, die
Lektion der Auto-mation: The smart artist makes
the machine do the work. Das ist mir dann ja auch wiederholt gelungen, wie mein Werk belegt.
Hammer und Feile haben sich dabei, um
es durch die Blume zu sagen, als Werkzeuge bestens
bewährt.
Und hier darf wohl gesagt werden, dass
dank meiner unermüdlichen wissenschaftlichen
Bemühungen, von denen
mein Schaffen ja beredt Zeugnis ablegt,
endlich wieder Licht in die Welt
eben dieser metakausalen Beziehungen
zwischen den Bildern gedrungen ist,
in denen erst der wahre Sinn und die
wahre Ordnung der Bilder zu finden
ist – frei von irgendwelchen Kausalitäten
oder Konsekutionen, in
denen sich doch nichts anderes
beweist als das tiefe ornamentale
Bedürfnis ansonsten haltloser
Kunstschriftsteller.
So sehr ich auch das Gesagte gern an Beispielen
aus meiner forscherischen Tätigkeit weiter ausführen
und belegen würde – die einzelnen Untersuchungen
und ihre Sujets (Female Extension,
Women Hackers, Warhol Flowers, Museumshop, This is
not by me) wären derart delikat, dass ihre adäquate
Darstellung den Rahmen dieses Textes
sprengen würde.
Zum Abschluss möchte ich nur noch kurz auf deren
methodologische Grundlagen eingehen.
Das erscheint mir unbedingt notwendig, da
die allgemeine Einschätzung meines Werkes (als ausgesprochen
phantasielos und an eigenen Einfällen arm, »Das
ist doch gar nicht von ihr – das kommt doch alles
aus dem Computer!«) eine völlige Blindheit
für methodologische Probleme verrät und
seiner ebenso strengen wie subtilen Methodik
überhaupt nicht gerecht wird.
Denn genau darum geht es ja: Das, was
nicht so aussieht, als sei es von mir, ist von
mir. Das ist nicht von mir ist von mir. Und
alles, was von mir ist, ist nicht von mir. Dieses
strenge Gesetz der Komplementfunktion von Autorschaft
und Reproduktion, die einander ebenso
produzieren wie aufheben, bildet die Grundlage
der automatischen Genialität und als methodologisches
Problem, das zugleich seine eigene Lösung
ist, die Grundlage all meiner Arbeiten und
hebt sie weit über die krausen Pseudologien der
Kunstschriftsteller hinaus, die immer noch mit
derart diluvialen Erklärungsformen wie Phantasie,
Originalität, Kreativität usw. operieren.
Damit möchte ich meine Ausführungen
zu Werk und Leben abschließen. Es
konnten beileibe nicht alle Fragen geklärt
werden, insbesondere nicht solche
die Autorschaft dieses Textes betreffende.
Doch hoffe ich, mit meinen Ausführungen dazu
beigetragen zu haben, dass sich in unserer von
borniertesten Ikonoklasten anschauungslos gemachten
Zeit wieder etwas von der alten Ikonodulie
regen möge.
Das im Voranstehenden verwandte autobiografische
Material wurde mit Hilfe eines Reprografen (1)
und einer Textgeneratorin (2) erstellt, für
deren Programmierung ich Frau Prof. Dr. Kuni
hiermit meinen Dank ausspreche.
(1) Ein Gerät zur Erstellung von Fotokopien.
(2) Ein Programm zur Entblödung von Triebschicksalen
und ähnlicher unter den Markenzeichen »Autorschaft« und »Originalität« gehandelter kunstschriftstellerischer
Wichsvorlagen.
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