Ask Yo Mama
Schwarzer Sound im White Cube
Ursula Maria Probst
über Ask Yo Mama, kuratiert von Ina Wudtke, Kunstraum Niederösterreich, Wien, 30.9. – 10.12.2011. Dieser Text erschien im Kunstforum International, Bd. 212, November – Dezember 2011.
Schwarzer Sound im White Cube: Während die Künstlerin, Autorin und DJ Ina Wudtke, die von ihr gemeinsam mit dem Philosophen Dieter Lesage kuratierte Ausstellung im Kunstquartier Bethanien in Berlin pointiert „Black Sound White Cube“ (2011) nannte, formuliert sie den Titel ihrer aktuellen Ausstellung zum politischen Statement. Ina Wudtke bezieht mit „Ask Yo Mama“ durch das Durchdringen des Kunstraumes Niederösterreich mit „schwarzem Sound“ gegenüber einer „White-Cube-Society“ im Kunstbetrieb klare Position. Als Titel bezieht sich die Phrase „Ask Yo Mama“ auf die afroatlantische Tradition des Rap, Storytelling und Signifying und deren globalen Sprachgebrauch in der DJ–Kultur. Konkret spielt „Ask Yo Mama“ darauf an, welche Rolle die verbale Verachtung der Mutter des Gegners in Form von reimen, Sprüchen und derben Witzen spielt. Als Ausstellung positioniert sich „Ask Yo Mama“ durch die Thematisierung dieser Redewendung gegen eine Normalisierung von Rassismus und Diskriminierung.
Ina Wudtke webt in der Inszenierung des Displays ein Netz zwischen Installationen, Videos und Soundproduktionen von Künstlerinnen und Musikerinnen wie Constanze Schweiger, Marusa Sagadin, Sangam Sharma, Anna Zwingl, Yvette Mattern, Ina Wudtke aka T-Ina Darling, Sonia Boyce oder Ihu Anyanwu aka Grizo. Während in Hip-Hop-Tracks wie Utfo’s „Ask Yo Mama“ oder in klassischen Jazzsongs das amerikanische Straßenreimspiel „Dirty Dozen“ oder die Yo-Mama Witze die Figur der „Mutter“ als Instrument für einen verbalen Schlagabtausch benutzt wurde, um den Gegner psychologisch zu schwächen, dreht nun das Ausstellungsprojekt „Ask Yo Mama“ dieses Muster des Rap und Scat um. Laut Kuratorin Ina Wudtke funktioniert „Ask Yo Mama“ als „Post-black“- Ausstellung, die an eine reihe von Ausstellungen wie „One Planet under a Groove“, „Black Light White Noise“ oder „Freestyle“ anschließt. Thelma Golden, die Kuratorin des Harlem Studio Museums formulierte diesen Begriff des „Post-black“, der die Verlagerung von Körper und Hautfarbe zu einer ästhetischen Sensibilität umschreibt. Ausgehend von der Sprache afroatlantischer DJ-Kultur wie Hip Hop, Dubstep, Techno House, Electro wird in „Ask Yo Mama“ aufgezeigt, wie heute international agierende Kümstlerinnen auf die Matrix der afroatlantischen musikalischen Tradition zurückgreifen.
Performancefotos der Berliner Tänzerin Valeska Gert, die in den 20er und 30er Jahren intensiv mit schwarzem Sound arbeitete, nimmt Ina Wudtke als Ausgangspunkt für die Fotoinstallation „Herstory: Ask Yo Mama“. Dabei performt sie jede Silbe des Satzes Ask-Yo-Ma-Ma und überträgt Methoden des „Samples“ auf die Fotografie. Mit „Herstory“ wird auf die Kontinuität von Künstlerinnen verwiesen die sich mit schwarzem Sound befassen. Mit Tanz beschäftigt sich auch die Installation „Limbo“ (2009) von Anna Zwingl, die Bewegungen des Tanzes der Westindischen Inseln in Materialasssemblagen übersetzt. Auf die einstigen Tanzlokale der Puerto-RicanerInnen in New York bezieht sich Yvette Mattern mit der Leuchtschrift Installation „Mulatta“ (Mulattin), ein Begriff der im Kontext des Rassismus der 1920er Jahre entstand. Damit knüpft die Ausstellung an die Zeit vor jenem schmerzenden Einschnitten, die die afroatlantische Kultur durch den Faschismus erlebte.
Die Künstlerin Constanze Schweiger und die Musikerin Ihu Anyanwu aka G.rizo haben unter dem Titel „Your Africa is Showing“ (2011) eine gemeinsame Arbeit realisiert. Constanze Schweiger gestaltete in Form eines Patchworkstoffes eine Bühne vor der Ihu Anyanwu zur Eröffnung von „Ask Yo Mama“ ihre Sound-Performance durchführte. In ihrer Patchworkarbeit orientierte sich Constanze Schweiger an den berühmten Gee’s Bend Quilts aus Alabama, USA. „Your Africa is Showing“ ist eine Redensart von AfroamerikanerInnen in Bezug auf ihr nachwachsendes natürliches Haar. Ihu Anyanwus Interesse gilt in ihrer Soundperformance dieser Diskrepanz, dass etwas Natürliches in der Selbstwahrnehmung als fremd und unkontrollierbar aufgefasst wird. Dieses Phänomen der Entfremdung von Menschen, die in einer rassistisch gefärbten Gesellschaft leben, wurde von dem Psychiater und Politiker Franz Fanon in seinem Buch „Peau Noire Masques Blancs“ bereits in den 1950er Jahren untersucht.
Gleichzeitig wird in der Ausstellung der These nachgegangen dass Hip Hop und DJ-Kultur die globale Sprache der 1990er Jahre bilden. Aufnahmen des Berliner Hip Hop Acts Sido remixt Sangam Sharma mit dem Titel „Mein Block“ in dem sie das Aufwachsen in einer Plattenbausiedlung thematisiert und mit einer Gruppe Jugendlicher der Wiener Großfeldsiedlung zusammenarbeitete. Das Video „Parade“ (2010) von Ina Wudtke zeigt die Femmes with Fatal Breaks beim Djen und Mcen als Teil einer Parade gegen Gentrifizierung in Berlin bei der sie unter dem Motto „Dachterrassen für Alle“ gegen Verdrängung von einkommensschwachen Haushalten aus der Berliner Innenstadt demonstrierten. „Ask Yo Mama“ gestaltet sich als intermedial funktionierendes Display zu einem Akt der „Herstory“ und korrigiert gleichzeitig gängige Vorstellungen, dass Rap eine Angelegenheit für Jungs und nicht für Mädchen sei.