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Der Admiral – Museumsquerelen in Hamburg |
Frankfurter Rundschau, 05.07.2005
Der Admiral – Museumsquerelen in Hamburg FRANK KEIL 27 000 Schiffsmodelle, 50 000 Schiffskonstruktionspläne, 47 Originalbriefe des englischen Generals Nelson, 5 000 Gemälde, 1 000 Marine-Uniformen, 1,5 Millionen Fotos. Dies alles und noch mehr an Waffen oder nautischen Geräten soll ab 2007 in der Hansestadt Hamburg den Grundstock eines amtlichen Hauses mit dem Titel "Internationales Schifffahrts- und Marinemuseum" bilden, das anstrebt, eines der weltweit größten seiner Art zu werden. Der Deal: Hamburg baut derzeit für die stolze Summe von 30 Millionen Euro den ehemaligen Kaispeicher B in der künftigen HafenCity um; der bisherige Eigentümer der Sammlung und frühere Vorstandschef des Axel-Springer-Verlages Peter Tamm schenkt die Sammlung der Stadt, hält sich allerdings alle Türen offen: Seine Sammlung hat er in eine Stiftung überführt, über die allein er bestimmt. Die Einflussmöglichkeiten der Hansestadt während der kommenden 99 Jahre sind minimal. Und es mehrt sich die Kritik: Während die einen angesichts der allgemeinen Kürzungen im Sozialen wie Kulturellen fragen, warum man einem Marinebesessenen so großzügig ein Haus baut, warnen andere vor dem Tun eines vermeintlichen Kriegsverherrlichers, dem Einhalt geboten werden sollte. Apolitische Schifffahrtsgeschichte? Nun muss einer, der wie Tamm etwa Bilder des einst reichs-amtlichen Schlachtenmalers und Propagandeurs Adolf Bock (1890-1968) sammelt, nicht automatisch selbst ein Deutsch-Nationaler oder gar ein Nazi sein. Doch keimt eben schnell ein solcher Verdacht auf, fehlt es an einordnenden didaktischen Schritten oder auch nur an distanzierenden Erklärungen. Tamm selbst, der sich recht wortkarg zeigt, weist solche Anwürfe stoisch von sich: Es gelte sich statt dessen frei von politischen Strömungen der Geschichte in Dokumenten zu widmen und ebenso frei Kunst und Geschichte als das historische Wissen einer Nation zu bewahren. Abgesehen von der offensichtlichen Unmöglichkeit, ein so grundlegendes Feld wie dass der Schifffahrt von Beginn der Menschheit bis heute apolitisch aufzuarbeiten und zu präsentieren, zeigt sich hier wiederum Tamms politische Grundierung. In der Hamburger Kulturbehörde reagiert man auf die wachsende Kritik an der mangelnden inhaltlichen Transparenz des zukünftigen und dann mit einem Schlag drittgrößten Hamburger Museums mit einer Mischung aus Ignorieren und Nervosität. Und verweist auf den so genannten informellen dreiköpfigen Beirat, den sich Tamm selbst gewünscht haben soll. Bestehend aus zwei Mitarbeitern des Museums für Hamburgische Geschichte sowie Eske Nannen von der Kunsthalle Emden soll dieser milde korrigierend tätig sein, ohne tatsächlich faktisch eingreifen zu können. Der erleichternde Ausruf der Kultursenatorin Karin von Welck zu Beginn dieses Jahres, die Bereitschaft des Herr Tamm, Rat anzunehmen, sei gestiegen, lässt allerdings darüber spekulieren, dass zwischen den Vorstellungen des Schiffs- und Waffennarrs Tamm und einem modernen, der Kulturwissenschaft verpflichteten Museum womöglich noch manche Brücke gebaut werden muss. "Tamm Tamm" In eben genau diese Kerbe schlägt dieser Tage ein schmales Büchlein mit dem naheliegenden Wortspiel Tamm Tamm (GNN Verlag, Hamburg), das sich mit der Biografie des Marinehistorikers Tamm beschäftigt und generell viel Böses vermutet. Finanziert unter anderem von der GEW Hamburg und unter dem Pseudonym Friedrich Möwe verfasst, zieht der Autor in einer Mischung aus harter Faktensammlung und zuweilen 70er Jahre gemäßen Appellprosa einen weiten Bogen vom freiwilligen Kriegseintritt Tamms 1944 als 16-Jähriger über dessen stramme Unternehmensführung während seiner 40-jährigen Leitungstätigkeit im Springerkonzern (Spitzname: "der Admiral") bis hin zu seiner eigenen Ordenssammlung, die vom Bundesverdienstkreuz bis zur Bismarckmedaille in Gold des entschieden rechtslastigen Bismarckbundes reicht (dabei nimmt der echte Hanseat keine Orden an). Sollte nur ein Bruchteil der in dieser Schrift versammelten Anwürfe über die militärfreundlichen Neigungen und Vorlieben des Peter Tamms auf Tatsachen beruhen, wären die Verantwortlichen gut beraten, vorzubauen. Auch wäre ein Blick auf die aktuellen verlegerischen Tätigkeiten des Peter Tamm zu empfehlen, der in seiner Verlagsgruppe "Koehler-Mittler" so illustre Titel wie Deutsche Kampfschwimmer im zweiten Weltkrieg oder Minenschiffe 1939-1945 führt, will man ausschließen, dass die anvisierten jährlichen 200 000 Besucher nicht am Ende durch ein bloßes Militaria-Schaulager geführt werden. Im Hause von Welck gibt man derweilen zu, von diesem Buch gehört, es aber nicht gelesen zu haben. Angesichts der Summe, die in das zukünftige Schifffahrtsmuseum investiert werden soll, aber mehr noch mit Blick auf das Renommee, das man zu verspielen hat, sollte dies dringend nachgeholt werden. Bisher aber scheint man sich sowohl behördenintern wie auch nahezu parteiübergreifend auf eine Handreichung geeinigt zu haben, die auch die gemeine Landratte kennt: Schotten dicht! * Leserbrief zu: Der Admiral (FR-Feuilleton v. 5. Juli) Marinegeschichte Es gibt eine Vielzahl von Marinehistorikern mit hinreichend thematischer und museumsdidaktischer Berufserfahrung. Sie alle könnten den Beirat des Marinemuseums in Hamburg bereichern und sind der Hamburger Kultursenatorin namentlich bekannt. Ebenso Herrn Tamm - vielleicht will er sie gerade deshalb nicht? Wie ein fachkundiger Beirat wäre aber auch und vor allem eine nicht nur fachkundige, sondern auch zeitgemäße Konzeption für ein Museum des 21. Jahrhunderts notwendig. In der Fachwelt ist bisher nicht bekannt, wen Herr Tamm dafür vorgesehen hat. Bekannt ist allerdings seine Feststellung: "Ich habe keine Lust, mir etwas vorschreiben zu lassen." (Kieler Nachrichten, 1. Juli 2005). Mit dieser Haltung aber negiert Herr Tamm gerade das, was (s)ein "Wissenschaftliches Institut" pflegen müsste - den umfassenden wissenschaftlich-kritischen Dialog gerade über die (deutsche) Marinegeschichte! Mit dieser vorab bekannten Haltung vom Hamburger Senat 30 Mio. Euro ergattert zu haben, verdient "Anerkennung". Ob sein (!) neues Marinemuseum in Hamburg diese oder wirkliche Anerkennung verdient, wird sich weisen. Im schlimmsten Falle ist es dann aber zu spät für eine Nachdenklichkeit erzeugende Darstellung von Marinegeschichte, die ja sehr viel mehr sein müsste, als eine schlichte Ausstellung der Ergebnisse eines leidenschaftlichen Sammlerlebens. Dr. Dieter Hartwig, Fregattenkapitän a.D., Kiel
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