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Alleinherrscher mit Marinemeise |
QuietschVergnügt, 02.09.2005
Alleinherrscher mit Marinemeise Angeblich liegt Hamburg auf dem Trockenen: Die öffentlichen Kassen sind leer. An Multimillionär und Ex-Springer-Vorstand Peter Tamm flossen jedoch 30 Millionen Euro für das „Internationale Maritim Museum“ – seinen ganz privaten Showroom im Herzen der Hafencity. Er kann darin machen, was er will. TINA PETERSEN Im Mai diesen Jahres erschien im kleinen GNN-Verlag ein Büchlein, das von überraschendem Erfolg gekrönt ist: „Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum“. Drei Monate später ist bereits die dritte Auflage im Handel. Auch große Buchhandlungen wie Thalia gehören schon zu den Abnehmern des Paperback-Werkes. Ob Autor Friedrich Möwe damit gerechnet hat? Er überlegt und sagt bescheiden, dass man das nun wirklich nicht habe abschätzen können und außerdem würde die Springer-Presse die Dokumentation totschweigen. Aber sonst war das Medienecho überdurchschnittlich: taz-hamburg, Frankfurter Rundschau, das Kulturjournal im NDR-Fernsehen und Deutschland Radio haben berichtet. Mitunter mehr als einmal. Trotzdem: Ein Triumphieren ist dem Mann nicht zu entlocken. Möwe ist ein Antikrieger. Organisiert im „Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg“, in dessen Rahmen die Idee zur Dokumentation über Peter Tamm und seine Sammlung entstand. Denn auch wenn das Museum dafür im Kaispeicher B der Hafencity erst seit Juni diesen Jahres gebaut wird, kann sich jeder schon jetzt ein Bild machen, was im schlimmsten Falle zu erwarten ist: in Tamms „Wissenschaftlichem Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte“ in der Elbchaussee 277. Den Weg dorthin erspart uns die Lektüre von Möwe. Akribisch recherchiert beweist er auf 83 Seiten, welch Geisteshaltung dort Verbreitung findet. „Tamm betrachtet Geschichte aus der Perspektive der politisch Mächtigen, der Kriegsherren und Kommandanten. Die Not der einfachen Menschen und das grausame Schicksal der Kriegsopfer bleiben weitgehend unsichtbar.“ Die Sammlung des ehemaligen Vorstandschef vom Springer-Verlag, der seine Karriere dort 1948 in der Schifffahrts-Redaktion vom Hamburger Abendblatt begann, umfasst 25.000 kleine und 900 große Schiffsmodelle, sowie tausende Gemälde, Bücher, Uniformen, Waffen, Orden und andere Militaria. Mindestens 50 Prozent der Exponate haben militärischen Hintergrund. "Wir wenden uns dagegen, Seekriegsführung als lustvolles Abenteuer, Waffen als technisch faszinierende Kunstwerke und Kriegsschiffe als Meisterleistungen der Ingenieurskunst zu präsentieren. Befehlshaber und Militärs aus Kaiserreich und Nazizeit durch schmucke Uniformen und glänzende Orden zu 'vermenschlichen' oder sogar zu Idolen zu stilisieren, ist aus unserer Sicht kein Beitrag zur historischen Bildung", erklärt Möwe. Nach seinen Recherchen befindet sich dort außerdem „die wohl größte in Hamburg öffentlich zugängliche Ansammlung von Hakenkreuzen und anderen Zeugnissen der NS-Zeit“, wobei „jegliche kritische Distanz“ fehle und die „Beteiligung der Kriegsmarine am Angriffskrieg des NS-Regimes beschönigt“ werde. Dass sich daran im Museum im für 99 Jahre mietfreien Kaispeicher B, das mit 15.200 Quadratmetern das zweitgrößte der Stadt werden soll, viel ändern wird, darf angezweifelt werden. Im Zuwendungsvertrag zwischen der Stadt und Peter Tamm ist eindeutig geregelt, dass das Sagen nur einer hat: „Die Vertragsparteien stellen ausdrücklich klar, dass das alleinige Entscheidungsrecht über die Präsentation der musealen Sammlung Peter Tamm, die Auswahl der Exponate (...), die Durchführung von Ausstellungen, Vorträgen und der gesamte Betrieb des Museums allein bei der Peter Tamm Sen. Stiftung liegt.“ Nun hat Herr Tamm nicht nur nach eigenem Bekunden eine „Marinemeise“. Er macht keinen Hehl aus seiner antidemokratischen Haltung. Als er im letzten Jahr vom TV-Sender Hamburg 1 zum „Hamburger des Jahres“ gekürt wurde, erklärte er, einem Schiff könne nichts passieren, wenn es „klar nach dem Können“ und „ohne Mehrheitsentscheidung“ geführt werde. Ein Staat, der diesem Prinzip folge, würde „exzellent funktionieren. Da gibt’s nicht so viel Gerede, sondern wäre eine klare Ordnung, (...) aber im Moment haben wir das noch nicht, wir sind noch ein Stück weg ...“. Dass Tamm politisch stramm rechts steht, ist altbekannt. Michael Jürgs schreibt in seiner Biografie über Axel Springer, dass dieser seinen Mitarbeiter Tamm mitunter als „Dreckskerl“ und „Rechtsradikalen“ bezeichnet haben soll. Und in vertrauter Runde soll Springer sogar gesagt haben: „Dieser Deutschbulle, dieser verhinderte Admiral“ höre im Auto auf dem Weg ins Büro stets Militärmärsche und manchmal das Horst-Wessel-Lied. Friedrich Möwe ist vor Jahren noch wegen anderer Aktivitäten auf Peter Tamm gestoßen: „Er ist Besitzer mehrerer Verlage, die seit 1995 in Hamburg ansässig sind und die ein ausgeprägt militärisches Publikationssortiment haben. Darunter befinden sich nicht nur aktuelle Militärzeitschriften wie Marine Forum oder Europäische Sicherheit, sondern auch Bücher über den Zweiten Weltkrieg, die in der Tendenz immer so ausgerichtet sind, dass der deutsche Offizier sehr gut abschneidet“, so Möwe. Peter Tamm ist unter Honoratioren von Hansestadt und Republik wohl gelitten. Er ist Träger von 15 Auszeichnungen, darunter das Große Bundesverdienstkreuz und das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold. Im Jahr 2002 machte ihn die ehemalige Bild-Redakteurin Dana Horáková in ihrer Funktion als Kultursenatorin zum Professor h.c. Ein Jahr später war anlässlich Tamms 73. Geburtstages in Schiff & Zeit zu lesen, was er darunter versteht: „... eine Wissenschaft in Demutshaltung, quasi bemäntelt mit dem hierzulande allgegenwärtigen Büßerhemd“, sei seine Sache nicht. Friedrich Möwe hat den Untertitel seines Buches ernst gemeint: „Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion“. Seiner Dokumentation sind zehn Fragen an die jetzige Kultursenatorin Karin von Welck angehängt, mit der Bitte um Antwort. Offiziell war aus der Bürgerschaft bislang nichts zu vernehmen, außer dass der Sprecher der Kulturbehörde sinngemäß erklärte, das Buch sei nicht ernst zu nehmen, weil sich der Autor hinter einem Pseudonym verstecke. „Ich habe jetzt gehört, dass Frau von Welck gemutmaßt habe, der Autor, also ich, müsse von einem Hassmotiv gegenüber Herrn Tamm geleitet sein. Das ist mir völlig fremd und total abwegig. Es scheint mir eher die Funktion zu haben, ein emotional unsachliches Motiv zu unterstellen, um auf die sachlichen Ausführungen und Informationen, die ich zusammen getragen habe, nicht reagieren zu müssen“, erklärt Möwe. Und fügt hinzu: „Die Wissenschaftlichkeit einer Dokumentation misst sich nicht daran, ob ein Pseudonym verwendet worden ist, sondern daran, ob die Informationen, die gegeben werden, nachprüfbar und seriös fundiert sind.“ Dank einer Künstlerinitiative könnte die Bürgerschaft nun doch noch zu einer Reaktion gezwungen werden. Ende August startet die Aktion „Künstler informieren Politiker“. 121 Hamburger Künstler-/innen und Kulturschaffende übernehmen die Patenschaft für jeweils einen Abgeordneten der Bürgerschaft. „Ganz großzügig werden sie eine ‚Tamm-Tamm-Broschüre’ für ‚ihren Abgeordneten, ihr Patenkind’ kaufen und es ihm/ihr schenken, mit der Bitte, sie sollen sich mit der Information vertraut machen“, erläutert die Künstlerin Cornelia Sollfrank die Aktion. Anschließend soll eine Auseinandersetzung zum Beispiel in Form eines Gespräches zwischen den beiden stattfinden. Ende September werden die Ergebnisse unter anderem auf einer Website präsentiert. „Natürlich wollen wir das Museum in seiner geplanten Form verhindern. Wenn das nicht geht, müssen wir zumindest darauf drängen, dass die autokratische Stellung von Herrn Tamm verändert wird und es eine wissenschaftliche Konzeption für das Museum gibt, die von Fachleuten getragen ist“, so Sollfrank. „Vermutlich wussten die meisten Abgeordneten nicht, worüber sie abgestimmt haben – anders ist nicht zu erklären, dass es keine Gegenstimmen gab. Offiziell war ja keine Dokumentation der Ausstellung vorhanden, geschweige denn ein wissenschaftliches Gutachten, wobei zu vermuten ist, dass das aus gutem Grunde fehlt.“ Bürgermeister Ole von Beust erklärte bereits im Juli 2003: „Ich bin mir sicher, dass das Internationale Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm ein Teil der Identität der Freien und Hansestadt Hamburg werden wird.“ Für Sollfrank ist klar: „Das Tamm-Museum ist eine kulturpolitische Katastrophe und eine Schande für Hamburg. Die Hamburger Künstler/-innen sollten sich lautstark davon distanzieren!“ Für sie ist das Tamm-Museum nur „die Spitze des Eisberges“ ist. Zu lange schon betreibe die Stadt eine desaströse Kulturpolitik. „Es werden fast nur noch repräsentative Großprojekte gefördert. Egal, was es kostet – wie zum Beispiel eine Elbphilharmonie für 200 Millionen Euro – was politisch gewollt ist, wird gemacht.“ Daran wird für Cornelia Sollfrank deutlich, „dass es eben nicht wirklich um Geld geht, wie behauptet, wenn die Förderung aktueller kultureller Produktionen von unabhängigen Initiativen und Künstlern so gut wie eingestellt wird. Dahinter steht auch politischer Wille!“
Es besteht noch die Möglichkeit, sich an der Aktion zu beteiligen. Aufgerufen sind alle, die sich mit der Künstlerinitiative solidarisieren wollen. Kontakt anti-tamm@gmail.com TAMM-TAMM. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum. Herausgegeben vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg. Bestelladresse: GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359, Tel.: 040/ 43 33 18 88 20. Preis 5 Euro
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