Die vielen Seiten des Gesetzes
Was macht ein Künstler, wenn ihm Juristen eine Ausstellung “verbieten”? Nichts. Oder Anwälte dazu befragen und diese ausstellen. So hat es Cornelia Sollfrank im “plug.in” gelöst. Basler Landschaftliche Zeitung, 10.11.2004
Was macht ein Künstler, wenn ihm Juristen eine Ausstellung “verbieten”? Nichts. Oder Anwälte dazu befragen und diese ausstellen. So hat es Cornelia Sollfrank im “plug.in” gelöst.
Vier Bildschirme auf vier Sockeln, gut zwei Meter hoch. Je zwei stehen Seite an Seite den beiden anderen in einer Distanz von rund vier Metern genau gegenüber. Auf jedem Bildschirm läuft das Interview mit einem Anwalt, der dem Betrachter die Begriffe Kunstwerk, Kopie oder Plagiat sowie urheberrechtliche Probleme erläutert. Das ist alles, was Cornelia Sollfranks Ausstellung “Legal Parspective” im “plug.in” zeigt. Nicht gerade viel – solange man den Hintergrund nicht kennt.
Statt Blumen Anwälte
Das Projekt, das die Hamburger Künstlerin ursprünglich geplant hatte, hielten einige Juristen für rechtswidrig. Nicht die Hibiskusblüten und den Fotoapparat, mit dem Besucher die Blumen auf der Stelle hätten fotografieren können, um selber zum Künstler zu werden, wären das Problem gewesen. Dass “plug.in” die Verantwortung für die Ausstellung “This is not by me” nicht übernehmen konnte, lag an etwas anderem. Die Künstlerin wollte eine Reihe von Bildern ausstellen, bei denen es sich um Bearbeitungen von Andy Warhols Blumenmotiven handelte. Hergestellt hatte diese die Künstlerin nicht selber, sondern der von ihr erfundene “net.art generator” (Netzkunst-Generator). Gibt man einen Suchbegriff wie “Warhol Flowers” ein, sucht das Programm, das jeden zum Künstler macht, im Internet beliebig viele entsprechende Bilder und fügt diese zu einem neuen Kunstwerk zusammen. Auf diese Weise hat Cornelia Sollfrank schon über 200 eigene “Warhol-Flowers” geschaffen. Wegen der unendlichen Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten ist kein einziges wie das andere.
Warhol hat selbst geklaut
Dass dieses Verfahren urheberrechtliche Bedenken hervorruft, ist zunächst verständlich, wird jedoch relativiert, wenn man weiss, dass Warhol selbst “geklaut” hat. Die seinen Flower-Bildern zugrunde liegende Fotografie stammt gar nicht von ihm, sondern von einer Fotografin, deren Bild er ohne ihr Wissen weiterverarbeitet hat. Entdeckt hatte er es irgendwann in einer Zeitschrift.
Der Bezug auf Warhol ist bewusst, die Vorgehensweise dieselbe. Fast. Beide Künstler greifen wie bei einem Readymade auf einen bereits existierenden Gegenstand zurück, in diesem Falle ein Bild, und verarbeiten es nach ihrem Geschmack weiter. Daraus entsteht etwas Neues. Die jüngere von beiden macht es bloss auf digitaler Ebene. Sogar der ursprüngliche Ausstellungstitel “This is not by me” wäre eine Anspielung auf den bekannten Amerikaner gewesen. Er hatte eine Menge seiner Werke mit diesem Satz gezeichnet.
Was also soll falsch sein an Sollfranks Methode? Diese Frage beantworten vier Anwälte — Urheberrechtsexperten. Von Sollfrank gefilmt, wurden sie selbst zum Kunstwerk und predigen nun in “Legal Perspective” von der hohen Kanzel, dem Sockel, ihre Weisheiten. Ein Bild der Unerschütterlichkeit. Bis man erkennt, wie weit die Ansichten auseinander liegen. Ehemals eindeutige Gesetze, wenn es um Malerei und getreues Kopieren ging, werden im Zeitalter der unbegrenzten Reproduzierbarkeit von Kunstwerken, Digitalisierung und des Internets vieldeutig interpretierbar.
Ausstellung bis zum 22. November 2004: Mi-Sa 14-18h, Do 14-18h und 20-22h, St. Alban-Rheinweg 64