"Sie können das auch!"

oder: Alles nur geklaut?

 

Cornelia Sollfrank zeigt im Kehrwiederturm falsche Warhols. Ihr schalkhafter Diskurs stellt alle romantischen Klischees über Genie und Pinselstrich in Frage.

 

HILDESHEIM. Dass Veranstaltungen in vorauseilendem Gehorsam abgesetzt werden, noch bevor überhaupt eine Gefahr von außen aufgetreten ist, kann man wohl als Trend bezeichnen. Cornelia Sollfrank jedenfalls ist eine früh Betroffene, denn ihr hat man schon 2004 in Basel eine Ausstellung dichtgemacht, bevor sie überhaupt für jemand zu sehen war. Nicht weil man Anstößiges zu Gesicht bekommen hätte, sondern schlicht etwas, was man schon kennt, allerdings nicht von Cornelia Sollfrank. Die hat nämlich ein Computerprogramm entwickelt, das sich Motive aus dem Internet heraussucht und diese nach dem Zufallsprinzip farblich und kompositorisch verfremdet. Das dabei auftretende Problem heißt Urheberrecht. Und das beißt sich an Sollfranks aberwitziger Methode die juristischen Zähne aus.

 

Hildesheim ist nicht Basel, und der Hildesheimer Kunstverein hängt jetzt ohne Scheu jene Werke an die Wand, von denen niemand sagen kann, von wem sie eigentlich stammen. Wer also jetzt im Kehrwiederturm die enge Wendeltreppe hinaufsteigt, bewegt sich in einen Strudel hinein, bei dem einem schwindlig werden kann. Mit den Bildern selbst hat das freilich wenig bis gar nichts zu tun, denn die sind sehr ordentlich nebeneinander angebracht, sehr bunt und fröhlich und floral und nicht weiter aufregend. Ihr Motiv aber sind die berühmten „Warhol Flowers“. Warhol selbst entnahm anno 1964 das Blümchenbild für seinen Siebdruck einem Fotomagazin, was ihm damals ein Verfahren wegen Urheberrechtsverletzung einbrachte. Jetzt hat Cornelia Sollfrank das geklaute Motiv geklaut, durch den Computer gejagt und ein paar Mal neu ausgedruckt. Seit 1997 beschäftigt sich die „Internetkunstpionierin und Cyber-Feministin“ mit diesem automatischen Verfahren, die den subjektiv tätigen, fühlenden und gestaltenden Künstler radikal in Frage stellt.

 

Aber erst die Baseler Bedenken haben sie in den Zwang versetzt, sich mit der „rechtlichen Grauzone“ zu beschäftigen, in die sie sich mit den frei im Netz zirkulierenden Abbildungen begibt. „Ich finde es schön“, sagt sie lächelnd, „wenn die Bilder auch als Bilder funktionieren, wenn man an ihnen auch seinen Spaß haben kann, ohne über die Hintergründe informiert zu sein.“

 

Mit der Zeit aber ist die Beschäftigung mit der Frage nach dem geistigen Eigentum, mit der Rolle des Künstlers und dem Kunstwerk im Zeitalter digitaler Reproduzierbarkeit zum eigentlichen Thema geworden, zu einem schalkhaften Diskurs, der alle romantischen Klischees über Genie und Pinselstrich in Frage stellt. Die Juristen, die sie zu ihrem Fall befragt hat, kann man in kleinen Videofilmen in der Endlosschleife dabei bestaunen, wie sie einander wortreich widersprechen. Da die Fachleute aus dem Rechtsbetrieb ihr nicht haben weiterhelfen können, hat sie den Meister schlicht selbst befragt. Und dieses selbstverständlich gefälschte Interview, das nach Hildesheim mit der Ausstellung weiter nach New York und Manila wandern wird, ist besonders amüsant ausgefallen: Frau Sollfrank mit schwerer Brille im Gespräch mit dem wortkargen Popartisten. Dass er ihr schließlich die Zusage gibt, sie könne mit seinen Arbeiten machen, was sie wolle, schraubt die beziehungsreiche Anspielungsspirale noch weiter nach oben. „Wird der Künstler zur perfekten Maschine oder die perfekte Maschine zum perfekten Künstler?“, fragt Sollfrank und zitiert Warhol damit genauso wie mit dem Titel ihrer Ausstellung: „This is not by me“ lautete nämlich die kalauernde Signatur, die Warhol auf einige seiner Drucke in den 60ern schrieb. „Sie können das auch!“, sagt Sollfrank, und da das Verfremdungsprogramm der in Celle und Hamburg lebenden Künstlerin für jeden im Internet zur Verfügung steht, ist ihre Aufmunterung ans Publikum als echte Aufforderung zu verstehen.

 

Die jetzt eröffnete, letzte Ausstellung des Kunstvereins in diesem Jahr bringt den Saison-Schwerpunkt „Wer ist die Kunst?“ mit Nachdruck auf den Punkt. Außer knallbunten Déjà-vus gibt es nicht viel zu sehen im Turm, zu durchdenken aber eine ganze Menge. Die Kunst ist kaum sichtbar und legt doch alle gesellschaftlichen, rechtlichen und institutionellen Sicherheiten lahm. Das hat eine Menge popkulturellen Charme, genau wie das, was Cornelia Sollfrank selbst über ihre Konzeptkunst zu sagen hat: „Ich bin stolz darauf, ein Problem erfunden zu haben, das man nicht lösen kann.“ mot

 
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