Gewitzte Kunst-Hackerin
Sie stiehlt und stibitzt, mischelt und mauschelt, die deutsche Netzkünstlerin, Cyberfeministin und Hackerin Cornelia Sollfrank. Was im Alltag eher einfallslos und verwerflich erscheint, kann im künstlerischen Kontext unter der schalkhaften Regie einer Cornelia Sollfrank als erbarmungslose Kritik mitten ins Herz des “Betriebssystems Kunst” treffen. Mirjam Weder, Züricher Tages-Anzeiger, 26.02.2004
Sie stiehlt und stibitzt, mischelt und mauschelt, die deutsche Netzkünstlerin, Cyberfeministin und Hackerin Cornelia Sollfrank. Was im Alltag eher einfallslos und verwerflich erscheint, kann im künstlerischen Kontext unter der schalkhaften Regie einer Cornelia Sollfrank als erbarmungslose Kritik mitten ins Herz des “Betriebssystems Kunst” treffen.
Berühmt-berüchtigt wurde Sollfrank 1997 mit der Hackaktion “female extension” anlässlich eines Netzkunstwettbewerbs der Hamburger Kunsthalle. Sollfrank kreierte rund 120 fiktive Teilnehmerinnen. Diese stattete sie mit einem computergenerierten Netzkunstprojekt aus, einer Montage aus automatisch gesammelten Internetmaterialien. Während sich die Jury durch die zahlreichen Einsendungen kämpfte, freuten sich Veranstalter wie Presse über die rege Frauenbeteiligung. Sollfrank thematisierte damit die Vereinnahmung der Netzkunst durch Institutionen wie Museen und Galerien. Gleichzeitig war die Aktion aber auch ein gewitztes Lehrstück in Fragen der Autor- und Urheberschaft im Internet.
Das Copyright als Thema
“Es ist mir sehr wichtig”, sagt Cornelia Sollfrank, “mir über die Bedingungen meiner Arbeit im Klaren zu sein.” Dazu gehört das Reflektieren der eigenen Rolle im Kunstbetrieb, über Sinn und Zweck sowie Grenze und Möglichkeiten ihrer Kunst. Zentral ist dabei die langjährige Auseinandersetzung mit den Veränderungen, die Konzepte wie Original und Kopie, Autorschaft, Copyright und Urheberrecht im digitalen Zeitalter erfahren haben. Welche neue Ästhetik und Kultur aus der beliebigen Reproduzierbarkeit von digitalen Daten resultiert, wird sie am Freitagabend in Zürich in èer Buchhandlung Sphères vorführen. “art = systematic copyright infringement”, zu Deutsch: Kunst gleich systematisches Verletzen des Copyrights, heisst der Titel des Vortrags. Man darf auf viele Beispiele aus Musik, bildender Kunst und natürlich Sollfranks eigenem Schaffen gespannt sein.
Die Aktion “female extension” brachte Cornelia Sollfrank von der deutschen Wochenzeitung “Die Woche” den Titel “Hacker der Woche” ein. Sollfrank gefällt die Idee des Hackens durchaus, wenn es sich dabei um einen kreativen, spielerischen Akt der Störung und nicht der Zerstörung handelt. Kein Zufall auch, dass ihre Website “artwarez” heisst. Denn unter dem Begriff “warez” zirkuliert im Internet geknackte Software, die kostenlos und illegal heruntergeladen werden kann. “artwarez” bezeichnet somit Kunst, die einerseits Hacking als formales Ausdrucksmittel wählt, sich andererseits aber auch kritisch mit dem Konzept des künstlerischen Originals und dessen Implikationen auseinander setzt.
Sollfrank hat sich nicht nur einen Namen als gewitzte Kunsthackerin gemacht, sondern auch als Vorreiterin in Sachen Cyberfeminismus. In der cyberfeministischen Nische wollte sie es sich aber nicht allzu bequem machen. Sie rang auf eine Art und Weise mit dem Begriff und dem Konzept des Cyberfeminismus, die mithin an eine totale Definitionsverweigerung grenzte. Heute betrachtet sie ihr cyberfeministisches Engagement als eine künstlerische Strategie unter vielen.
Schlitzohriges Arbeiten
Unter dem Motte “Smart artists make machines do the work” hat Sollfrank jenen Aspekt ihrer künstlerischen Arbeit weiterentwickelt, der sich unter dem Begriff “generative Kunst” subsumieren lässt. Sie hat auf ihrer Internetseite fünf so genannte Net.art Generators installiert, die auf Mausklick Bilder und Texte aus dem Internet sammeln und neu montiert abspeichern. Dabei zeigt sie sich als ausgekochtes Schlitzohr. Denn wenn der Markt danach verlangt, kann es durchaus vorkommen, dass Sollfrank die von den Besuchern ihrer Website generierten Bilder ausdruckt und verkauft.
Natürlich haben sich schon Generationen von Künstlern vor Cornelia Sollfrank der Collagen- und Montagetechniken bedient. Schon immer waren dies Verfahren, so Sollfrank, die den Begriff der Kreativität in Frage gestellt haben: “Das Benutzen und Verarbeiten bereits vorhandenen Materials verschiebt den Begriff des Originals, was sich wiederum auf den Begriff des Autors auswirkt.” Wie sich an den Projekten “female extension” und den Netzkunstgeneratoren gezeigt hat, haben das Internet und die Möglichkeit der unbegrenzten Kopierbarkeit digitaler Daten dieser Kunstform jedoch neuen Auftrieb und eine neue Radikalität verliehen.