TAMM TAMM

Künstler informieren Politiker

Helms, Birgit

Mich irritiert u.a., dass diese gigantische Summe an ein Projekt gehen soll, das bis heute undokumentiert ist, kein Katalog, keine Website etc.

Sehr geehrter Herr Dees,


am 12.02.2004 hat die Hamburger Bürgerschaft einstimmig beschlossen, das geplante ‚Tamm Museum’ mit 30 Mio. EUR sowie Mietfreiheit zu fördern. Das ist in Zeiten leerer Kassen ein enormer Betrag. Der Entscheid wurde in den letzten Tagen der vergangenen Legislaturperiode extrem schnell durchgedrückt, ohne öffentlich in angemessenem Maße diskutiert zu werden. Mich irritiert u.a., dass diese gigantische Summe an ein Projekt gehen soll, das bis heute undokumentiert ist, kein Katalog, keine Website etc. Wie kann es angehen, dass also ein Projekt gefördert wird, über das so wenig bekannt ist (es sei denn, man hat sich zuvor in der Privatsammlung des Herrn Tamm umgesehen), und dass zudem auch noch vertraglich festgelegt wird, dass niemand (!) außer Herrn Tamm höchstpersönlich über Inhalt und Präsentationsweise entscheiden kann. Macht man sich über Peter Tamm und seine Privatsammlung schlau, kommen einem erhebliche Zweifel, inwiefern das geplante Museum im Sinne Hamburgs sein kann.

Soweit mir bekannt, wird in Tamms bereits existierendem, so genannten Wissenschaftlichen Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte militaristisches und teils faschistisches Material unkommentiert und somit unkritisch ausgestellt. Nur eine einzige Perspektive auf die Seefahrt wird geboten: die der Kriegsherren und Kommandanten; zu sehen sind Orden, Waffen, Schiffsmodelle etc. Hoch interessante Aspekte wie die Auswirkungen der Invasionen auf einheimische Völker, Meeresökologie, Matrosenaufstände usw. werden komplett ausgeblendet – das entbehrt jeglichen wissenschaftlichen Anspruchs. Die Sammlung dieses Instituts soll nun in dem geplanten Museum aufgehen. Sicherlich passt ein Schifffahrts- und Meeresmuseum gut zu Hamburg, nicht aber ein Militär- oder Kriegsmuseum, das zudem seine Exponate unkritisch ausstellt. Das Museum für Hamburgische Geschichte z.B. widmet sich bereits der Seefahrt – und hat diese wissenschaftlich aufgearbeitet. Das scheint mir sinnreich und in Anbetracht chronisch fehlender Gelder für soziale und kulturelle Belange (die bildende Kunst wird z.B. mit nur 140.000 Euro abgespeist; Bücherhallen, Frauenhäuser u.v.m. werden geschlossen…) zu diesem Zeitpunkt ausreichend für Hamburg. Ein Museum wie das geplante unterstützt keineswegs das Bild des „weltoffenen Hamburgs“, mit dem die Stadt gerne für sich wirbt, sondern konterkariert es. Es ist zu befürchten, dass das Museum zu einer Anlaufstelle für Rechtsgerichtete und Militaria-Fans wird, und spätestens, wenn es in den internationalen Fokus rückt, ist mit einem wenig rühmlichen Eklat zu rechnen, der ein trübes Licht auf Hamburg werfen wird.

Nun waren Sie zum Zeitpunkt der Abstimmung über das Museum zwar noch nicht in der Bürgerschaft, aber sicherlich haben Sie eine Meinung zu dem Thema. Unter Umständen sind Sie sogar gleichermaßen irritiert wie die 121 Künstler und Kulturschaffenden, die sich zu der Aktion Künstler informieren Politiker (KiP) zusammengeschlossen haben, da sie das Tamm-Museum sowie dessen öffentliche Förderung für inakzeptabel und skandalös halten. Ich bin Stadtsoziologin, freie Journalistin und Organisatorin einer wöchentlichen Kulturveranstaltung in Hamburg. Vor einigen Jahren zog ich hierher, weil die Stadt – trotz finanziellen Missmanagements: willkürliches Sparen hier und beliebiges Fördern da – über eine großartige Kulturszene verfügt, die von engagierten Menschen unter teils Haar sträubenden Bedingungen auf die Beine gestellt wird – ein Großteil wird finanziert aus privaten Mitteln, weil die Stadt angeblich keinen Cent ‚übrig’ hat. (Ich hätte da ja eine Idee, wie man z.B. das eingangs erwähnte T(r)öpfchen von 140.000 Euro für die bildende Kunst um, sagen wir mal, 30 Mio. Euro aufstocken könnte. Noch mehr wäre es aber in meinem Sinne, die Summe zu splitten: ein Teil für die Kulturschaffenden, ein Teil für soziale Projekte. Was meinen Sie, was dann alles in Bewegung käme… Und dann hätte Hamburg wirklich etwas vorzuzeigen!) Ich möchte mich jedenfalls in Zukunft weder für meine Wahlheimat schämen, noch bin sonderlich angetan von dem Gedanken, es den vielen Hamburger Kulturschaffenden nachzutun, die nach Berlin umsiedeln, weil dort die Kultur noch wertgeschätzt wird.

Sie sehen, mir ist das ‚Tamm-Museum’ aus zweierlei Gründen ein Dorn im Auge. Zum einen verdient die einseitige und unwissenschaftliche Abbildung von an anderer Stelle immer wieder als ‚gefährlich’ eingestuftem Material keinerlei Förderung, und zum anderen werden die Gelder, aus denen das Museum gespeist wird, an anderer Stelle dringend benötigt. Aus diesen Gründen und innerhalb der o.g. Aktion „KiP“, deren Ergebnisse auf der Website http://www.tamm-tamm.info veröffentlicht werden, möchte ich die Problematik des geplanten Museums sehr gerne persönlich mit ihnen erörtern und dabei versuchen, Ihre Fragen zu beantworten und Sie – hoffentlich!!! – zu Gegenstrategien bewegen. Nun ist mein Zeitplan ebenso eng wie der Ihre, daher schlage ich Freitag, den 16.09.05, 8.00 Uhr für ein gemeinsames Gespräch vor, werde aber auch einen anderen Termin ermöglichen, wenn Ihnen dieser ungelegen kommt. Anbei übersende ich Ihnen zur vorab-Lektüre die aufschlussreiche Broschüre Tamm-Tamm – Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum von Friedrich Möwe (Pseudonym), die bereits in der taz, im Deutschlandradio, NDR-TV usf. besprochen wurde.

Ich bin gespannt auf unser gemeinsames Gespräch und verbleibe

mit freundlichen Grüßen,

Birgit Helms

Tamm Tamm..
Konzept der Aktion
A fascist Museum for Hamburg?
Chronik
Download des Readers
Führung durch die Sammlung
Zu Gast im Hause Tamm
Sammelantwort der CDU
Kontakt