TAMM TAMM

Künstler informieren Politiker

TAMM TAMM -Künstler informieren Politiker

121 Künstler/-innen übernehmen Patenschaften für die 121 Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft. Am 12.Februar 2004 folgt die Hamburger Bürgerschaft der Aufforderung des Senats vom Januar und stimmt der Errichtung des “Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm, Hamburg” zu. Der Beschluss wurde ohne Gegenstimmen gefasst (die Abgeordneten der GAL enthielten sich).
Für die größte maritime Privatsammlung, bestehend aus 25.000 Schiffsmodellen, Hunderten von Uniformen, Marinegemälden und anderen Exponaten, stellt die Stadt Hamburg mietfrei ein Gebäude zur Verfügung und verpflichtet sich darüber hinaus, 30 Millionen Euro für den Ausbau des Museums im historischen Kaispeicher B und die Aufbereitung der Sammlung zu bezahlen. Abgesehen davon, dass die Qualität der Sammlung von Experten angezweifelt wird, und Kritiker befürchten, dass die vielen Exponate aus der Nazizeit das geplante Museum zur Anlaufstätte für Militaria-Fans und Neonazis machen, bedeuten die mit Tamm geschlossenen Verträge einen Skandal.

Der Bestand der Sammlung wurde einer privaten Stiftung übereignet, deren Direktor der Sammler ist. Dem Stifter Peter Tamm wird eine rundum autokratische Stellung garantiert. Das ist für ein öffentlich gefördertes Museum nicht angemessen. Die Art und Weise, wie und wie schnell dieses Projekt ohne jede öffentliche Diskussion und ohne Gegenstimmen in der Bürgerschaft durchgezogen wurde, verdeutlicht ganz klar die Tendenzen der neuen Kulturpolitik:

- Fragwürdige Private-Public-Partnerships werden zum einseitigen Vorteil der privaten Partner geschlossen.
- Der vorherrschende Kulturbegriff erhebt Quote und Besucherzahlen – also Quantität – zum Maßstab.
- Zugunsten populistischer Großprojekte (Leuchttürme) werden differenzierte, experimentelle und schwierigere Formen von Kunst und Kultur vernachlässigt.
- Trotz leerer Kassen wird eine große Summe öffentlicher Gelder für ein fragwürdiges Projekt eines Privatsammlers zur Verfügung gestellt. Bisher musste jedes Museumsvorhaben ausnahmslos ein stichhaltiges Konzept vorlegen, um gefördert zu werden. So nicht Herr Tamm, über dessen Museumskonzept nicht einmal die Entscheidungsträger Bescheid wissen.

Im Juni 2004 werden alle Verträge von Kultursenatorin von Welck und Finanzsenator Peiner unterzeichnet. 14 Tage nach Vertragsunterzeichnung wird der Tamm-Stiftung die erste Rate in Höhe von 15 Millionen EUR überwiesen. Ein Finanzierungskonzept, das den laufenden Betrieb des Museums, der mit drei Millionen Euro veranschlagt wird, gibt es (bis heute) nicht. Befürchtungen liegen nahe, dass im Fall fehlender Sponsoren die öffentliche Hand wird aushelfen müssen.

Im April 2005 veröffentlicht eine Autorengruppe des Informationskreises Rüstungsgeschäfte in Hamburg mit dem Pseudonym Friedrich Möwe die Materialsammlung „Tamm-Tamm“, die Hintergrundinformationen zur Person Peter Tamm, zur Qualität seiner Sammlung und seinen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen liefert. Die Publikation wird unterstützt von der GEW und dem Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V. Damit liegen der Öffentlichkeit erstmals umfassende und konkrete Informationen vor. Die Fakten sind schockierend. Eine Fotodokumentation der Ausstellungsobjekte und ihrer Präsentation in der Tammschen Elbchausseevilla können keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass es sich nicht um ein harmloses Schiffsmodellmuseum handelt, das den Spieltrieb von Kindern und Erwachsenen befriedigen und eine touristische Attraktion zum Nutzen der Hansestadt sein könnte. Zu erwarten ist ein mit Kriegswaffen und Nazikitsch bestücktes, die Brutalität von Seekriegen verherrlichendes Sammelsurium. Wie konnte es zu diesem kultur-, finanz-, und gesellschaftspolitischen Skandal kommen? Wie kommt die Hamburger Kulturpolitik dazu, ein Privatmuseum zu finanzieren, für das es kein stichhaltiges Konzept gibt? Warum meint man, den privaten Spleen eines Militaria-Sammlers durch staatliche Anerkennung und Förderung nobilitieren zu müssen?

Diesen Fragen gehen nun Hamburger Künstler/-innen und Kulturschaffende in der Aktion „Künstler informieren Politiker“ nach. Die Aktion setzt bei den politisch Verantwortlichen des Skandals an, den Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft. Die Künstler/-innen gehen davon aus, dass die Abgeordneten in Unkenntnis der Sachlage dem Museumsprojekt zugestimmt haben. Wie sonst könnte man diese Entscheidung erklären? Die Künstler versuchen diesem Mißstand entgegenzuwirken, indem sie die Abgeordneten nun informieren. Für jede/n Abgeodnete/n der Bürgerschaft wird von einem Hamburger Künstler/in eine Patenschaft übernommen. Der Pate oder die Patin besorgt für seine/n Abgeodnete/n die Informationsschrift „Tamm-Tamm“, lässt es ihr/m zukommen und versucht anschließend einen Austausch über das geplante Museum. Diese persönlichen Begegnungen zwischen je einem Künstler/-in und einer/m Abgeordneten sollen in einer vom Künstler frei gewählten Form dokumentiert werden. Alles von Zeichnung, über Fotografie zu Video oder einem Gedicht oder Text ist denkbar. Die Liste der Künstler/innen sowie die der Abgeordneten und das Ergebnis des Treffens werden auf einer Website zusammengeführt.

Das Ziel der Aktion ist, die öffentliche Diskussion über das Tamm-Museum – wie vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg mit der Publikation „Tamm-Tamm“ angeregt – auszudehnen. Die Künstler/-innen legen dabei den Schwerpunkt auf seine kulturpolitischen Implikationen. Durch wachsenden öffentlichen Druck hoffen die Künstler/-innen das Museum in seiner geplanten Form verhindern zu können.


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Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion, Friedrich Möwe

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