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Eine Führung durch die Sammlung Tamm |
Es war etwas dramatisch, ein 84-jähriger einstiger U-Boot-Kommandeur hatte zwei Schwächeanfälle (damit hatten die Tamm-Tamms aber nichts zu tun), der Notarzt kam, und am Ende sagte ein anwesender Herr zu mir "Auch Sie hätten vielleicht eine gute BDM-Führerin sein können". Aber der Reihe nach.
20.September 2005
Frau Müller, die Führerin, machte einen angespannten Eindruck. Fotografieren sei neuerdings verboten, man habe schlechte Erfahrungen gemacht. Besucher hätten Bilder ins Internet gestellt, und nun dürfe eben nicht mehr fotografiert werden. Sie führte uns durch das erste Zimmer mit den Containerschiffen und der "Marine-Malerei". Von Anfang an betonte Frau Müller den zivilen Charakter der Exponate. Formulierungen wie "Hier sehen Sie Internationale Handelsschifffahrt inklusive Passagierschifffahrt" oder "...und hier Bugsier und Schlepper, stark und friedlich. Oft hört man Leute, die sagen: Das sind meine Lieblinsschiffe!" und dergleichen waren auffällig. Es wurde darauf hingewiesen, dass auch Ringelnatz "Marinemalerei" betrieben hat, auch die Bilder eines russischen Malers, der Turner zum Vorbils hatte, wurden sehr herausgestellt. Es ging auch mal um den riesigen Bestand an Schiffs-Speisekarten, die Herr Tamm besitzt.
Auf die hartnäckigen Fragen einer Tamm-Tamm-Aktivisten (dessen Namen ich leider nicht weiß), wie denn die bewaffneten Handelschiffe, die Kolonialgeschichte und dergleichen aufgearbeitet würden, hat Frau Müller immer versucht, freundlich zu antworten. (Es gibt keinerlei Kontextualisierung. Alle Exponate stehen und hängen einfach herum.) Frau Müller hat betont, dass das Institut an der Elbchaussee quasi Tamms "privates Wohnzimmer" sei, das geplante Museum in der Hafencity selbstverständlich die Exponate im Zusammenhang präsenteren würde.
Wenig später hatte der U-Boot-Kommandeur seinen Schwächeanfall, einige Tamm-Tamms kümmerten sich, der Notarzt wurde gerufen. Wieder bei Bewusstsein, wollte der alte Herr unbedingt die Führung weitermachen, die wurde nämlich unterdessen fortgesetzt. Vor allem wollte er "die Uniformen" sehen. Gegen die Bitten und den Rat von uns und seinem früheren Untergebenen, der auch um die 80 Jahre war, stand der Mann wieder auf, hatte seinen 2. Schwächanfall. Der Notarzt traf ein. Der frühere Untergebe hatte mir unterdessen erzählt, dass sie sich heute zum ersten Mal nach 63 Jahren wiedertreffen. Die Notärzte fanden nichts, der ex-U-Boot-Kommandeur erholte sich, wollte die Führung weitermachen und vor allem "die Uniformen" sehen. Der ehemalige Untergebene ging unterdessen, um das Auto der beiden zu holen, er machte sich, wie wir, Sorgen um den Zustand des alten Mannes. Einige Tamm-Tamms sorgten dafür, dass der U-Boot-Kommandeur umgehend mit Frau Müller zu den Uniformen geführt wurde (davon war er trotz Schwäche nicht abzubringen), und dann fuhren der ex-U-Bootkommandeur und sein Untergebener davon.
Unterdessen schien sich wegen Fragen zu der Darstellungsweise der Exponate eine etwas gereizte Stimmung unter der "50+" Gruppe verbreitet zu habe. (Habe einiges von der Führung verpasst, kann den Teil nicht wiedergeben.)
Im 2. Stock in einem Raum mit diversen Nazi-Uniformen und der Großadmidarsstäbe von Dönitz und Co. wurde die Stimmung noch gereizter. Auf Nachfragen der Tamm-Aktivistin zur Repräsentation und Kontextualisierung gab es in etwa immer die Antwort, dass im Tamm-Museum in der Hafencity auf jeden Fall der Kontext da sei. Ich habe angemerkt, dass Herr Dönitz ein verurteilter Kriegsverbrecher sei, ob denn derlei Aspekte auch integriert würden in das neue Museum? Das bejahte Frau Müller. Ich wollte auch wissen, wie und wer die Museumsgründung wissenenschaftlich begleitet. Es wurde an einen Dr. ? (Namen vergessen) vom Haus der Geschichte in Bonn verwiesen und an Menschen der Hamburger Museuslandschaft. Man arbeite aber auch mit vielen ehrenamtlichen Helfern und Leuten aus der Praxis zusammen (!). Ich habe auch gefragt, wie das denn mit dem Matrosenaufstand von 1918 sei, ob derlei historische Episoden auch gezeigt würden, im Sinne eines ausgewogenen Geschichtsbildes? Antwort: Herr Tamm hätte Nachlässe von Leuten, die dabei waren, das müsse aber alles noch ordentlich aufgearbeitet werden. Aber warum nicht? Sowas könne auch ausgestellt werden.
Es ging einen Raum weiter. Dort war u.a. Zeug von Kurt Weyher ausgestellt, Admiral unter Hitler. Kurt Weyher hat wohl gemalt, zumindest gibt es in der Vitrine ein alles beherrschendes Schild "Der Admiral als Künstler". Frau Müller und die "50+"-Gruppe reagierten auf die Nachfragen der Tamm-Aktivistin und anderer zusehends genervt. Es begann ein Streit mit den "50+"-Leuten, ob und wie derlei Exponate ausgestellt werden sollen. Ein Herr meinte, dass sei nun mal die Wirklichkeit, und das Dritte Reich dürfe nicht ausgespart werden aus dem Geschichtsbild.
Aufschlussreich waren Bemerkungen, die am Rande fielen: Z. B. "aber die anderen Völker haben sowas auch gemacht", "die Bombardierungen der Alliierten muss man auch dokumentieren", "und überhaupt, die Bombardierung von Dresden..."
Die Stimmung war im Eimer. Kurze Zeit später, wieder einen Raum weiter, habe ich am Rande zu Frau Müller gesagt, dass sie die Nachfragen und die Kritik nicht persönlich nehmen dürfe. Die Tamm-Sammlung habe eine Reihe sehr problematische Bestandteile, und wenn die Sammlung nun öffentlich wird, müsse man sich eben mit Menschen auseinandersetzen, die das alles bedenklich finden und eine andere Meinung haben. Frau Müller nickte bejahend. Ein Mann der "50+" Gruppe, der meine Bemerkung gehört hatte, kam auf mich zu und wollte sehr aggressiv wissen, was denn bitte an der Tamm-Sammlung problematisch sei?! Und überhaupt, diese jungen Leute mit ihrer Einstellung! Es fiel der Satz: "Auch Sie hätten vielleicht eine gute BDM-Führerin sein können". Die Gnade der späten Geburt, usw. Ich daraufhin: "Das ist eine Beleidigung, und sie können sich jetzt bei mir entschuldigen." Der Mann wollte aber nicht, und ich bin dann auch laut geworden. Der Mann beschwerte sich, dass Leute wie wir, die junge Generation, "mit Dreck auf ihre Eltern- und Großeltern-Generation wirft" usw. Ich wollte mir das nicht anhören, sondern die Entschuldigung. Auch wenn der Satz im Konjunktiv geäußert wurde - bestimmte Dinge gehen einfach nicht. (Merke die Formulierung "gute" BDM-Führerin.) Der Mann brüllte mich dann sehr eindrucksvoll laut an, ballte die Fäuste und war wirklich außer sich. Tamm-Tamms griffen dann vermitteln ein, weil sie Angst hatten, dass mir der Typ gleich eine runterhaut. Den Eindruck hatte ich nicht. Vielmehr glaube ich, dass der Typ sich rund 2,5 Stunden (so lange dauerte die Führung) über all die kritischen Fragen geärgert hat. Er fand das respektlos, das passte nicht in sein Weltbild, und er musste das mal rauslassen.
Das schöne daran, wenn Menschen die Beherrschung verlieren, ist ja, dass dann klar wird, worum es im Kern geht. So gesehen hatte die Eskalation am Ende was gutes. Nach der Hausverbot-Terror-Geschichte mit Herrn Ahlhaus von der CDU eine weitere, vielsagende Anekdote.
Ich hatte den Eindruck, dass Frau Müller all ihre Aussagen (vonwegen ziviler Schwerpunkt) ehrlich gemeint hat. Bezeichnenderweise sind ihre Lieblingsexponate Gemälde, die gar keine Schiffe, sondern nur Meer und Wellen zeigen. Sie ist Volkskundlerin, kommt aus Kassel und liebt alles, was mit Meer und Schiffen zu tun hat. Von mir aus. Nur: wenn derlei unkritische Menschen ohne den nötigen wissenschaftlichen Background das HafenCity-Tamm-Museum kuratieren werden, wird das schief laufen. Sie sagte nämlich, dass sie da mithelfen wird, genau wie Peter Tamm. Und dem traue ich nun wirklich nicht zu, dass die Exponate angemessen ausgestellt werden!
Ich hatte den Eindruck, dass die Tamm-Leute beschlossen haben, so zu tun, als ob sie natürlich auf Ausgewogenheit und Wissenschaftlichkeit wert legen. Das wird jetzt explizit nach außen kommuniziert.
Erdgeschoss und 1. Stock gehen mit viel gutem Willen vielleicht noch durch für ein "Internationales Schiffahrstmuseum". Der 2. Stock auf keinen Fall. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Peter Tamm auf eine angemessene Kontextualisierung wert legt. Und dann das Publikum!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Ich fand's gruselig.
Ich fühlte mich sehr an die Debatte um die Wehrmachts-Ausstellung erinnert. Weiß jemand, wie viele Menschen/ Wissenschaftler an der Konzeption beteiligt waren? Das fände ich wirklich spannend. Tamm hat Abertausende von Expontanen. Das muss schließlich gesichtet, katalogisiert, auswählt, angemessen präsentiert werden. Der wissenschaftliche Beirat besteht bisher, glaube ich, aus 3 Leuten. Wie wollen die das denn bewältigen?! Mithilfe von "Ehrenamtlichen und Leuten aus der Praxis?" Dann sehe ich schwarz. Meine Güte!
Soweit erstmal. Ich bin ein wenig fassungslos.
Meike Richter
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