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Wie die Museumsidee aufkam und durchgesetzt wurde

Auszug aus TAMM TAMM, S. 67-72 Die ungebremste Sammelwut des „Admirals“, brachte die große Villa an der Elbchaussee 277 schon im Laufe der 90er Jahre an die Grenzen ihres Fassungsvermögens. Die Suche nach anderen, noch größeren Räumlichkeiten begann. Hier konnte sich Tamm auf die Hilfe von führenden Hamburger Unternehmern verlassen, die seit etwa 1998 auch entsprechende Vorstöße auf politischem Terrain starteten.
Sie verwiesen auf die „Gefahr“, dass Tamm seine Sammlung nach Kiel abgeben könnte. Kiels Bürgermeister Norbert Gansel hätte angeblich schon ein Angebot unterbreitet. Namentlich der damalige Präses der Hamburger Handelskammer und Mitinhaber der Laeisz-Reederei, Tamm alter Freund Nikolaus W. Schües, setzte sich für einen Verbleib der Sammlung in Hamburg ein. (1)

Der Weg zur Durchsetzung des Museumsprojektes führte dann über folgende Stationen:

Nov.2000 – Jan 2001:
In der Ausstellung „Seewärts“ führt Tamm der Hamburger Öffentlichkeit mehrere hundert Exponate aus seiner Marine- und Schifffahrtssammlung in der Axel-Springer-Passage vor. Der Eintritt ist frei, die Ausstellung wird vom Axel-Springer-Verlag finanziert.

Anfang 2001:
Deutschlands Schuhkönig Ludwig Görtz schlägt vor, Tamms Marinesammlung auf dem neu zu bebauenden Domplatz, Hamburgs Keimzelle am Speersort, unterzubringen.

August 2001:
Hamburgs damaliger Bürgermeister Ortwin Runde (SPD), der im August 2000 schon Tamms Nelson-Ausstellung im Altonaer Museum eröffnet hat, bietet Tamm an, seine Sammlung in einen Museumskomplex in der künftigen HafenCity einzubringen. Als ein möglicher Museumsstandort wird in einer Senatsmitteilung (Drs. 16/6584) auch Block P in der Speicherstadt genannt.

September 2001:
Das Ergebnis der Bürgerschaftswahl vom 23.9., die zu einer Rechtskoalition von CDU, Schill-Partei und FDP führt, verbessert die Ausgangssituation zugunsten von Tamm. Laut Koalitionsvereinbarungen soll „alles drangesetzt“ werden, seine Sammlung in Hamburg zu halten. Finanzsenator Peiner soll dafür die Gespräche mit Tamm führen.

2002:
Tamm gründet die „Peter Tamm Sen. Stiftung“ mit der Zielsetzung, den Bestand seiner Sammlung in Hamburg in ein Museum mit Archiv und Bibliothek zu überführen.

Juli 2002:
Der Hamburger Senat verleiht Tamm den Ehrentitel „Professor“. Kultursenatorin Horáková fabuliert bei dieser Gelegenheit, zwei Admiräle zählten zu Tamms Ahnen. (2)

Oktober 2002:
Die „Welt“ meldet, Tamm und Peiner hätten sich verständigt, die ehemalige Seefahrtsschule an der Rainvilleterrasse in Ottensen um einen Anbau zu erweitern, um die Sammlung dort unterzubringen. Im Dezember 2002 heißt es, der Umzug in die Seefahrtsschule solle zur Jahreswenden 2005/06 abgeschlossen sein. Später stellt man fest, dass dieser Standort wegen der Aufsplitterung auf vier Gebäude und unbefriedigender Erreichbarkeit nicht geeignet ist.

April 2003:
Finanzsenator Peiner kann den Energiekonzern E.ON Hanse nicht davon abhalten, die übernommenen Hamburger Gaswerke („Hein Gas“) mit mehreren hundert Arbeitsplätzen von Hamburg nach Quickborn zu verlagern. Peiner legt E.ON nahe, eine größere Spende an die Tamm-Stiftung zu überweisen, um damit ein „Bekenntnis zum Standort Hamburg“ abzulegen. SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer wirft Peiner im Juni vor, hamburgische Interessen zugunsten eins privaten Instituts zu vernachlässigen.

Juni 2003:
Die „Welt am Sonntag“ berichtet von Tamms Absicht, „das größte Schifffahrtsmuseum der Welt zu erschaffen“. (3)
Wenige Tage später erklärt Kultursenatorin Horáková, dass im Kulturhaushalt 2004 als erste von zwei Raten 15 Millionen Euro für das Tamm-Museum bereitgestellt werden. Bei derselben Gelegenheit wird mitgeteilt, dass „nach eingehender Abwägung unter Prioritätsgesichtspunkten „Hamburgs Geschichtswerkstätten keinen Zuschuss mehr bekommen sollen. Die erste Rate für das Tamm-Museum entspricht dem 28fachen des Betrags, den alle 14 Geschichtswerkstätten zusammen für 2003 bekommen hatten. (Später erreichen massive Proteste, dass die Förderung der Geschichtsinitiativen nicht ganz gestrichen, sondern nur stark gekürzt wird.)

Juli 2003:
Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gibt bekannt, dass der Senat den Kaispeicher B am Rande der Speicherstadt (Magdeburgerstr. 1) der Peter Tamm Sen. Stiftung für 99 Jahre unentgeltlich überlassen und die Stiftung mit 30 Mio. Euro unterstützen will. Tamm kündigt an, dass das Museum als private Einrichtung ohne weitere öffentliche Zuschüsse „unabhängig von staatlicher Einflussnahme“ betrieben werden soll. Bürgermeister und Finanzsenator ermuntern private Sponsoren, das Museum zu unterstützen.

August 2003:
Die taz Hamburg berichtet am 21.August, wie sich Vertreter Hamburger uns auswärtiger Museen zum Projekt Tamm-Museum äußern. Die Meinungen über den wissenschaftlichen Wert gehen auseinander, doch es wird allenfalls verhaltene Kritik artikuliert. „Tamms Einfluss ist groß, und niemand möchte es sich verscherzen mit dem Sammler“, konstatiert Petra Schellen.

Januar 2004:
Der Senat beschließt am 6.Januar die Errichtung des „Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseums Peter Tamm, Hamburg“ und fordert die Bürgerschaft mit der Drucksache 17/3986 zur Zustimmung auf. Die Eröffnung des Museums wird für den 15.August 2005 angekündigt – ein unhaltbarer Termin, wie die Beteiligten im Grunde genau wissen.
Es wird gemeldet, dass sich ein erster Hauptsponsor gefunden habe, der das Museumsvorhaben mit 1,5 Mio. Euro unterstützen will – sein Name wird geheim gehalten. Möglicherweise handelt es sich hierbei um die Deutsche Bank, die sich einige Monate später als Förderer des Vorhabens outet.

Februar 2004:
Der Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe, Prof. Dr. Wilhelm Hornbostel, wirft die Frage auf, ob das Tamm-Museum nicht zur „Kannibalisierung“ der Hamburger Museumslandschaft beiträgt. Er befürchtet, dass bestehende Hamburger Museen mit maritimen Exponaten aufgrund der neuen Konkurrenz Besuchereinbußen erleiden.
Die Bürgerschaft stimmt am 12.Februar der Errichtung des Tamm-Museums ohne Gegenstimmen (!) zu; die Abgeordneten der GAL enthalten sich der Stimme.

April 2004:
Vorsichtig formulierte Kritik des Hamburger Rechnungshofes an der aktuellen Museumspolitik wird bekannt. In Anspielung auf das Tamm Museum fordert er, „die Auswirkungen neuer oder verbesserter Kulturangebote auf gleichartige und eventuell konkurrierende Einrichtungen stärker“ zu berücksichtigen. Er spricht damit ebenfalls das Problem der Konkurrenz an, die das Tamm-Museum den bestehenden Hamburger Museen mit Schifffahrtsabteilungen bereiten wird.

Mai 2004:
Tamm erläutert seine Museumsideen in der exklusiven Hanse Lounge („The private Business Club“) am Neuen Wall vor rund 50 geladenen Gästen. Seine Geschäftsführerin Russalka Nikolov teilt mit, dass für den jährlichen Betrieb des Museums ca. 3 Mio. Euro benötigt würden. Von den notwendigen 20 Millionen Euro Stiftungskapital seien bisher 3 Mio. Euro zugesagt. Bürgermeister Ole von Beust und Finanzsenator Peiner fordern in einer Broschüre kapitalkräftige Hamburger zu Spenden auf.

Juni 2004:
Das Vertragspaket für das Marinemuseum - bestehend aus vier Einzelverträgen - wird am 24. Juni von Tamm, Kultursenatorin von Welck und Finanzsenator Peiner unterzeichnet. Innerhalb von 14 Tagen nach Unterzeichnung überweist die Stadt die erste Rate von 15 Mio. Euro an die Tamm-Stiftung.

August 2004:
Am 11. August führt der Kulturausschuss der Bürgerschaft eine Anhörung zum Vorhaben Tamm-Museum durch. Als einzige geladene “Auskunftsperson“ ist Tamms Geschäftsführerin Russalka Nikolov anwesend. Das finanzielle Risiko des Projektes bezeichnet sie als „sehr minimal“. Bei der Vorstellung der Themenbereiche betont sie die Internationalität des Museumsansatzes und die Absicht der „Vermenschlichung von Geschichte“ – nur schwammige Aussagen macht sie zu den militärischen Themen. Als einziges Mitglied des Ausschusses spricht die SPD-Abgeordnete Luisa Fiedler, Lehrerin an der Gesamtschule Wilhelmsburg, kritisch die Problematik der Militaria und der Darstellung von Kriegsgeschichte an. Sie geht dabei irrtümlich davon aus, dass Militaria mit nur etwa 10 Prozent „den kleinsten Teil der Exponate“ ausmachen würden (der Anteil liegt bekanntlich wesentlich höher). Sie fordert eine kritische Kommentierung von Uniformen, Pickelhauben und Hakenkreuzen. Frau Nikolov behauptet, dass im Museum keine Meinungen verbreitet, sondern nur Fakten, nur Geschichte, präsentiert werden sollen. Den Krieg könne man nicht auslassen, wenn man Schifffahrtsgeschichte präsentiere. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Drews meint, er habe in den vorgelegten Unterlagen nichts gesehen, was auf eine einseitige ideologische Darstellung hindeuten würde. Die Fragen der Abgeordneten Dr. Dorothee Stapelfeldt (SPD) und des Ausschussvorsitzenden Dr. Willfried Maier (GAL), ob ein wissenschaftlicher Beirat für das Museum vorstellbar wäre, beantwortet Nikolov ausweichend damit, dass man selbst ein wissenschaftliches Institut sei und „eigene Wissenschaftler“ beschäftige. Sie lehnt es ab, die Namen der bisher gefundenen Sponsoren zu nennen. Ein Vertreter der Finanzbehörde räumt auf Befragen ein, dass die Kosten für eine zum Museum führende Fußgängerbrücke zusätzlich zu den 30 Mio. Euro von der Stadt (bzw. von der städtischen Hafen-City-Gesellschaft) übernommen werden. In der Senatsvorlage vom 6.1.2004 waren hierzu widersprüchliche Angaben gemacht worden.
Einige Tage nach der Anhörung wird gemeldet, dass das umfangreiche U-Boot-Archiv des ehemaligen Marineoffiziers Horst Bredow aus Altenbruch bei Cuxhaven in das Tamm-Museum integriert werden soll. Hiervon hatte Nikolov dem Kulturausschuss nicht berichtet.

November 2004:
Die „Hamburger Morgenpost“ vom 9.11.2004 berichtet unter der Überschrift „Kostet das Tamm-Museum uns noch mehr Millionen?“ über Befürchtungen, dass die spätere private Finanzierung des Museumsbetriebs nicht gesichert sei. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Wolfgang Drews spricht von „unausgegorenen“ Kostenpunkten im Finanzkonzept.
Vier Senatoren und sechs Staatsräte des CDU-Senats lassen sich am 10. November von Tamm durch seine Sammlung führen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass jemand von den Gästen Befremden wegen der Menge an Militaria und Hakenkreuzen geäußert hätte.

Dezember 2004:
Der private Fernsehsender Hamburg 1, an dem das Haus Springer zu 30 Prozent beteiligt ist, strahlt gleich zweimal, am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag, die Aufzeichnung einer sog. „Hamburg-Gala“ aus. Als Hamburger des Jahres 2004 in der Rubrik „Lebenswerk“ wird Peter Tamm geehrt. Er und Abendblatt-Chefredakteur Menso Heyl, der die Laudatio hält, weisen darauf hin, dass weiterhin Sponsoren für das Museum gesucht werden.

Januar 2005:
Im Kulturausschuss der Bürgerschaft versucht Kultursenatorin v. Welck am 6.Januar Kritik zu entkräften, die sich an der mangelnden Bereitschaft der Tamm-Stiftung, sich fachlich und wissenschaftlich beraten zu lassen, entzündet hatte. „Die Bereitschaft der Stiftung, fachlichen Rat anzunehmen“, sei sehr gestiegen, so die Senatorin. Die Formulierung lässt aufhorchen. Es wird mitgeteilt, dass sich ein „informeller Beirat“ aus bisher drei Personen gebildet habe (Prof. Dr. Gisela Jaacks und Dr. Carsten Prange vom Museum für Hamburgische Geschichte sowie Eske Nannen von der Kunsthalle Emden).
Weiter ist zu hören, dass sich eine Art Freundeskreis für das Tamm-Museum gebildet habe, dem u.a. wichtige Hamburger Reeder angehören – Namen werden nicht genannt.
Es verlautet, dass mit der Projektsteuerung und dem Baumanagement für das Museum die Gesellschaft für Städtebau und Projektentwicklung (gsp-Städtebau) in Berlin beauftragt worden ist.
Für die Innengestaltung des Museums liegen als Ergebnisse eines Wettbewerbs zehn Planungsvorschläge von Architekten aus Deutschland und der Schweiz vor. Hamburgs Kultursenatorin und die Hamburger Museumsdirektoren begutachten die Konzeptionen am 14.Januar im Tamm Institut.
Tamm reicht den Bauantrag für das Museum im Bezirksamt Hamburg-Mitte ein. Es heißt jetzt, dass das Museum nach 18 monatiger Bauzeit Ende 2006 eröffnet werden soll (das Eröffnungsdatum 15.8.2005 ist damit vom Tisch).

April 2005:
Tamm gibt zu verstehen, dass mit der Eröffnung des Museums erst 2007, spätestens aber 2008 zu rechnen sei.
In den Springer-Zeitungen werden wiederholt die Kontonummern für Spenden zugunsten des Museums veröffentlicht.
Es wird gemeldet, dass der Hamburger Kaufmann Joachim Herz (63) das Tamm-Museum mit 1,5 Mio. Euro unterstützt. Joachim Herz besitzt 14,6 Prozent an der Tchibo Holding AG, zu der auch die Mehrheit des Kosmetikkonzerns Beiersdorf gehört. Er und seine drei Brüder haben in den letzten Jahren vor allem durch familieninterne Streitigkeiten für Schlagzeilen gesorgt. 2002 hatte Joachim Herz 600 Mio. Euro aus dem Verkauf der Firma Reemtsma für sich behalten, anstatt sie, wie geplant, in das Unternehmen zu investieren.
Das Kapital der Stiftung Peter Tamm Sen. beträgt nunmehr nach eigenen Angaben 2,5 Mio. Euro. Weitere 5 Mio. Euro seien von potenziellen Sponsoren zugesagt.

(1): Welt am Sonntag, 14.1.2001
(2): Staatliche Pressestelle 3.7.2002
(3): Welt am Sonntag 22.6.2003, S.44



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