TAMM TAMM - Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum
Tamm-Tamm
Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum
Von Friedrich Möwe
[Textversion – Zitate etc. mit der Suchfunktion des Schreibprogramms finden – Anmerkungen
und ausführlichere Literaturhinweise in der Buchversion]
Korrigierte Fassung September 2005:
Folgende Korrekturen gegenüber der Buchfassung wurden vorgenommen:
Seite 5: „Lernmittelfreiheit“ statt Lehrmittelfreiheit
Seite 34: Änderung der Passage: „...das - in Dänemark gefundene, vom Autoren aber locker der
deutschen Geschichte zugeschlagene – Nydam-Boot“ wurde durch eine andere Formulierung
ausgetauscht.
Seite 63: „und z.B. auch indische Hafenanlagen beschoss“ wurde durch eine neue Formulierung
ersetzt.
Seite 66: die Aufzählung der Hamburger Museen wurde korrigiert.
Seite 67: Hinter der Anmerkungsklammer „[123]“ wurde eine aktuelle Ergänzung
vorgenommen.
Außerdem wurden einige Rechtschreibfehler nach der neuen deutschen Rechtschreibung
korrigiert.
Die Veränderungen sind im Text rot hervorgehoben.
Das Buch gibt es im Buchhandel, beim GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359 Hamburg,
ISBN: 3-93 83 72-03-6. Kosten: € 5.-
Die Buchversion beinhaltet eine fortlaufend aktualisierte CD-ROM mit derzeit folgenden
Inhalten (Stand Anfang September 2005):
Alle Senatsvorlagen- und Drucksachen das Tamm-Museum betreffend; die
Bürgerschaftsdebatte als Protokoll der Bürgerschaft; Presseerklärungen des Senats; die
Stiftungsdokumente der Tamm-Stiftung; eine Power-Point-Präsentation (kommentiert)
der bestehenden Sammlung in der Elbchaussee; eine nahezu vollständige Dokumentation
von Presseartikeln zum Tamm-Museum; Radioberichte und eine schriftliche
Kommentierung durch den Autor des Buches; Fernsehberichte in Video-CD-Qualität; eine
Filmdokumentation der Reden anlässlich der sog. Grundsteinlegung (Tamm, Beust,
Schäfer) in Video-CD-Qualität; ein Freeware-Programm zur Betrachtung der Power-
Point-Präsentation; ein Freeware-Programm zur Betrachtung der Video-CD-Filme, den
gesamten Buchtext ohne Anmerkungen und Vieles mehr.
Impressum:
ISBN ....
herausgegeben vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg
Recherche/Text: Friedrich Möwe
Abschluss der Textarbeit: 21. April 2005
GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20357 Hamburg
Wir danken der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Hamburg, und dem
Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V. für die finanzielle
Unterstützung beim Druck dieser Schrift.
Bild auf der vorderen Umschlagsseite:
Kaiser Wilhelm II. und sein Bruder Großadmiral Prinz Heinrich als Uniform-Puppen im Tamm-
Institut an der Elbchaussee
Hinweis: Bei einigen wenigen hier wiedergegebenen Fotos konnte nicht ermitteln werden, wer die Bildrechte besitzt. Zur
Anmeldung diesbezüglicher Ansprüche wird um Kontaktaufnahme mit dem Verlag gebeten.
TAMM - TAMM
Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum
Braucht Hamburg einen Ort für Seekriegsnostalgie und Marinepropaganda?
Hamburg bekommt in den nächsten Jahren ein neues Museum: das “Internationale Schifffahrtsund
Meeresmuseum Peter Tamm”. Tamms private Sammlung, die sich zurzeit noch in seinem
“Wissenschaftlichen Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte” an der Elbchaussee 277
befindet, wird in den ältesten Speicher der Stadt, den Kaispeicher B in der HafenCity, verlagert.
Die Stadt hat der Tamm-Stiftung hierfür bereits 30 Mio. Euro überwiesen. Darüber hinaus hat die
Stadt der Tamm-Stiftung das Speichergebäude für 99 Jahre in kostenloser Erbpacht überlassen.
All dies erstaunt schon sehr in Zeiten, in denen der Finanzsenator erklärt, dass Hamburg vor der
Pleite stehe - in Zeiten, in denen Schulen, Bücherhallen und Schwimmbäder geschlossen, die
Lernmittelfreiheit abgeschafft, Kita-Gebühren erhöht, Studiengebühren angekündigt und die
Mittel für Volkshochschule, Sportvereine, Geschichtswerkstätten und Filmförderung gekürzt
werden.
In den führenden wirtschaftlichen und politischen Kreisen dieser Stadt ist man indessen von den
Museumsplänen begeistert. Tamm wird als “maritimes Gewissen der Hansestadt” gefeiert, mit
Ehrungen und Dankesworten überhäuft. In Hamburgs Hauptmedien wird er als der nette ältere
Herr mit der Zigarre präsentiert.
Ole von Beust erklärte im Juli 2003: “Ich bin mir sicher, dass das Internationale Schifffahrts- und
Meeresmuseum Peter Tamm ein Teil der Identität der Freien und Hansestadt Hamburg werden
wird”.
In der Öffentlichkeit herrscht der Eindruck vor, dass Tamm im Wesentlichen eine Geschichte der
Schifffahrt und des seebezogenen Handels mit Schwerpunkt auf der romantischen
Segelschiffszeit anzubieten hat. Tamms Sammlung beschränkt sich aber keineswegs auf
friedliche Erinnerungsstücke zur zivilen Handelsschifffahrt - gerade die Geschichte der Seekriege
und der Seestreitkräfte ist für ihn von größtem Interesse. Diese Schrift dokumentiert daher
schwerpunktmäßig, welche Fülle an Militaria Tamm zusammengetragen hat und welche
ideologischen Vorstellungen ihn bei seiner Sammelleidenschaft leiten.
Tamm steht im politischen Spektrum weit rechts. Wir fragen uns, wie es sein kann, dass die
militär- und rüstungsbegeisterte Ausrichtung, die in Tamms Äußerungen wie in seiner Sammlung
so deutlich zum Ausdruck kommt und auch vor der Zeit des Nationalsozialismus nicht Halt
macht, in Hamburgs Öffentlichkeit bisher kaum zur Sprache gekommen ist. Wie diese
Dokumentation zeigt, gibt es viele Gründe, den Tamm-Huldigungen zu widersprechen und das
Museumsprojekt des Multimillionärs kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Jede Kanone, die hergestellt wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel
läuft, jede Rakete, die abgefeuert wird, bedeutet eigentlich einen
Diebstahl an denen, die hungern und keine Nahrung bekommen, an
denen, die frieren und keine Kleidung erhalten.
US-Präsident Dwight D. Eisenhower, 16. April 1953
Wir wissen, dass Präsident Eisenhower kein Pazifist, sondern ein General
und Kalter Krieger war. Dennoch halten wir seine Aussage von 1953 für
richtig und stellen sie deshalb dieser Dokumentation als gedanklichen
Ausgangspunkt voran.
Inhalt:
Zusammenfassende Thesen S.
Dokumentation
I. Zur Person: Peter Tamm, der verhinderte Admiral S.
Tamm - einst Axel Springers rechte Hand S.
Tamm als Verleger von Militär- und Schifffahrtspublikationen S.
Tamm im Einsatz für Bundeswehr und neue Deutsche Marine S.
Tamm, der Professor und Historiker S.
Eckpunkte von Tamms Welt- und Geschichtsbild S.
II. Zu Tamms Sammlung
Die drei programmatischen Porträts im Eingangsbereich S.
Tamms Familiensaga – ‚wehrhafte’ Vorfahren S.
Schiffsmodelle S.
Original-Waffen S.
Marinemalerei S.
Uniformen S.
Kriegsorden und Insignien der Befehlsgewalt S.
Weitere Militaria S.
III. Das künftige Tamm-Museum in der HafenCity S.
Chronik: Wie die Museumsidee aufkam und durchgesetzt wurde S.
Was ist geplant? S.
Das Sagen hat nur einer S.
10 Fragen an Kultursenatorin Frau von Welck S.
Zusammenfassende Thesen
Im Ergebnis unserer Recherchen kommen wir zu folgenden Aussagen:
Das künftige Tamm-Museum droht durch die vorhersehbar beschönigende Art und Weise, in der
die internationale und vor allem die deutsche Kriegs- und Rüstungsgeschichte dargestellt werden
soll, ein öffentliches Ärgernis zu werden.
Wir verkennen nicht die große Faszination, die von der Schifffahrt und ihrer Geschichte ausgeht.
Ein Museum jedoch, in dem gewaltsame Eroberungspolitik, Werkzeuge der Vernichtung und
Kriegshandlungen verharmlost oder glorifiziert werden, würde im Widerspruch zur Präambel der
Hamburger Verfassung stehen, nach der die Hansestadt “im Geiste des Friedens eine Mittlerin
zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt” sein will.
Die Hamburger Öffentlichkeit ist bisher nicht angemessen darüber informiert worden, in
welch hohem Maß Tamms Sammlung kriegs- und militärbezogene Gegenstände umfasst und
welches Geschichtsbild er mit ihnen verbindet. Der mit der Stadt abgeschlossene Vertrag
ermöglicht es Tamm, in völlig autokratischer Weise zu bestimmen, welche Exponate er in dem
neuen Museum präsentiert.
Die Art und Weise, in der man sich an frühere Kriege erinnert, ist von großer Bedeutung für die
Haltung, die man jetzt und künftig zu Kriegen und Kriegsgefahren einnimmt. Gerade deswegen
halten wir eine öffentliche Diskussion über das Museum für wichtig.
Das frühere Wirken Tamms als Vorstandschef des Springer-Verlags, seine Neigung zum Denken
in militärischen Kategorien und die Tatsache, dass er Besitzer von Verlagen mit extrem
militaristischen und nationalistischen Traditionen ist, begründen schwerste Bedenken im Hinblick
auf die Darstellung von Krieg und Kriegsursachen im kommenden Museum. Eine seriöse
geschichtswissenschaftliche Fundierung des Museumskonzepts ist bisher nicht zu erkennen.
Tamm betrachtet Geschichte mit dem Blick von oben, aus der Perspektive der politisch
Mächtigen, der Kriegsherren und Kommandanten. Die Not der einfachen Menschen und das
grausame Schicksal der Kriegsopfer bleiben weitgehend unsichtbar. Tamm will vermitteln, dass
Seemacht immer die Vorraussetzung für den Aufstieg zur Weltmacht gewesen ist, und tritt auch
in der Gegenwart für eine Politik der maritimen Stärke ein.
Kaiserzeit: Tamms Begeisterung für Glanz und Gloria unter Kaiser Wilhem II. ist offenkundig.
Die Seeinteressen-Argumentation der wilhelminischen Flottenpropaganda und die für viele
verführerische Ästhetik des damaligen Marinekults sind bei Tamm ungebrochen. Dass die
deutsche Flottenrüstung bei der Entwicklung hin zur Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs eine
unheilvolle Rolle spielte, ist für Tamm bisher kein darstellenswertes Thema.
Nationalsozialismus: Peter Tamms Institut an der Elbchaussee ist die wohl größte in Hamburg
öffentlich zugängliche Ansammlung von Hakenkreuzen und anderen Zeugnissen der NS-Zeit.
Dabei fehlt jegliche kritische Distanz. Die Beteiligung der Kriegsmarine am Angriffskrieg des
NS-Regimes wird beschönigt. Die Großadmiralstäbe von Hitlers Seekriegsführern Raeder und
Dönitz in einer Aura von Ehrwürdigkeit zu präsentieren, wie es an der Elbchaussee der Fall ist,
ist unzumutbar.
Das Museum wird, wenn dies nicht noch von außen verhindert wird, einem unkritischen
Waffenkult Vorschub leisten. Kriegsschiffe und Waffen werden als Meisterleistungen der
Ingenieurskunst präsentiert - wer durch sie für welche Interessen sein Leben verlor und welche
Unternehmen von ihrer Produktion profitierten, bleibt ausgeblendet.
Auch in Bezug auf die nichtmilitärischen Ausstellungsstücke muss davon ausgegangen werden,
dass hinter der äußerlichen Ästhetik der Exponate und hinter der Detailverliebtheit der
Schiffsmodelle die – oft harte und konfliktreiche - sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Realität
von Seefahrt und Schiffbau verborgen bleibt.
Das Tamm-Museum wird aller Voraussicht nach über wesentliche Bereiche der Schifffahrts- und
Marinegeschichte hinweggehen, nämlich vor allem über solche, die mit den dunklen Seiten der
maritimen Vergangenheit verbunden sind. Damit würde das Museum den einem demokratischen
Selbstverständnis verpflichteten Bildungsauftrag in wichtigen Punkten verfehlen. Für eine
umfassende und vielschichtige Präsentation wären in das Ausstellungskonzept z.B. folgende
Themen einzubeziehen:
- die Rolle der Schifffahrt bei der Ausbeutung anderer Kontinente, beim Sklavenhandel und
Kolonialismus
- Geschichte des maritimen Wettrüstens
- die Seemachtideologie von Alfred Thayer Mahan und der Navalismus
- Entstehung und Entwicklung militärisch-industrieller Komplexe im Bereich der
Seekriegsrüstung
- die Geschichte der Flottenpropaganda
- historische Bilanz: Seestreitkräfte unter dem Blickwinkel von Kosten und Nutzen
- inhumane Aktionen von Seestreitkräften und deren Opfer
- Meuterei der Kriegsschiffsbesatzungen/Revolution 1918
- Geschichte politischer Kontroversen um die Flottenrüstung
- Arbeitsbedingungen und Arbeitskämpfe in den Häfen und auf den Werften
- Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen in der deutschen Seewirtschaft.
Die Ausgaben der Stadt für Tamms Privatmuseum schmälern die anderen kulturellen Aktivitäten
zur Verfügung stehenden Mittel in nicht vertretbarer Weise.
Wir wollen kein Museum in Hamburg, das Militaristen, Heldenverehrer und Waffennarren
anzieht und in ihrem Weltbild bestärkt!
Wir wollen kein Museum in Hamburg, mit dem die Seeinteressen-Propaganda zur Begründung
von starken Seestreitkräften wiederbelebt wird!
Wir wollen kein Museum in Hamburg, das zur Popularisierung der Deutschen Marine oder für
Werbezwecke der deutschen Kriegsschiffsindustrie (mit Thyssen-Krupp an der Spitze) genutzt
werden kann! Und schon gar nicht wollen wir ein solches Museum mitfinanzieren!
I. Zur Person: Peter Tamm, der verhinderte Admiral
Wer ist der Mann, dem die Stadt Hamburg eine wertvolle Immobilie unentgeltlich überlässt und
30 Millionen Euro für ein Privatmuseum zahlt?
Eine “lebendige Legende” sei Peter Tamm in “diesen vom Mittelmaß geprägten Zeiten”, meinte
das “Ostpreußenblatt” zu dessen 75. Geburtstag. Auch als Chef des Marine-Instituts habe er “nie
aufgehört, politisch zu denken”.
Peter Tamm liebt das Kämpferische und Kriegerische. In seiner Sprache bevorzugt er eine
militärische Ausdrucksweise. So pflegte er Axel Springer einst gerne als seinen “Obersten
Kriegsherrn” zu bezeichnen, für den er, der “kämpfenden Truppe” voran, “an der Front” stand.
Selbst bei einem Thema wie 'Frauenzeitschriften' lässt ihn seine martialische Sprachwelt nicht
los. 1986 - als Springers “Bild der Frau” vier Jahre auf dem Markt war - äußerte er sich
gegenüber dem “Industriemagazin” so: “Wenn er jetzt den Krieg der Frauenzeitschriften
miterlebe, dann sei ihm der Krieg der Fregatten doch lieber. Auf jeden Fall könne jeder
Unternehmensführer von den großen Heer- und Marineführern viel lernen.” Und die
Mitarbeitermannschaft in seinem Institut, zum großen Teil Rentner, nennt er gerne seine
“schnelle Kampftruppe”.
Politisch steht Tamm weit rechts. Sein Weltbild ist von schlichten Freund-Feind-Kategorien
geprägt. Ein anderer Medienkonzernführer - Gerd Schulte-Hillen - hat ihm bescheinigt:
“Feind war alles, was nach Tamms Meinung einigermaßen rot gefärbt war. Und das war
nicht allzu wenig, denn seine Wahrnehmung war in dieser Hinsicht ungemein empfindlich.
Manchmal sah er sogar dort rot, wo das gewöhnliche Auge nur gelb, höchstens rosa oder
später grün wahrnahm.”
Tamm streitet nicht ab, dass er eine “Marinemeise” hat. Er wollte, wie er sagt, schon immer
Admiral werden. Der Begründer des neuen Museums ist Jahrgang 1928 und wuchs in Hamburg-
Eppendorf auf. Sein Vater war U-Boot-Fahrer im Ersten Weltkrieg, später
Versicherungskaufmann. Tamm weist gerne darauf hin, dass er ein Nachfahre der Hamburger
Schiffer- und Kaufmannsfamilie Tamm sei, die im 17. und 18. Jahrhundert auch
Kriegsschiffskapitäne hervorbrachte - dazu unten mehr.
Während des Zweiten Weltkriegs ging Tamm auf die Oberschule für Jungen in Eppendorf. Sein
Schulleiter war Prof. Dr. Rudolf Schmidt, der die Schule ab 1933 ganz im Sinne der NSIdeologie
ausrichtete. Rudolf Schmidt trat auch als Verfasser heimattümelnder und
kriegsverherrlichender Schriften in Erscheinung, darunter der Weiheschrift für Hamburgs 76er-
Denkmal von 1936 am Dammtorbahnhof (viele kennen es als “Kriegsklotz”). Eine wichtige Rolle
an der Eppendorfer Schule spielte die Hitlerjugend. Laut Springer-Biograf Lohmeyer war Peter
Tamm in der Marine-HJ. Tamm erlebte die Luftangriffe auf Hamburg hautnah mit. Im Lehmweg,
wo er wohnte, wurde ein Freund durch einen explodierenden Blindgänger der deutschen Flak
getötet. Bei Lösch- und Aufräumarbeiten wurden er und Mitschüler von der HJ und der
Feuerwehr eingesetzt. 1943 bekam er als 15jähriger seinen ersten Orden, das
Kriegsverdienstkreuz. Der Krieg regte aber auch bereits Tamms Geschäftssinn an - in einer
Schulfestschrift erinnert er sich:
“Mein erstes Geld verdiente ich mir damit, dass ich die Reste der kupfernen Führungsringe
von Flak-Geschossen, die nach den Angriffen auf den Straßen lagen, aufsammelte und an
einen Altmetallhändler verkaufte.”
Tamm zog es von der Schule weg zur Kriegsmarine. Zwar konnte er im letzten Kriegsjahr noch
als jüngster Seekadett der Marine auf dem bei Blohm + Voss gebauten Segelschulschiff “Gorch
Fock” dienen, doch die Niederlage von Hitler-Deutschland vermasselte ihm die höhere
Offizierslaufbahn. Er drückt es selbst so aus:
“Mit dem Ende des Krieges endete meine Laufbahn als Marine-Offizier beim Seekadetten.
Ich wollte gerade anfangen, die Marine zu erobern, da war es auch schon vorbei.”
Er fand aber im Axel Springer Verlag ein Tätigkeitsfeld, in dem er zum Befehlshaber avancieren
konnte. Günter Stiller, Militärreporter des Hamburger Abendblatts, schrieb einmal, Tamm habe
den Axel Springer Verlag 23 Jahre lang “wie einen Flottenverband gefahren”. Ähnlich äußerte
sich ein anderer Insider:
“Kein Wunder, dass er im Hause ganz offen der 'Admiral' genannt wurde. Seine
Führungsstruktur sollte sich an der Marine orientieren, in der Tamm es gern zum Admiral
gebracht hätte. Tamm auf der Brücke, dahinter, klar gestaffelt, das übrige Management.”
Tamm - einst Axel Springers rechte Hand
“Axel Springer war mein Lehrherr und mein väterlicher Freund. Er bleibt mein Vorbild.” Mit
diesen Worten leitete Peter Tamm 1986 eine Gedenkschrift für den konservativen Großverleger
ein. Nach den Worten der Witwe Friede Springer war Tamm über Jahrzehnte hinweg “der
Getreue Ekkehard des Hauses Axel Springer”. Über vierzig Jahre war Tamm im Springer-
Konzern tätig, davon 23 Jahre lang an der Spitze des Hauses.
1948 begann seine Karriere in der Schifffahrtsredaktion des “Hamburger Abendblatts”, 1953
wurde er ihr Leiter. Was Tamm im Rückblick auf die Anfänge beim Abendblatt für wesentlich
hält, spricht für sich:
“Das zweite Glück, das Springer hatte, war, dass alles, was Rang und Namen hatte, nach
dem Krieg in Hamburg war. Da gab es U-Boot-Kommandanten und gestandene
Frontsoldaten. Das gab den besonderen Geist.”
1960 holte Springer den 32jährigen Tamm nach Berlin und machte ihn zum Geschäftsführer des
gerade übernommenen Ullstein Verlags. Von 1962 bis 1964 war Tamm - nun wieder in Hamburg
- Verlagsleiter der “Bild-Zeitung” und stellvertretender Verlagsleiter der “Bild am Sonntag”. In
dieser Zeit überschritt die Auflage der “Bild” erstmals die 5-Millionen-Grenze. Seit 1964 nahm
Tamm verschiedene Spitzenfunktionen in der Berliner Springer-Zentrale wahr.
Als es Ostern 1968 dort zu einer Belagerung des Verlagsgebäudes durch Studenten kam, die sich
über die Desinformationspolitik der Springer-Zeitungen empörten, leitete er persönlich den
Abwehrkampf. Noch in demselben Jahr berief Springer Tamm zum alleinzeichnungsberechtigten
Geschäftsführer der Axel Springer Verlag GmbH, und 1970, bei der Umwandlung des
Verlagskonzerns in eine AG, zum Alleinvorstand. Über Springers Tod im Jahr 1985 hinaus blieb
er - trotz heftiger hausinterner Machtkämpfe - Vorsitzender des (1982 erweiterten) Vorstands.
Selbst Kanzler Kohl intervenierte schon mal zugunsten von Freund Tamm.
Der Name von Peter Tamm steht - entsprechend der politischen Ausrichtung der Springer-
Zeitungen (vor allem “Bild”, “Welt” und “Hamburger Abendblatt”) in seiner Zeit an der
Verlagsspitze - u.a. für
- Parteinahme für Arbeitgeberinteressen bei Tarifkonflikten,
- Schüren dumpfer Ressentiments gegenüber Minderheiten,
- Unterstützung der nationalkonservativen Politik der CDU/CSU und die Bekämpfung der
sozialliberalen Ostpolitik,
- mediale Beteiligung am Kalten Krieg zugunsten der USA und der NATO,
- Rechtfertigung des US-Kriegs in Vietnam und der Apartheid in Südafrika,
- Sympathiewerbung für die Bundeswehr,
- wahlweise Diffamierung oder Ignorierung von gesellschaftskritischen Bestrebungen wie z.B.
der Studentenbewegung.
Unter Tamms Geschäftsführung erhöhte sich der Umsatz des Axel Springer Verlags innerhalb
von 23 Jahren von 1968 bis 1991 von 860 Mio. DM auf über 3,5 Mrd. DM. Springer entlohnte
ihn für seine Tätigkeit wahrhaft fürstlich: Als das Geld- und Karrieremagazin “!Forbes” 1991
eine Liste der 500 bestbezahlten deutschen Manager veröffentlichte, stand Tamm mit einem
Jahresgehalt von 5 Mio. DM mit weitem Abstand an allererster Stelle. Der Abgang im Jahr 1991
wurde ihm nochmals mit einigen Millionen DM versüßt. Nur aufgrund dieser finanziellen
Ausstattung konnte Tamm seine Schifffahrts- und Marinesammlung ständig weiter ausbauen.
Axel Springer erklärte im September 1985, kurz vor seinem Tod, vor dem versammelten
Aufsichtsrat feierlich, dass er Tamm alles zu verdanken habe. Doch das Verhältnis Springer -
Tamm war zeitweise höchst gespannt gewesen. Springer hat sich intern wiederholt abwertend
über Tamm geäußert, ihn laut Michael Jürgs u.a. als “Dreckskerl” und “Rechtsradikalen”
bezeichnet. Nach Jürgs' Darstellung erzählte Springer im vertrauten Kreis, Tamm, “dieser
weiterführende Links & Informatonen: Newsportal Hamburg hh-online.net
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