TAMM TAMM

Künstler informieren Politiker

Reiche, Claudia

Notizen zum Gespräch: Claudia Reiche mit Jörg Lühmann GAL

11.10.2005, 17:00–18:00, Büro Speersort 1

Weichen stellend für das Gespräch erwies sich die kurzfristig mitgeteilte Entscheidung Jörg Lühmanns, dass unser Treffen nun doch nicht per Videokamera filmisch begleitet werden sollte – und zwar im positiven Sinne, würde ich nachträglich sagen.

Vorbesprechung: Bei der telefonischen Planung des Treffens (22.9.) hatte ich mich für eine Videodokumentation eingesetzt, bis hin zum dringenden Appell an Jörg Lühmann‚für die Sache’ (nämlich das Schlimmste in Sachen Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm zu verhindern) doch bitte seinen Kopf und seine Worte für eine Bild- und Tonaufzeichnung herzugeben. Denn, so begründete ich etwa: „Was kann jetzt, wo längst Fakten geschaffen wurden, noch gegen dies Museum helfen? Kunst.... unsere Kunstaktion. Eins ist dabei klar: ‚Künstler informieren Politiker’ ist wesentlich auf Bilder angewiesen. Es geht darum mit bildwirksamen Aktionen, Konkretion und Aktualität herzustellen, zum jetzigen Zeitpunkt Nachrichtenwert zu erzielen – als Köder für Presse und TV, die die öffentliche Meinung gegen das Museum mobilisieren sollen.“ Dabei dachte ich dann noch bei mir: „Der Köder wäre wohl ein ‚Künstlertum’ als Einsatz in einer ebenso hybriden Politik. Der Kampf auf reichlich verlorenem Posten verlangt klassische Pose...“ Und hörte gerade noch Jörg Lühmann sagen „... Sie sind aber hartnäckig. Na gut, dann rufe ich am 10. Oktober wieder an.“

Das Treffen 11.10.: Ein Gedankenaustausch ja, aber ohne Videokamera – so lautet dann schließlich der Rahmen der Einladung. Denn: Ein Fernsehinterview am Tag reiche denn auch, er habe gerade wieder gemerkt, wie vor der Kamera die Worte gewissermaßen klötzchenförmig aus dem Mund fallen, ‚in Stein gemeißelt’. Also keine steinharten Posen und ich gehe allein und nur mit der Tamm-Tamm Broschüre ausgestattet in das Hamburger Pressehaus, zum Büro von Jörg Lühmann. Die anderen Schreibtische sind nicht besetzt, und ich stelle ungestört meine Eingangsfrage, ob er sich an den Moment seiner Enthaltung bei der Abstimmung über das Tamm-Museum erinnern könne, was unsere Aktion ja zum argumentativen Angelpunkt genommen hat. Das müsse er nachsehen – freundlich, offen, konzentriert gesprochen – das wisse er nicht sicher. Das Nachsehen tat wiederum nicht nötig, denn klar ist schon: kein imaginär filmischer Rückbezug auf einen ‚Moment der Entscheidung’ kann hier aufgerufen werden, eigentlich auch nicht auf einen verpassten. Ethik scheint hier eine Rolle zu spielen, aber anders.

Seine Kompetenz liege auf dem Gebiet der Verkehrspolitik, und er finde es sinnvoll, sich auf die Arbeit der Kollegen für Kultur zu stützen, wenn es um kulturpolitische Fragen geht. Zudem bekämen die ja die ausführlicheren Informationen zu den jeweiligen Sachlagen. Er teile insofern die Auffassung, dass das geplante Schifffahrtsmuseum ohne zusätzliche wissenschaftliche und auch künstlerische Konzeption bedenklich sei – also als direktes Überführen einer Privatsammlung in ein Museum, was bekanntlich ungünstig sei. Allerdings, mit richtiger Konzeption könne man aus der Sammlung wohl etwas machen: Darum habe sich die GAL bei der Abstimmung enthalten.
Ich frage nach, ob er persönlich denn nun nach der Lektüre der Tamm-Tamm Broschüre nicht doch zu einem Zweifel an dieser Position gelangt sei? Etwa über den Inhalt der Sammlung im Einzelnen? Ich selbst hielte eine solche Aufbereitung aus der bestehenden Sammlung doch für weit gehend unmöglich, angesichts der Ausrichtung auf Herrschaftsgeschichte und Kriegsverklärung im Mantel von Technikgeschichte und historischer ‚Faktizität.’ So ziemlich alle spektakulären Stücke der Sammlung seien in diesem Sinn ‚militärische’ Schaustücke. Das könne er nicht beurteilen, er kenne die Sammlung so genau nicht. Wenn es hier aber auch um seinen Blick auf das Thema gehe: es habe ihn schon stets gewundert, dass zu Hafenjubiläen und ähnlichen Anlässen ganz üblicherweise Kriegsschiffe dem begeisterten Publikum zur festlichen Besichtigung zur Verfügung gestellt würden. Ihn reize an Waffen und Militaria nichts; ein allgemein weit verbreitetes Interesse sei jedoch festzustellen.
Zudem möchte er zu bedenken geben, dass ein Museum den allergrößten Teil seiner Bestände üblicherweise im Magazin lagere und ausgewählte Stücke aus der Tamm-Sammlung, zumal durch Kombination mit anderem Material, im gewünschten kritischen Sinn wahrnehmbar sein müssten? Grundsätzlich konnte ich dazu nur ja sagen, aber wie sei dies für das geplante Schifffahrtsmuseum zu erwarten? Sei das jetzt der Plan der GAL, durchzusetzen die Tamm Sammlung in völlig anderer Kontextualisierung zu präsentieren? Als Kritik am imperialistischen Denken?

Nein, zugegeben, die Wirklichkeit sehe anders aus: Ungünstigerweise seien ja beide Raten der 30 Millionen Euro schon an die Tamm-Stiftung geflossen. So werde Kritik, von wem auch immer, wohl höchstens noch unverbindliche Vorschläge machen können, was die Gestaltung angehe. Das finanzielle Druckmittel sei nicht mehr da. Das sei leider die Realität und nicht weg zu diskutieren.

Um diese Unerträglichkeit des ‚zu spät’ nicht allzu wirklich werden zu lassen, gehe ich zur Frage über, wie es denn mit der Erreichung der öffentlichen Anhörung zur Museumsfrage stehe. Ich lese aus Doro Carls Bericht von ihrem Treffen mit Farid Müller (9.10. KiP-Liste) vor: „ ... dass im Dezember die Konzeption des Tamm-Museums im Kulturausschuß vorgestellt wird. Sollte das Konzept auf Widerstände stoßen, kann mit einer Eingabe eine öffentliche Anhörung beantragt werden. Dafür müssen 25% der Bürgerschaftsabgeordneten stimmen - die SPD könnte es also erreichen, während die GAL allein den Antrag nicht durchbringen kann.“
Das war neu für Jörg Lühmannn, dass diese Vorstellung im Kulturausschuss noch ansteht – er habe gestern mit Farid Müller über das Tamm-Museum gesprochen, ohne dass der Termin im Kulturausschuss zur Sprache gekommen sei. Wir überlegen gemeinsam, wie eine öffentliche Anhörung durchzusetzen wäre. Meine Vorstellung, dass nur einige SPD-Stimmen zu denen der GAL dazu gewonnen werden müssten, um auf 25% zu kommen, wird als wenig wahrscheinlich beurteilt, da die SPD eher einheitlich stimmen werde. Unmöglich sei individuelles Abstimmungsverhalten nicht, dem müsse aber ein Beschluss darüber in der Fraktion vorausgehen, und dafür sei kein rechter Grund in Sicht.
Also komme es nur auf das Verhalten der SPD Mitglieder im Kulturausschuss an, die mit 6 Mitgliedern im 13-köpfigen Kulturausschuss vertreten seien. Zusammensetzung: Vorsitzender Dr. Wilfried Maier (GAL), Farid Müller (GAL), Tanja Bestmann (SPD), Wilfried Buss (SPD), Luisa Fiedler (SPD), Uwe Grund (SPD), Dr. Dorothee Stapelfeldt (SPD), Walter Zuckerer (SPD), Inge Ehlers (CDU), Andreas Ernst (CDU), Rüdiger Kruse (CDU), Brigitta Martens (CDU), Dietrich Rusche (CDU), Stefanie Strasburger (CDU), Andreas C. Wankum (CDU). Wenn man nun will, dass im Kulturausschuss für eine öffentliche Anhörung gestimmt wird, was ja auch auf der GAL-Linie liege, im Allgemeinen und Besonderen, wendet man sich zweckmäßigerweise an die SPD Mitglieder. Da sei wohl kluge Gesprächsführung nötig.
In diesem Zusammenhang kritisiert Jörg Lühmann die ungeschickte Berichterstattung über einzelne Gespräche mit Abgeordneten, die er von der ‚Künstler informieren Politiker’-Website kenne – auch als allgemeine Kritik am Umgang miteinander zu verstehen. Exemplarisch sei hier die Gesprächsdarstellung von Kora Jünger mit Michael Neumann (SPD). Wenn es im Bericht heiße „...welcher mit Eingestaendnissen das Gespreach eroeffnete. Angeblich..., gab es bei der Entscheidung ueber das Tamm Museum die Ansage in der SPD von Ortwin Runde, keinen Wind so kurz vor den Buergerschaftswahlen zu machen. Auch und schon allein wegen der fehlenden Pressealternativen zu Axel Springer. ...Mit anderen Worten wurde fuer die Politik an sich von der SPD eine so fatale Entscheidung getroffen.“ Jörg Lühmanns Kritik: Wer so zitiert werde, falle wohl als zukünftiger Partner für die Aktion aus, könne sich wohl kaum mehr bewegen – immerhin sei das ja eine allgemein zugängliche Website.
Sein Vorschlag für ein weiteres Vorgehen unserer Aktion, falls wir das Ziel verfolgen, ein anspruchsvolles Museumskonzept zu erreichen: Sowohl bei den SPD-Vertretern auf die öffentliche Anhörung zum Thema hinzuarbeiten und zugleich mit geeigneten Personen von der CDU engeren Kontakt aufzunehmen, da die CDU in der Entscheidungsposition beim Museum stünde. Gesprächsstil empfehle sich keineswegs konfrontativ, sondern konstruktiv. Etwa: „Sie wollen doch, dass das Museum kein Reinfall, sondern gut wird. Dafür muss noch mehr getan werden, zumal das Museum ja schon im Brennpunkt kritischer Berichterstattung steht.“ Ich pfeife leise durch die Zähne. Jörg Lühmann ganz praktisch weiter: Wenn mit diesem reichlich vermittelndem Argumentationsstil bereits bei der CDU verhandelt worden sein werde, sei es gegebenenfalls bei einer öffentlichen Anhörung nicht ganz unrealistisch zu erwarten, dass die CDU selbst konzeptionelle Weiterarbeit am Museumskonzept befürworten würde, ja sogar dazu einen eigenen Vorschlag machen würde. Meine Frage, welches denn ‚geeignete’ Personen in der CDU seiner Einschätzung nach sein könnten, wird beantwortet – allerdings mit der Bitte um diskrete Behandlung dieses Tipps im Gesprächsbericht.

Und dann fällt ein entscheidender Satz: „Wenn Ihnen das gelingt, dann haben Sie gesiegt.“ Ich sehe ihn erschreckt an, da ich einen so engen Spielraum für einen ‚Sieg’ in dieser Sache so doch noch nicht gedacht hatte. Eher war mit ‚gefühltem’ Sieg etwas Spektakuläres verbunden: Sowohl ein grandioses Scheitern argumentativ angestrebter Einsicht bei den Hardlinern, den Hamburger Durchsetzern des Museums, als auch Unterstützung von außen mit einem Riesenskandal, am besten mit Beschlagnahme der Nazi-Insignien und Kriegswaffen, Berichterstattungen in der US-Medien über das Hamburger ‚Herrenmensch’s Marine Museum’, mit ungewissen Begleiterscheinungen für die Hamburger Politik. Was man ein Aha-Erlebnis nennt, ist mir da wohl passiert – und nach ein paar ‚Sieges’-Alternativen, die ich noch nenne, etwa juristischer Prüfung des Museums, bekomme ich noch folgende strategische Beurteilung: Diese Mittel seien sinnvoller erst dann anzuwenden, wenn auf dem Gesprächsweg nichts mehr zu verlieren sei. Ich verstehe ihn so, dass eine Analyse der Kräfteverhältnisse und Hineinversetzen in den Gegner zu mehr Erfolg ‚für die Sache’ führen kann, und mir wird im Stillen schlagartig klar: „‚Künstler informieren Politiker’ ist im Ansatz von einer Grund legenden Unentschiedenheit über Ziel und passendes Vorgehen getragen. Nicht, dass dies unbedingt vermeidbar wäre, wir sind ja viele verschiedene Köpfe, und nicht dass das nicht auch Vorteile bieten kann, zum Beispiel stets erfolgreich zu erscheinen, egal welche Richtung sich letztlich durchsetzt...
Unentschiedenheit sehe ich gegenüber folgernder zugespitzter Alternative: Entweder hält man bildlich und medienwirksam eine vergebliche Bemühung fest, KünstlerInnen und Abgeordnete im Gruppenarrangement von Pate und Patenkind, im Sinne einer gut gelaunten Umkehrung des Musters von ‚die da oben’ und ‚wir da unten’– und dies mit wenig Aussicht auf eine bestürzte Dankbarkeit jedes/jeder belehrten Abgeordneten (und fieberhaftes Rückgängigmachen der fatalen Museumsentscheidung). Wenn man dies für die Nachwelt und die Medien gewissermaßen zu Protokoll gibt, zeigt das sicherlich, dass man zu dieser verkorksten Museumsplanung nein gesagt hätte – zum Beispiel zu den Traditionslinien kolonialer Gewaltherrschaft und Kriegstreiberei. Jegliches Einlassen wäre da schon fast ein Fehler und vorrangiges Ziel gewissermaßen eine Dokumentation des Nein.

Oder man sieht es als Ziel an, mit Abgeordneten gemeinsam noch zu retten, was zu retten ist, sofern dazu die Tür geöffnet wird. Da hört dann ‚Patenschaft’ auf und man wäre aufgefordert sich umgangsweise auf eine ‚Partnerschaft’ einzulassen, auf so etwas wie Zusammenarbeit. Die Funktion der Dokumentation wäre hier zugunsten der politischen Verhandlungen mehr in den Hintergrund gerückt, würde sich als Bruch der Vertraulichkeit oft sogar verbieten. Das hieße die bestehende Sachlage zum Schifffahrtsmuseum zu akzeptieren, sich sogar mit dem Museumsprojekt zu identifizieren, damit der eigene Anspruch an ein Museum zum Thema Schifffahrt erfüllt würde. Da läge es zum Beispiel nahe, noch mehr Geld für das Museum zu fordern, zum Beispiel eine Ausschreibung für eine kompetente historische und künstlerische Aufarbeitung der schwierigen Themenfelder, die politisch tragfähig wäre ...“
Dies sagte ich nur zu mir, behielt mir meine Entscheidung noch vor und dankte also für das Gespräch: ich hätte viel erfahren und würde bei Fragen gern noch mal anrufen. Ich erhielt von Jörg Lühmann zur Antwort: „Es war mir ein Vergnügen.“ und: „Gern, das ist immer möglich.“



Hamburg, den 28.8.2005

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Jörg Lühmann,

im Rahmen der Initiative „TAMM TAMM – Künstler informieren Politiker“ habe ich die Patenschaft für Sie übernommen und hoffe dieser Aufgabe (für die Dauer der Initiative) gerecht zu werden und Sie über das geplante „Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm“ zu informieren. Mein Name ist Claudia Reiche, ich bin Künstlerin und Medienwissenschaft-lerin. Bis zur Auflösung des Referats für Frauenkultur war ich beratend für die Kulturbehörde tätig.
Seien Sie herzlich begrüßt! Und bitte lassen Sie sch erst gar nicht durch den Umstand irritieren, dass unser Patenschaftsverhältnis ohne Ihren Wunsch und Ihr Wissen zustande gekommen ist – Patenschaft beschreibt sich nämlich als „einseitiges Fürsorgeverhältnis“, wenn Umstände dies erforderlich machen.
Meine Patenschaft verdankt sich konkret dem Umstand, dass auch Sie nicht gegen die Errichtung des „Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm“ gestimmt haben.
Die Überzeugung, die die Initiative „TAMM TAMM – Künstler informieren Politiker“ zugrunde liegt, besteht darin, dass die Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft niemals der Errichtung des oben genannten Museums, geschweige denn einer ‚Investition’ von 30.000.000 € in dieses Projekt hätten zustimmen wollen, hätten Sie ausreichende Informationen über die Sammlung von Peter Tamm (ihre bisherige Präsentation und deren Kontext) sowie das Handwerkszeug zu wirksamer Argumentation gegen das Vorhaben gehabt.
Grundsätzlich wäre die Einschätzung des Hamburger Senats in Frage zu stellen gewesen:
„Seit vielen Jahren trägt Prof. Peter Tamm wesentlich dazu bei, die Schifffahrts-geschichte der Menschheit und dabei insbesondere die Rolle Deutschlands als Schifffahrtsnation zu erforschen und zu dokumentieren. Er sieht in der Vermittlung von Geschichte die Grundlage für die Entwicklung der friedlichen Koexistenz der Völker, der Nutzung der Handelswege und der Erforschung der Meere.“ (BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 17/3986, 17. Wahlperiode, 06.01.04, S. 1.)
Peter Tamms Beiträge zur Forschung hätten kritischer Überprüfung bedurft. Ebenso hätte der angebliche Wunsch einer friedlichen Koexistenz der Völker anhand der Art von Geschichts-vermittlung, wie sie heute in Tamms Museum an der Elbchaussee und in der verlegerischen Tätigkeit zu Militär und Schifffahrt praktiziert wird, plausibel bezweifelt werden können. Hätte doch bereits ein kurzer Überblick die Sammlung als von Waffen, Uniformen, Orden bestimmt gezeigt, unter besonderer Würdigung der deutschen Militaria von 1933–1945. Auch die offizielle Marinemalerei des Kaiserreichs und des Nationalsozialismus, die die Weltkriege in Bildern von Seeschlachten aus deutscher Kriegs-Perspektive darstellt, fehlt hier nicht. Auch können die organisatorischen und inhaltlichen Kontinuitäten mit diesen Zeiten in von Peter Tamm (mit)betriebenen Verlagen kaum übersehen werden. Als Beispiel sei die Publikations-reihe „SMS“ (Schiffe Menschen Schicksale) aus dem Maximilian Verlag genannt, die schon in den 50er Jahren „im Stil von Landserheften“(Friedrich Möwe, TAMM TAMM. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion, S. 17.) im fast identischen Wortlaut erschien, um ungebrochen propagandistisch weiter zu wirken – nämlich aus der Erzählhaltung eines mit der nationalsozialisitischen Sache identifizierten Kriegsteilnehmers. Der maßgebliche Autor dieser von Peter Tamm verlegten Reihe ist Otto Mielke, der 1940 mit „Der Heldenkampf von Narvik“ ein Lehrbeispiel kriegsverherrlichender Literatur geschaffen hatte.

Die Vorstellung, dass mit der Sammlung aus dem bisherigen Tamm-Museum und dem U-Boot-Archiv Horst Bredows in der HafenCity ein Ort entstehen könnte, der in der Formulierung von Dr. Wilfried Maier, GAL „de[n] größte[n] Beitrag Hamburgs zur Menschheitszivilisation“ darstellt, nämlich als geleistet „durch Hamburger Seeleute, durch Hamburger Hafenarbeiter, durch Hamburger Kaufleute“ (BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Plenarprotokoll 17/53, 17. Wahlperiode 28. 01. 04 (Auszüge der Debatte um das TammMuseum), S. 3.) – nun, dies erscheint mir in mehrfacher Hinsicht als zweifelhaft.

Denn zu bedenken ist: Der Terminus Menschheitszivilisation erhebt ‚Zivilisierte’ über noch ‚Unzivilisierte’ in einem unkritischen Fortschrittsbegriff: gewissermaßen als Heldenkampf der jeweils Herrschenden. Die Vermittlung dieser Geschichtsphilosophie ist allerdings dem zukünftigen Museum durchaus zuzutrauen Die Erwartung jedoch, dass dabei den ‚zivilisatorisch’ Instrumentalisierten, etwa den argumentativ in Anspruch genommenen Hamburger Hafenarbeitern, historisches Recht widerfahren könnte, dies erscheint nur als höchste politische Ironie des Redners erklärlich, der insofern ganz richtig für weitere konzeptionelle Arbeit plädierte.

Demgegenüber möchte ich die These aufstellen, dass es voraussichtlich im „Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm“ am Beispiel maritimer Sujets um die Vermittlung eines deutsch-nationalen und militaristischen Weltbildes gehen wird, wie es von einem fiktiven Zeitreisenden aus dem Nationalsozialismus im Sinne der damaligen Geschichtsauffassung hätte umgesetzt werden können, ergänzt durch technische, insbesondere Rüstungsentwicklun-gen zu Wasser auch nach 1945.
Insofern teile ich die Bedenken, die in der beigelegten Broschüre „Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion“, Friedrich Möwe, Hamburg 2005 über die zu erwartende Gestaltung dieses „Schifffahrts- und Meeresmuseums“ formuliert werden.

„Ein Museum ,in dem gewaltsame Eroberungspolitik, Werkzeuge der Vernichtung und Kriegshandlungen verharmlost oder glorifiziert werden, würde im Widerspruch zur Präambel der Hamburger Verfassung stehen, nach der die Hansestadt ‚im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt’ sein will. Die Hamburger Öffentlichkeit ist bisher nicht angemessen darüber informiert worden, in welch hohem Maß Tamms Sammlung kriegs- und militärbezogene Gegenstände umfasst und welches Geschichtsbild er mit ihnen verbindet. Der mit der Stadt abgeschlossene Vertrag ermöglicht es Tamm, in völlig autokratischer Weise zu bestimmen, welche Exponate er in dem neuen Museum präsentiert.“ (Möwe, TAMM TAMM, S. 6.)
Das möchte ich mit Ihnen besprechen und bei geteiltem Interesse Gegenstrategien entwickeln.
Ich bitte daher um einen Gesprächstermin. Dies Gespräch möchte ich aufzeichnen. Sie erhalten ein Tape, ich auch, damit wir beide unser Verhalten nachträglich besser analysieren können und mein Tape zusätzlich für den Beitrag zur allgemeinen Dokumentation der Aktion „TAMM TAMM – Künstler informieren Politiker“ zur Verfügung stehen kann.

Mit freundlichen Grüßen,

Claudia Reiche


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