TAMM TAMM

Künstler informieren Politiker

Köver, Christina

(...) Die abgeschlossenen und von ihnen befürworteten Verträge wurden aufgrund eines wissenschaftlich mehr als fraglichen, ausgesprochen vagen Museumskonzeptes geschlossen und garantieren Herrn Tamm eine rundum autokratische Stellung. Als Vorsitzender des Stiftungsvorstandes auf Lebenszeit entscheidet allein Herr Tamm darüber, was in seinem Privatmuseum wie und auf welche Weise der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. (...)
Sehr geehrter Herr Egloff,

am 12. Januar des vergangenen Jahres haben sie, wie ihre gesamte Fraktion, in der Bürgerschaft für eine Errichtung des „Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseums Peter Tamm“ gestimmt. Als Konsequenz stellt die Stadt Hamburg der maritimen Privatsammlung des Herrn Tamm nun für 99 Jahre den historischen Kaispeicher B mietfrei zur Verfügung und unterstützt seine Stiftung zudem mit 30 Millionen Euro: die größte Summe, die die Stadt einem privaten Museum je zugestanden hat. Die abgeschlossenen und von ihnen befürworteten Verträge wurden aufgrund eines wissenschaftlich mehr als fraglichen, ausgesprochen vagen Museumskonzeptes geschlossen und garantieren Herrn Tamm eine rundum autokratische Stellung. Als Vorsitzender des Stiftungsvorstandes auf Lebenszeit entscheidet allein Herr Tamm darüber, was in seinem Privatmuseum wie und auf welche Weise der Öffentlichkeit präsentiert werden soll.

Die rechtslastige politische Gesinnung des Herrn Tamm ist kein Geheimnis. So gehört ihm unter anderem die kriegsverherrlichende und historisch stark vorbelastete Verlagsgruppe Koehler/Mittler www.koehler-mittler.de die während der deutschen Kolonialzeit, sowie im ersten und zweiten Weltkrieg für die Verherrlichung und Glorifizierung der Taten des deutschen Militärs sorgte. Was die Sammlung selbst betrifft, so ist deren wissenschaftlicher und historischer Wert ausgesprochen fraglich: Quantität steht eindeutig vor Qualität. Der Schwerpunkt von Tamms Sammlung liegt, wie weithin angenommen, keineswegs auf der zivilen Schifffahrt, sondern auf kriegs- und militärsbezogenen Gegenständen: Kriegsschiffe, Militärsuniformen, Kriegsorden und Insignien der Befehlsgewalt, viele davon nationalsozialistisch. Am derzeitigen Standort der Sammlung in Peter Tamms Institut in der Elbchaussee fehlt insbesondere in Hinsicht auf Exponate aus der NS-Zeit jegliche kritische Distanzierung.

Es ist also davon auszugehen, dass Herr Tamm von sich auch keinerlei kritische Kontextualisierung seiner zu großen Teilen aus Militaria bestehenden Marinesammlung vornehmen wird. Während die Stadt Hamburg im vergangenen Jahr die Unterstützung für Frauen- und Künstlerhäuser sowie die Filmförderung gestrichen bzw. gekürzt hat, finanziert sie trotz leerer Kassen ein Privatmuseum, für das es kein stichhaltiges Konzept gibt und das voraussichtlich Kriegsschiffe und Nazi-Devotionalien auf unkritische, historisch und wissenschaftlich unfundierte Weise präsentieren wird.
Mich würde interessieren, wie es zu ihrer bzw. der kollektiven Abstimmungsentscheidung der SPD gekommen ist. Als Mitwirkende an der Aktion „Künstler informieren Politiker“ (www.tamm-tamm.info) möchte ich sie über die Hintergründe der Tammschen Sammlung und die verheerenden Implikationen der mit Tamm geschlossenen Verträge informieren und würde mich sehr freuen, wenn sie sich zu einem Gespräch über das geplante Museum bereit erklären würden. Insbesondere interessiert mich, welche Möglichkeiten bestehen, das Museum in seiner derzeitig geplanten Form noch abzuwenden. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Absicht, mit dem Tamm Museum ein ‚Event’ in der Hamburger Hafencity zu schaffen, nach hinten losgehen wird, wenn sich herausstellt dass die Stadt eine Naziwallfahrtsstätte öffentlich gefördert hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies im Interesse einer sich als weltoffen präsentierenden Stadt Hamburg oder der SPD sein kann.

Mit freundlichen Grüßen,
Christina Köver


Antwort:

Ingo Egloff, Jurist (SPD),   5.9.2005

Sehr geehrte Frau Köver,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Einrichtung eines Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseums Peter Tamm.
Der Antrag des Senats, mit der er in der Bürgerschaft um Zustimmung für dieses Projekt gebeten hat, ist sowohl in den Gremien unserer Fraktion als auch im Plenum und in den Ausschüssen der Bürgerschaft ausgiebig debattiert worden. Prof. Tamm hat seit über 70 Jahren die weltweit größte Sammlung zur Internationalen Schiffahrts- und Marinegeschichte zusammengetragen und ist dankenswerterweise bereit gewesen, diese Sammlung in eine Stiftung zu geben und damit der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Im umzubauenden Kaispeicher B werden rund 27.000 Schiffsmodelle, 35.000 Konstruktionspläne von Schiffen, eine Vielzahl von nautischen Geräten, Gemälden, Graphiken und rund 1,5 Millionen Photographien beherbergt werden. Dieses Angebot von Prof. Tamm hat der Senat nicht ausgeschlagen. Schon zu Zeiten des SPD-GAL-Senats wurde nach einer Ausstellungsmöglichkeit für diese Sammlung in Hamburg gesucht. Dem Ansinnen des Senats mit der vorgeschlagenen Lösung einer Unterbringung im Kaispeicher B in der HafenCity konnten und wollten wir uns nicht verschließen, wenngleich die SPD-Fraktion, wie unser entsprechender Antrag (s. Anlage Drs. 17/4121) zeigt, mit dem dargelegten Finanzierungskonzept nicht von Anfang an einverstanden war.
Nach einer Debatte im Kulturausschuss Anfang dieses Jahres war der Senat zu Änderungen im Finanzierungskonzept bereit, so dass wir dem Antrag im Plenum zustimmen konnten.
Ich bedauere, Ihnen keine tiefer gehenden Auskünfte geben zu können, da ich nicht Mitglied des Kulturausschusses bin und somit mit der Materie nicht in allen Details befasst war. Für weitere Fragen steht Ihnen jedoch sicher gerne meine Kollegin Dorothee Stapelfeldt, die kulturpolitische Sprecherin unserer Fraktion, zur Verfügung (dorothee.stapelfeldt@spd-fraktion-hamburg.de). <mailto:dorothee.stapelfeldt@spd-fraktion-hamburg.de%29.>


Mit freundlichen Grüßen
Ingo Egloff


An Herrn
Ingo Egloff
Schlosstraße 12
22041 Hamburg


Sehr geehrter Herr Egloff, Hamburg, den 19.9.2005


Vielen Dank für ihre Antwort auf mein Anschreiben auf Abgeordnetenwatch.de. Anbei schicke ich ihnen einen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung von vergangenem Samstag, der sehr treffend meine eigenen Kritikpunkte und Sorgen betreffend des geplanten Tamm-Museums zusammenfasst. Vielleicht haben sie ihn bereits zur Kenntnis genommen. Falls nicht, möchte ich hiermit ihre Aufmerksamkeit darauf lenken. Insbesondere den letzten der von Autor Till Briegleb genannten Punkte – die mangelnde Trennung zwischen der Person Peter Tamms, dem leidenschaftlichen Sammler, und dem Projekt des Museums, das dadurch zur Privatsache eines Liebhabers zu werden droht – sehe auch ich als zentrales Problem. Ich zitiere Herrn Briegleb: „Denn das Problem aller Museen, bei denen der Stifter auch Gründungsdirektor wurde, ist deren strukturelle Unfähigkeit, zwischen privaten Neigungen und öffentlichen Interessen zu unterscheiden. Nur die Trennung von Person und Projekt mit Hilfe von unabhängigem, externem Sachverstand kann dafür sorgen, dass die Leser von Tamms Verlag nicht auch die Besucher seines Museums werden.“

Ich vertrete nicht die, unserem Projekt besonders von der CDU-Fraktion unterstellte Auffassung, das Museum müsse um jeden Preis verhindert werden. Gegen ein Museum an sich ist nichts einzuwenden, solange durch einen (befugten) wissenschaftlichen Beirat sichergestellt wird, dass es zu einem Ort der kritischen Auseinandersetzung auch mit den dunkleren Seiten der deutschen Marinegeschichte (Kolonialzeit, NS-Zeit) wird. Herr Tamm und seine MitarbeiterInnen sind weder qualifiziert noch distanziert genug zu der Sammlung, um dies leisten und gewährleisten zu können. Umso wichtiger wäre es, von Seiten der Stadt sicherzustellen, dass der derzeit lediglich informelle wissenschaftliche Beirat ein tatsächliches Mitspracherecht bekommt. Wie sie dem Artikel entnehmen können, hat sich auch Frau Gisela Jaacks, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte und Mitglied im Beirat, bereits kritisch gegenüber sowohl der Sammlung als auch den Verlegeraktivitäten Herrn Tamms geäußert. Ich zitiere: „Die Angst vor kriegsverherrlichenden Tendenzen ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn der Anteil der Exponate der Kriegsmarine ist in Herrn Tamms Sammlung riesig. Diesen Schwerpunkt muss man zurückfahren und in den entsprechenden geschichtlichen Kontext stellen. ... Der Verlag Koehler-Mittler hat einen sehr deutlichen Schwerpunkt im Nationalistischen, der von einer demokratischen staatlichen Stelle nicht so ohne weiteres gutgeheißen werden kann."

Anbei schicke ich ihnen zu ihrer Information auch das, in dem Artikel erwähnte, Informationsheft „Tamm-Tamm“. Die Kritik an dem Heft ist sicher nicht unberechtigt, denn seine eindeutige politische Stellungnahme schlägt stellenweise in Polemik um. Dennoch sind darin aufwendig und akribisch zahlreiche Informationen zur Sammlung und der Person Peter Tamms zusammengetragen und eine Auseinandersetzung lohnt sich.

In ihrem Antwortschreiben verweisen sie mich an die kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion Dorothee Stapelfeldt. Ich sehe ein, dass fachspezifische Kompetenzen im alltäglichen Regierungsgeschäft delegiert werden müssen und dass nicht jeder Abgeordnete über alle Fragen, die zur Abstimmung stehen/standen, gleichermaßen informiert sein kann. Dennoch wäre mir daran gelegen, mit ihnen persönlich, und nicht mit Frau Stapelfeldt, darüber zu sprechen, wie im Falle der Tamm-Museums weiter vorgegangen werden kann. Ich würde mich daher freuen, wenn sie einen Termin einrichten könnten. Mir geht es nicht um Schuldzuweisung, sondern darum 1. meiner „Informationspflicht“ als ihrer Patin gerecht zu werden und 2. gemeinsam nach pragmatischen Ansätzen zu suchen, wie dieses Museum zu unser aller Zufriedenheit gestaltet werden kann.

In der Hoffnung auf baldige Rückmeldung und mit freundlichen Grüssen,


Christina Köver

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