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Engel Dr., Antke

Sehr geehrter Herr Schira,

ich gehe davon aus, dass Sie die Entscheidung für die Förderung des "Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseums Peter Tamm" von Anfang an aufmerksam verfolgt haben und über die Begründungen wohl informiert sind. Deshalb würde ich Ihnen, als langjährigem Mitglied der Hamburger Bürgerschaft sowie als stellvertretendem Fraktionsvorsitzenden der CDU-Bürgerschaftsfraktion, gerne einige Fragen stellen, die mich diesbezüglich beschäftigen:

1.)
Trotz zahlreicher Kürzungen, die mit Verweis auf die Haushaltslage insbesondere in den Ressorts Kultur und Soziales vollzogen worden sind, wurden für das Tamm-Museum 30 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.

Welche Bedeutung hat das Museum für die Stadt Hamburg Ihrer Auffassung nach, so dass diese Summe als gerechtfertigt erscheint?

2.)
Die Sammlung Peter Tamms, so wie Sie augenblicklich in der Elbchaussee 277 ausgestellt ist, besteht überwiegend aus Marineschiffsmodellen, Militaria sowie Bildern von Seeschlachten und Kriegshelden. Nicht nur wird hiermit Seefahrtsgeschichte auf Kriegs- und Militärgeschichte verengt, vielmehr kommt es auch zur Gewaltverherrlichung: Kriegerische Auseinandersetzungen und militärische Stärke werden als Grundvoraussetzung einer ernst zu nehmenden nationalen Existenz propagiert.
Darüber hinaus beinhaltet die Sammlung zahlreiche Devotionalien nationalsozialistischer Herrschaft, die unproblematisiert zur Schau gestellt werde. Die Form der Präsentation, öffentliche Äußerungen Peter Tamms sowie die in seinen Verlagen herausgegeben Publikationen lassen diese als zu würdigende Erinnerungsstücke erscheinen, die bruchlos in der Traditionslinie einer "ehrenhaften" imperialen (Seemachts-) Ideologie stehen.

Haben Sie als Fachsprecher für Soziales keine Bedenken, dass ein solches Museum insbesondere bei Jugendlichen rechtsextreme Einstellungen und Gewaltbereitschaft fördern könnten?

Fürchten Sie nicht, dass das Museum zum Anziehungspunkt rechtsextremer Kräfte werden könnte und hiermit der Anspruch der Stadt Hamburg, demokratische Werte und ein verantwortungsvollen Umgang mit dem Erbe des Nationalsozialismus zu vermitteln, unterlaufen würde?

3.)
Problematisch erscheint außerdem, dass sich Herr Tamm in seiner Funktion als Stiftungsvorstand die alleinige Macht sichert, über die Gestaltung des Museums und der Ausstellungen zu entscheiden.

Wie ist es möglich, dass ein öffentlich gefördertes Museum ohne wissenschaftlichen, kuratorischen und museumspädagogischen Beirat auskommt?

Meiner Ansicht nach ist es heutzutage unumgänglich, dass ein Museum den Besucher/innen auch einen kritischen Blick auf Prozesse der Geschichtsschreibung und einen wissenschaftskritischen Blick auf die eigene Sammlung eröffnet. Geschichte besteht nicht einfach in einer Vermittlung wissenschaftlicher Fakten, sondern in der Vermittlung von Geschichtsbildern. Diese in ihrer Unterschiedlichkeit zu verstehen und beurteilen zu können, heißt zu fragen, wie sie sich begründen, wie sie durch die Auswahl der Ausstellungsexponate, durch zugehörige Erklärungen und Präsentationsformen unterstützt werden, und welche sozio-politischen Perspektiven mit einem bestimmten Geschichtsbild einhergehen.

4.)
Aus diesen Überlegungen heraus ergibt sich im Hinblick auf die demokratischen Perspektiven des geplanten Museums abschließend die Frage:

Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass das Tamm-Museum zur Auseinandersetzung mit der bisher weitgehend unaufgearbeiteten Beteiligung Hamburger Handels- und Schifffahrtsunternehmen sowie Stadtpolitik am Sklavenhandel und am Kolonialismus beiträgt?

"Seefahrt ist friedliche aber auch kriegerische Eroberung. Der Machtausgleich auf See erfolgte auch im Schlachtgetümmel." (Nikolov, Bürgerschafts-Drs. 17/3986: 7) Diese Äußerung von Tamm-Mitarbeiterin Nikolov verdeutlicht in zweifacher Hinsicht eine Verwicklung in das koloniale Erbe. Zum einen erscheint "Eroberung" als eine unproblematische, sogar erstrebenswerte Praxis internationaler Beziehungen. Zum anderen unterstellt der Begriff "Machtausgleich", dass die Eroberung nichts anderes als der gerechte Ausgleich eines vorherigen Ungleichgewichts sei, was den Charakter der Handels- und Kolonialbeziehungen schlichtweg umkehrt.

Sehen Sie angesichts dieser und ähnlicher Äußerungen eine Notwendigkeit zu verhindern, dass das geplante Museum zu einer Verharmlosung historischen Unrechts beiträgt? Und wenn ja, wie wäre dies politisch zu erreichen?


Ich würde Ihnen hiermit gerne die Möglichkeit geben, meine Vorbehalte gegenüber dem geplanten Projekt auszuräumen oder aber, sollten Sie meinen Bedenken zustimmen, sich für eine Revision des Museumsprojekt in seiner bisher geplanten Form einzusetzen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und würde mich sehr freuen, von Ihnen Antwort zu erhalten.


Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Antke Engel

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