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Lohse, Milo |
Sehr geehrte Frau Boeddinghaus,
Im Rahmen der Initiative „TAMM TAMM – Künstler informieren Politiker“ habe ich die Patenschaft für Sie übernommen und hoffe dieser Aufgabe (für die Dauer der Initiative) gerecht zu werden und Sie über das geplante „Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm“ zu informieren.
Ziel der Aktion ist es, die Errichtung des "Internationalen Schifffahrts - und Meeresmuseum Peter Tamm, Hamburg" in seiner geplanten Form zu verhindern.
Am 12. Februar 2004 hatte die Hamburger Bürgerschaft der Aufforderung des Senats Folge geleistet und dem Projekt ohne Gegenstimmen und mit Stimmenthaltung der GAL zugestimmt. Die Aktion "Tamm-Tamm" geht davon aus, dass diese Zustimmung in Unkenntnis der Sachlage erfolgte. Daher suchen wir nun das direkte Gespräch mit den Bürgerschaftsabgeordneten als politisch Verantwortliche dieses Skandals, der unter anderem ebenso die Kultur- wie auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Stadt Hamburg betrifft.
Aus diesem Grund werde ich Ihnen in den nächsten Tagen die Broschüre "Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum" zu Ihrer Information zuschicken. (Gewissermaßen vorbeugend möchte ich dazu bereits an dieser Stelle anmerken: Die Tatsache, dass diese Schrift unter einem Pseudonym - Friedrich Möwe - erschienen ist, ändert nichts an der Stichhaltigkeit der Rechercheergebnisse und der Argumente!) Zudem würde ich gerne mit Ihnen persönlich über die Inhalte der Broschüre sowie eine/Ihre diesbezügliche Verantwortlichkeit und Handlungsmöglichkeit als Bürgerschaftsabgeordneter ins Gespräch kommen. Bis dahin lade ich Sie schon mal zu einem Besuch der soeben online gestellten vorläufigen Website ein: www.tamm-tamm.info
Mit freundlichen Grüßen, Milo Lohse
18. September 2005
Sehr geehrte Frau Boeddinghaus,
sehr hoffe ich, dass Sie meine Post mit der Broschüre erhalten haben. In der vergangenen Woche war ich nicht in Hamburg, und Sie waren sicher sehr in den Wahlkampf eingespannt. Deshalb bitte ich Sie nun um einen Gesprächstermin. Ich bin sehr flexibel und kann mich ganz nach Ihnen richten.
Mit freundlichen Grüßen
Milo Lohse P.S. Es folgt ein Artikel der "SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG" von diesem Wochenende ( Seite 19 ) Hymnen auf die Kriegsmarine? In Hamburg mehren sich die Stimmen, die vor der Installation des von Peter Tamm gestifteten, privat betriebenen "Internationalen Schifffahrtsmuseums" in der Hafen-City warnen In Hamburgs zweitgrößtem Museum lassen sich grinsende Glatzen vor dem hakenkreuzverzierten Marschall-Stab von Großadmiral Dönitz fotografieren, sie bestaunen die NS-Orden der Legion Condor in modernen Schauvitrinen und fachsimpeln vor dem riesigen Modell der "Graf Zeppelin", ob Nazi-Deutschland wohl den Krieg gewonnen hätte, wäre dieser Flugzeugträger fertig gebaut worden. Eine unvorstellbare Szene? Unter Hamburgs Kultur- und Museumsleuten regt sich gerade lautstark die Befürchtung, dass genau das passieren wird, wenn Peter Tamm – aus dessen riesiger maritimer Sammlung diese Exponate stammen – im Jahr 2007 sein Internationales Schifffahrtsmuseum in der Hafen-City eröffnet. In einer großen Initiative von Künstlern und Kuratoren sollen die Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten, die das Museum 2004 beschlossen haben, nun in Einzelgesprächen von der drohenden Gefahr eines kriegsverherrlichenden "Museums" unterrichtet werden. Ausgelöst wurde die aktuelle Aufregung durch eine GEW-finanzierte Studie mit dem Titel "Tamm-Tamm". Der zentrale Vorwurf dieser Untersuchung lautet, dass Tamm, der langjährige Vorstand des Axel-Springer-Verlags, rechtsnationaler Gesinnung sei, eine militaristische Ausstellungspolitik betreibe und in seiner Begeisterung für Schiffsmodelle, Uniformen, Orden und Waffen die Verbrechen von Krieg, Kolonialismus, NS-Regime und Sklaverei ignoriere. Leuchtturm am Hafen Würden diese Vorwürfe stimmen, wäre das ein enormes Politikum, denn das neue Museum wird zwar privat von Tamm geführt, entsteht aber nur Dank einer 30-Millionen-Euro-Unterstützung der Stadt, die Tamm zudem einen historischen Kaispeicher für 99 Jahre mietfrei zur Verfügung stellt. Sollte dieses zweite Leuchtturm-Projekt für die Hafen-City neben der Elbphilharmonie nun eine Pilgerstätte für Skins und Militaria-Sammler werden, wäre das ein Desaster nicht nur für das Projekt selbst, sondern für die ganze Hafen-City-Entwicklung. Was ist also dran an den Vorwürfen? Die Studie, die unter dem Pseudonym Friedrich Möwe vom "Informationskreis Rüstungsgeschäfte" veröffentlicht wurde, trägt akribisch historisches und kritisches Material zu einigen Exponaten der Sammlung, ihrer kommentarlosen Präsentation in dem Schaulager, in dem sie jetzt untergebracht sind, und der Biografie Tamms zusammen. Leider schwächt sie ihre Aussage durch eine Unzahl unterstellender Vermutungen sowie das Versäumnis, Tamms Stellungnahme einzuholen. Dennoch müssen auch wissenschaftliche Beobachter zugeben, dass die Schlussfolgerungen nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Gisela Jaacks, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte und in dieser Funktion in einem informellen Beirat für das Tamm-Museum vertreten, sagt: Die Angst vor kriegsverherrlichenden Tendenzen ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn der Anteil der Exponate der Kriegsmarine ist in Herrn Tamms Sammlung riesig. Diesen Schwerpunkt muss man zurückfahren und in den entsprechenden geschichtlichen Kontext stellen." Zwar besitzt Tamm zig-tausende Exponate aus allen Bereichen der Schifffahrtsgeschichte, von seinem wissenschaftlich bedeutenden Archiv mit 110000 Büchern, 50000 Originalbauplänen und 1,5 Millionen Fotos ganz zu schweigen. Aber dennoch hinterlässt beim Besuch in seinem "Wissenschaftlichen Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte" an der Elbchaussee der militärische Komplex den prägnantesten Eindruck. Im Garten des ehemaligen Nobelhotels ragen Kanonenrohre phallisch in den Himmel, daneben liegen Torpedos und Mini-U-Boote im Kies. Säleweise Waffen, Uniformen, Kriegsschiffmodelle, Orden und Gemälde, sowie Sonderkojen für NS-Devotionalien zeugen von dem entfesselten Fetischismus, der jeden manischen Sammler umtreibt, der aber bei Militaria doch einen sehr herben Beigeschmack bekommt. Verschärfend kommt hinzu, dass das Programm von Tamms Verlag Koehler-Mittler Bücher anpreist, die "ein facettenreiches Bild der deutschen Kolonialherrschaft" mit "Lebensbildern berühmter Kolonialherren" oder "kritische" Analysen für "das Versagen der Deutschen" im Kampf gegen den jugoslawischen Widerstand während des 2. Weltkriegs versprechen. Bekannte Rechtsradikale wie Franz Uhle-Wettler sind hier Autor, die Themen sind seeromantisch oder kriegs- und militärfixiert, und das Urteil von Gisela Jaacks über dieses Unternehmen lautet dann in aller Vorsicht: "Der Verlag Koehler-Mittler hat einen sehr deutlichen Schwerpunkt im Nationalistischen, der von einer demokratischen staatlichen Stelle nicht so ohne weiteres gutgeheißen werden kann." Verbrechen des Kolonialismus Tamm selbst, ein generöser älterer Herr mit Zigarre in der Hand, und die Geschäftsführerin der privaten Stiftung, in die Tamm seine Besitztümer einbringt, Russalka Nikolov, streiten die Vorwürfe allerdings kategorisch ab. "Nur ein Irrer kann für Krieg sein", sagt Tamm in grantiger Empörung, und: "Ich habe nicht vor, das Dritte Reich zu verherrlichen, das ist völliger Schwachsinn. Natürlich war das ein Verbrechen, und die Auswirkungen davon haben wir heute noch am Hals." Selbstverständlich würden auch die Rollen von KZ-Häftlingen beim Schiffsbau, die Beteiligung der Flotte am Sklavenhandel oder die Verbrechen des Kolonialismus in adäquater Weise in dem künftigen Museum behandelt werden, erklärt Nikolov. Tamms wissenschaftlicher Berater für die Museumskonzeption, der Historiker Hermann Schäfer, Präsident des Hauses der Geschichte in Bonn, rät ebenso wie die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck denn auch dazu, Verleger und Sammler, Person und Projekt auseinander zu halten. Er habe hervorragende Exponate in der Sammlung gesehen, so Schäfer, um die Unmenschlichkeit des Sklavenhandels oder die Brutalität des U-Boot-Kriegs darzustellen. Und Karin von Welck, die "im regen Austausch" mit Peter Tamm steht, erklärt: "Hamburg hat größtes Interesse daran, dass das ein vernünftiges Haus wird, ich bin mir sicher, dass wir das auch hinkriegen." Alles also nur ein Sturm im Wasserglas? Erst, wenn garantiert ist, dass der Sammler mit seiner Obsession einer vernünftigen Museumskonzeption nicht im Wege steht, lassen sich die Zweifel ausräumen. Denn das Problem aller Museen, bei denen der Stifter auch Gründungsdirektor wurde, ist deren strukturelle Unfähigkeit, zwischen privaten Neigungen und öffentlichen Interessen zu unterscheiden. Nur die Trennung von Person und Projekt mit Hilfe von unabhängigem, externem Sachverstand kann dafür sorgen, dass die Leser von Tamms Verlag nicht auch die Besucher seines Museums werden. TILL BRIEGLEB
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