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Hossmann, Herbert |
Bericht über mein Treffen mit der SPD-Abgeordneten Frau Dr. Schaal
Nah telefonischer Verabredung habe ich mich am 23. September mit meiner meinem „Patenkind“ im Abatinn getroffen. Wir haben bei schönstem Indian Summer Wetter auf der Strasse Cappucini getrunken und sind sofort in das Thema eingestiegen.
Mein Patenkind ist seit 1997 Bürgerschaftsabgeordnete und Mitglied der SPD Fraktion. Sie arbeitet mit im Gesundheits-, Haushalts- und Umweltausschuss.
An der Sitzung der Bürgerschaft, in der das Tammmuseum beschlossen wurde, hat sie teilgenommen und wie alle Mitglieder der SPD-Fraktion der Senatsvorlage zugestimmt. Da dies keine religiöse, ethische oder Gewissensfrage war, hätten sich alle an der Abstimmung beteiligten Abgeordneten der SPD der Fraktionsdisziplin gefügt. Ein Abgeordneter könne sich nicht in allen Fachgebieten, über die zu entscheiden ist, hinreichend kundig machen. Man müsse den Fachleuten in der Fraktion und den Ausschüssen vertrauen, die die Vorlagen vorbereiten und Empfehlungen für die zu treffenden Entscheidungen erarbeiten.
Die Senatsvorlage war fachlich im Kulturausschuss und wegen der Finanzen im Haushaltsausschuss beraten worden, ehe die Bürgerschaft abschließend entschieden hat. Bei Erörterung der Drucksache in der Fraktion sei über die Sammlungsgegenstände wenig berichtet worden. Dass sie zahlreiche „Erinnerungsstücke“ nationalsozialistischer Zeit, der Kriegsmarine, enthält, sei ihr nicht bekannt gewesen. Darüber sei überhaupt nicht geredet worden, vor allem nicht über die mit Hakenkreuzen geschmückten Großadmiralsstäbe von Dönitz und Raeder, die wie eine Monstranz in der „Elbchaussee“ präsentiert werden. Eine Dominanz der kriegerischen Seite der Seefahrtssammlung und die besondere Betonung der Reichs- und Kriegsmarine sei kein Thema gewesen. Diskutiert wurde allerdings die Person Tamm als Stifter des Museums. Man hätte in der Fraktion erhebliche Bauchschmerzen gehabt, habe doch Tamm zu seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG diese zum Wahlkampf für Helmut Kohl missbraucht. Insoweit sei man unglücklich über die ihm im Vertrag eingeräumte autokratische Stellung bei der inhaltlichen Gestaltung des Museums gewesen. Neu sei aber auch für sie das Engagement von Tamm im Köhlers- und Mittlerverlag, dessen Schwerpunkte die teilweise unkritische Literatur der Seekriegserinnerung ist.
Bis zur Bürgerschaftsentscheidung hätten die Sammlung auch nur sehr wenige Fraktionsmitglieder gesehen und die, die die Präsentation in der Elbchaussee besuchen konnten, hätten sich nicht negativ geäußert, im Gegenteil, sie hätten sich beeindruckt gezeigt. Dass die Sammlung öffentlich zugängig ist, sei ihr auch nicht bekannt gewesen. Träfe es zu, was von den Gegnern der Tamminitiative vorgetragen wird („ein entsprechender Input war einfach nicht da“), hätte man in der Fraktion sicherlich anders votiert.
In der Diskussion um die bereitgestellten Mittel bestätigte sie, dass sie aus den Investitionsmitteln für die Haushaltsjahre 2004 und 2005 kämen. Diese Mittel stünden dann natürlich anderen Zwecken - einschließlich der Schuldentilgung - nicht zur Verfügung.
Im zweiten Teil unseres Gesprächs haben wir uns Gedanken gemacht, wie die von den Künstlern befürchtete Verherrlichung der kriegerischen Seite der Seefahrt bei der Präsentation der Sammelobjekte im Tammmuseum verhindert werden könnte. Die SPD-Fraktion könnte sich noch einmal mit dem Museum befassen, da ja noch Zeit vorhanden ist, bis das Museum (2007) seine Türen öffnet, und versuchen, mit einer parlamentarischen Initiative die Diskussion über das Projekt wider zu eröffnen. Wirkung wäre immer dann zu erzielen, wenn eine öffentliche Diskussion in Gang kommt.
Wir waren mit unserem Gespräch fast zu Ende, als Cornelia Sollfrank den Grindelhof herunterkam und sich an unseren Tisch setzte. Das Gespräch lebte noch einmal auf, da sie anschaulicher und eindrücklicher als ich von der Sammlung in der Elbchaussee berichten konnte, hatte sie doch erst vor wenigen Tagen an einer Führung teilgenommen. Wir kamen dann sehr schnell auf die Situation der Künstler in Hamburg und die Hamburger Kulturpolitik zu sprechen – bis hin zur Elbphilharmonie. Und uns wurde klar, welch ungeheuren Druck der Senat auf die Abgeordneten der Bürgerschaft bei der Entwicklung der Hafencity ausübt, sie zu schnellen Entscheidungen treibt. Da bleibt kaum Zeit, sich eingehender mit den Problemen zu befassen und sie zu durchdringen.
Als vorm Abaton schwarze Limousinen für VIPs des Hamburger Filmfestes auftauchten und wir - leicht frustriert - nicht eine einzige Person, die den Luxuskarossen entstiegen, erkannten – beendeten wir das Gespräch. Es hatte um 16.30 begonnen und dauerte bis 19.00 Uhr. Es war angenehm und informativ. Mein Patenkind hat, wie wir vereinbarten, diesen Bericht erhalten, ehe er ins Netz gestellt wird.
Frau Dr. Monika Schaal Rudolf-Klug-Weg 9 22455 Hamburg
19. September 2005
Betr.: Internationales Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm Sehr geehrte Frau Dr. Schaal, zunächst einmal Glückwunsch zum großen Erfolg der SPD in Hamburg. Ich hoffe, dass Sie nun den Kopf wieder frei bekommen, um sich mit dem Anliegen der Hamburger Künstlerinitiative befassen zu können. Ich bin einige Jahre älter als Sie (Jahrgang 1942). Wir beide sind noch im Krieg oder umittelbar nach dem Krieg geboren. Meine erste Kindheit ist unauslöschlich geprägt von den zerstörten Städte, den Familien, Verwandten und Bekannten, die im Krieg ihre Angehörigen verloren haben und den sog Kriegsversehrten, die als Krüppel in ihren Holzwägen oder mit Krücken sich durch die Straßen quälten. Wie ich werden Sie als Schülerin geschockt und getroffen worden sein von den Bildern der Verbrechen, die im deutschen Namen begangen worden sind und Sie werden vielleicht, wie ich, vergeblich, versucht haben, von den Eltern Auskunft zu bekommen, was da geschehen ist, inwieweit sie in diese Verbrechen verstrickt waren. Unabhängig von den vielen Fragen, die sich Kulturpolitik und Finanzpolitik in Hamburg zu den Beschlüssen der Bürgerschaft, das Tamm Museum zu fördern, stellen lassen müssen, ist es diese Erfahrung, die mich bewogen hat, an der Künstleraktion teilzunehmen. Mit Ihnen darüber zu reden und zu überlegen, wie verhindert werden kann, ein die Marine verherrlichendes und deren Verbrechen bagatellisierendes Museum zu bekommen, sollte Inhalt unseres Gesprächs sein. In der Erwartung, von Ihnen nunmehr eine Antwort zu erhalten verbleibe ich mit freundlichen Grüßen Herbert Hossmann
Frau Dr. Monika Schaal Rudolf-Klug-Weg 9 22455 Hamburg
Hamburg, 9. September 2005
Betr.: Internationales Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm Sehr geehrte Frau Dr. Schaal, mit Schreiben vom 25. August habe ich Sie um ein Gespräch im Rahmen der künstlerischen Protestaktion Tamm Tamm gebeten, leider bisher aber noch keine Antwort erhalten. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir möglichst bald signalsieren könnten, wann ich mit einem Gespräch rechnen kann. Die Künstlerinitiative wird von 121 individuellen Künsterpersönlichkeiten mit unterschiedlichsten Biografien und Kunst- und kulturpolitischen Erfahrungen in der Stadt getragen. Jeden einzelnen trifft die Gründung des internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseum damit auch in anderer Weise. Angesichts der zahlreichen Fragen und Probleme, die sich um das neue Museum ranken, wird dies - unserer Meinung nach - auch auf die Vertreterinnen und Vertreter der Hamburger Bevölkerung in ihrem Parlament zutreffen. Zu erfahren, worin die Betroffenheit der Künstler besteht, müsste für Sie genauso wichtig sein, wie andererseits für die Initiative, was Sie bewogen hat, sich hinter den Senatsbeschluss zu stellen. Mit freundlichen Grüßen Herbert Hossmann
Frau Dr. Monika Schaal Rudolf-Klug-Weg 9 22455 Hamburg
25. August 2005
Betr.: Internationales Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm Sehr geehrte Frau Dr. Schaal im Rahmen der Aktion „TAMM TAMM Künstler informieren Politiker“ haben sich 121 Künstlerinnen und Künstler zusammengefunden, um mit je einer bzw. einem Hamburger Abgeordneten in Kontakt zu treten und ein Gespräch über den Beschluss der Hamburger Bürgerschaft zum Tamm-Museum vom Februar 2004 zu führen. Sie haben dem Projekt als Abgeordnete zugestimmt. Ich bin als Ihr Gesprächspartner ausgelost worden. Hintergrund unserer Aktion ist das Unbehagen der Kunstszene an einem Projekt, über das jahrelang lediglich Gerüchte kursierten, das inhaltlich in der Fachöffentlichkeit bisher kaum diskutiert wurde und dessen Auswirkungen weit über die Grenzen der Stadt hinaus reichen. Die kulturpolitischen Intentionen der Beschlussfassung der Bürgerschaft werden von den an der Aktion beteiligten Künstlern nicht geteilt. Mit der Broschüre Tamm Tamm, die ich diesem Schreiben beifüge, liegt eine Dokumentation vor, die ein besseres Bild des Vorhabens ermöglicht. Die offenbar korrekt recherchierten Fakten - jedenfalls sind mir keine Einwendungen der Betroffenen zu den dargestellten Sachverhalten bekannt - , haben das vorhandene Unbehagen verstärkt und sind Anlass für die Aktion „Künstler informieren Politiker“. Als Ergebnis der Aktion erwarten wir ein facettenreiches Patch-Work individueller Fragen und Antworten aus dem Bereich von Kunst und Politik, das der Öffentlichkeit zugängig gewacht werden wird. Ich gehe davon aus, dass Sie den von den Künstlern in den Ring geworfenen Ball aufgreifen und wir einen Gesprächstermin vereinbaren können. Mit freundlichen Grüßen Herbert Hossmann
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