TAMM TAMM

Künstler informieren Politiker

Jokinen

Ein ausführliches E-mail-Interview führte die bildende Künstlerin Jokinen mit dem kulturpolitischen Sprecher der GAL, Willfried Maier


31.08.2005

KiP-ANFRAGE


Sehr geehrter Herr Maier,


ich bin bildende Künstlerin und beteiligt an der kürzlich gestarteten Aktion “Tamm-Tamm. Künstler informieren Politiker”.

Ziel der Tamm-Tamm-Aktion ist es, die Errichtung des “;Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm, Hamburg”; in seiner geplanten Form zu verhindern. Am 12. Februar 2004 hatte die Hamburger Bürgerschaft der Aufforderung des Senats Folge geleistet und dem Projekt ohne Gegenstimmen (SPD, CDU) und mit Stimmenthaltung (GAL) zugestimmt. Die Aktion “Tamm-Tamm/KiP” geht davon aus, dass diese Zustimmung in Unkenntnis der Sachlage erfolgte. Daher suchen wir, 121 Kunstschaffende in dieser Stadt, nun das direkte Gespräch mit den 121 Bürgerschaftsabgeordneten als politisch Verantwortliche dieses Skandals, der unter anderem ebenso die Kultur- wie auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik Hamburgs betrifft. Aus diesem Grund werde ich Ihnen zu Ihrer Information in den nächsten Tagen das Buch “;Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum”; zuschicken.


Ich würde gerne mit Ihnen über die Inhalte der Broschüre sowie eine/Ihre diesbezügliche Verantwortlichkeit und Handlungsmöglichkeit als Bürgerschaftsabgeordneter und kulturpolitischer Sprecher der GAL ins Gespräch kommen. Mein Vorschlag ist es, dass ich Ihnen pro Tag eine kurze Frage per Mail zuschicke, die Sie auch per Mail beantworten. Aus der Antwort heraus ergibt sich eine neue Frage. Ich stelle mir 10-12 Fragen vor. Zudem bekommen Sie einige von mir gemachte Fotos von den Exponaten der Tamm-Sammlung mit der Bitte, zu diesen kurz und eher assoziativ als sachbezogen Stellung zu nehmen. Bis dahin lade ich Sie schon mal zu einem Besuch der soeben online gestellten vorläufigen Website ein: http://www.tamm-tamm.info 31.08.2005 ANTWORT AUF KiP-ANFRAGE Ich kenne das Buch über das Tamm - Museum, und ich bin gerne bereit, mit Ihnen Argumente auszutauschen. Ob ich auf tägliche Mails auch täglich antworten kann, das will ich nicht versprechen. Aber ich werde versuchen, Ihnen in angemessener Zeit zu antworten.

Auf das vorgeschlagene Assoziationsspiel zu Fotos werde ich mich allerdings nicht einlassen. Das erinnert mich zu sehr an das Hinhalten von Stöckchen: Reflexauslöserin und Reflexbeantworter bewegen sich dabei nicht auf derselben Ebene. Das ist aber für eine politische Auseinandersetzug meiner Meinung nach unverzichtbar.


31.08.2005

KiP-FRAGE 01

Nun ja, ich bin bildende Künstlerin - ich arbeite gerne mit Bildern; an eine Reiz-Reaktion-Abfolge habe ich dabei weniger gedacht.

Also werde ich mich auf das Terrain der politischen Auseinandersetzung in Schrift und Wort begeben, auf dem Sie mehr beheimatet sind als ich. Sie werden mir aber trotzdem erlauben, Ihnen einige Photos zuzumailen, ja? Denn bei der Sammlung Tamm geht es ja schließlich um Visuelles. Sie können diese dann mit kommentieren, wenn Sie wollen.


Zum Zeitplan: unsere Aktion “;KiP - Künstler informieren Politiker”; läuft bis zum 28.09. Wenn wir bis dahin mit den Fragen und Antworten fertig wären, würde es gut passen. Hier kommt meine erste Frage: FRAGE 01 Haben Sie die Sammlung Tamm an der Elbchaussee 277 besichtigt? Wenn ja, warum finden Sie als kulturpolitischer Sprecher der GAL keinen Anstoß daran, dass diese ein Sammelsurium mit Hakenkreuzen, Kolonialem und Militaria ist (s. Photo als ein Beispiel)?



Wenn nein, wie konnten Sie sich eine Meinung bilden für die Bürgerschaftsabstimmung am 12. Februar 2004?

Soweit zuerst einmal.


PS: Besitzen Sie ein persönliches Exemplar des TammTamm-Buches oder soll ich es Ihnen zuschicken?


01.09.2005


ANTWORT AUF KiP-FRAGE 01


Ja, ich habe die Sammlung Tamm in der Elbchaussee besichtigt. Dabei habe ich wahrgenommen, dass es sich dabei keineswegs einfach um ein Sammelsurium von Hakenkreuzen, Kolonialem und Militaria handelt. Derartige Ausstellungsstücke gibt es, aber die Sammlung ist wesentlich breiter angelegt und zeigt Schaustücke aus allen Bereichen und Epochen der Seefahrt. Freilich ist nicht zu übersehen, dass der Sammler sich in die Rolle eines deutschen Marineoffiziers hinein imaginiert und aus dieser Blickweise gesammelt hat. Dass Seekrieg, Piraterie und Kolonialismus, die ja in der Wirklichkeit eine große Rolle gespielt haben und z.T. noch spielen, in einem Schiffahrtsmuseum nicht fehlen dürfen, scheint mir nahe liegend. Dass in einem öffentlichen Museum aber die persönlichen Sichtweisen eines Sammlers nicht ausschlaggebend sein dürfen ebenso. Deswegen war ich dafür, die große Sammlung in Hamburg zu halten und öffentlich zu machen, nicht aber für die Konstruktion des Museums in der alleinigen Verfügungsmacht von Herrn Tamm. Diese Haltung habe ich durch eine Enthaltung in der Bürgerschaft deutlich machen wollen.


01.09.2005


KiP-FRAGENKOMPLEX 02


Museumsdidaktisch gesehen ist die Sammlung zweifellos problematisch. Es stehen ohne Erklärung Objekte und Dokumente nebeneinander, sowohl harmlosere als auch solche, die aus juristischer Sicht bedenklich sind: Symbole des Nationalsozialismus etwa dürfen in unserem Land nur ausgestellt werden, wenn diese kommentiert werden. Durch das zusammenhanglose Nebeneinander werden verschiedene skurrile Zusammenhänge hergestellt (s. Photo 02).



Seekrieg, Piraterie und Kolonialismus sind in der Tat ein Teil der Seefahrt. Einleitend hat uns bei unserem Besuch der “;Museumsführer”; erklärt, dass die zivile Seefahrt ohne die Unterstützung der kriegerischen Seefahrt nicht möglich gewesen wäre. Doch nach Themen der zivilen Seefahrt kann der Besucher dort lange suchen, bis er fündig wird. Ich denke, wenn wir in Hamburg ein Seefahrtsmuseum brauchen, dann ein solches mit dem Schwerpunkt der Seefahrt der hanseatischen Kaufmänner samt ihrer sowohl friedlichen als auch kolonialer Aspekte. Militärhistorische Museen gibt es ja genug in Norddeutschland.


Quantität war ein Merkmal der wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts. Im 20. Jahrhundert führte diese Sicht zu den bekannten sozialdarwinistischen Auswucherungen und zu Weltkriegen. Heute streben wir - auch und insbesondere in der Museumsdidaktik - nach Qualität und Fragen nach Zusammenhängen. Erziehung zu Demokratie und Friedenssicherung sollten Museumsziele sein.


Kritik kommt auch aus der eigenen Fachwelt. Dr. Dieter Hartwig, Fregattenkapitän a.D. und international anerkannter Marinehistoriker am Deutschen Marinemuseum in Wilhelmshaven schreibt am 05.07.05 in einem Leserbrief an das Feuilleton der Frankfurter Rundschau: “;Es gibt eine Vielzahl von Marinehistorikern mit hinreichend thematischer und museumsdidaktischer Berufserfahrung. Sie alle könnten den Beirat des Marinemuseums in Hamburg bereichern und sind der Hamburger Kultursenatorin namentlich bekannt. Ebenso Herrn Tamm - vielleicht will er sie gerade deshalb nicht? Wie ein fachkundiger Beirat wäre aber auch und vor allem eine nicht nur fachkundige, sondern auch zeitgemäße Konzeption für ein Museum des 21. Jahrhunderts notwendig. In der Fachwelt ist bisher nicht bekannt, wen Herr Tamm dafür vorgesehen hat. Bekannt ist allerdings seine Feststellung: “;Ich habe keine Lust, mir etwas vorschreiben zu lassen.”; (Kieler Nachrichten, 1. Juli 2005). Mit dieser Haltung aber negiert Herr Tamm gerade das, was (s)ein “;Wissenschaftliches Institut”; pflegen müsste - den umfassenden wissenschaftlich-kritischen Dialog gerade über die (deutsche) Marinegeschichte! Mit dieser vorab bekannten Haltung vom Hamburger Senat 30 Mio. Euro ergattert zu haben, verdient “;Anerkennung”;. Ob sein (!) neues Marinemuseum in Hamburg diese oder wirkliche Anerkennung verdient, wird sich weisen. Im schlimmsten Falle ist es dann aber zu spät für eine Nachdenklichkeit erzeugende Darstellung von Marinegeschichte, die ja sehr viel mehr sein müsste, als eine schlichte Ausstellung der Ergebnisse eines leidenschaftlichen Sammlerlebens.”


FRAGENKOMPLEX 02 - Fortsetzung


Jedes Hamburger Museumsprojekt musste bisher ein stichhaltiges Konzept vorlegen und wurde bis auf Mark und Bein überprüft, um öffentlich gefördert zu werden. So nicht Peter Tamm. Sein Konzept (S. 75 ff. im TammTamm-Buch) ist vage und verharmlosend und entspricht nicht dem, was in seiner Sammlung zu sehen ist. Viele PolitikerInnen sind offensichtlich überfordert und nicht im Bild, was da inhaltlich in die Hafencity gesetzt wird. Wie ist es zu erklären, dass in Zeiten knapper Kassen ein solcher Privatspleen kulturpolitisch derart unwissentlich und dilettantisch gefördert wird? Warum kennt die Kulturbehörde das TammTamm-Buch von Friedrich Möwe noch nicht? Warum haben der Senat und die Bürgerschaft einen solch für die öffentlichkeit unvorteilhaften Vertrag mit Peter Tamm unterschrieben? Und warum haben Sie und Ihre Partei - die ja schließich in einer ausdrücklich antimilitaristischen Tradition steht - nicht klar und deutlich gegen diese Verträge gestimmt statt sich zu enthalten? Einfach Nein sagen?



04.09.2005

ANTWORT AUF KiP-FRAGENKOMPLEX 02


Ausgangspunkt der Planungen zum Tamm-Museum war ursprünglich das schlichte Vorhandensein der Sammlung und der Wunsch, sie in Hamburg zu halten. Diesen Wunsch hatte schon der SPD/GAL-Senat unter Bürgermeister Runde bekundet.


Gleichzeitig war für mich immer klar, dass diese Sammlung nicht 1:1 in ein Museum übersetzt werden könnte, sondern dass dazu ein eigenes Konzept und die ständige Begleitung durch einen wissenschaftlichen Beirat nötig wäre.


Beides hat der neue Senat unter Ole v. Beust gegenüber dem Stifter nicht durchgesetzt, sondern das Museumsprojekt ganz in die Hand des Stifters der Sammlung gelegt. Genau diesen Umstand haben wir nicht akzeptiert, weil wir nicht meinen, dass die öffentliche Hand so viel Geld hergeben darf, wenn sie nicht sicherstellt, dass öffentliche Debatte über das Konzept und wissenschaftliche Begleitung von dritter Seite aus möglich bleiben. Darum haben wir der Bewilligung der 30 Millionen EUR nicht zugestimmt, die Tatsache aber, dass auch wir diese Sammlung in Hamburg halten wollten, durch eine Enthaltung in der Bürgerschaft zum Ausdruck gebracht. Wenn Sie jetzt fragen, ob denn die Kulturbehörde das Buch von Friedrich Möwe nicht gekannt habe, so kann ich nur sagen, dass dieses Buch erst erschienen ist, nachdem der Vertrag mit Herrn Tamm gemacht war, nachdem die Bürgerschaft das Geld bewilligt hatte und nachdem die Hälfte der Summe schon überwiesen wurde. Was Herr Möwe und Sie mit 121 Künstlerinnen und Künstlern jetzt betreiben, ist also nicht mehr Einflussnahme auf eine Entscheidung, sondern eine Diskussion danach. Das macht die Diskussion nicht überflüssig, aber legt nahe, sie anders anzulegen: Nicht als Versuch, nachträglich die Bürgerschaftsabgeordneten zu beeinflussen, sondern breiter mit Wirkung in der öffentlichen Meinung insgesamt. Die Dinge liegen inzwischen so, dass nur noch eine indirekte Einflussnahme auf die Museumsmacher möglich ist mit der Absicht, ein möglichst gutes Museum zu bekommen. Die Stiftung von Herrn Tamm hat die öffentlichen Mittel inzwischen schon bzw. hat sie vertraglich unwiderruflich zugesagt bekommen. Das sollten Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen sich vergegenwärtigen, damit klar wird, worüber wir uns unterhalten wollen.



04.09.2005

KiP-FRAGEN 03 UND 04


Und immer ist es der Mensch, der dennoch zur Waffe greift, die sich stets fortentwickelt hat.³ (Russalka Nikolov, Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied der Tamm-Sammlung

Was ich meinte, ist, dass die Kulturbehörde bis jetzt oder zumindest bis vor kurzem das Buch von Friedrich Möwe nicht kannte, obwohl es seit April 2005 auf dem Markt ist und obwohl die Presse wiederholt bei der Kultursenatorin danach fragt.


In der Bürgerschaftsdebatte vom 28. Januar 2004 - wie ich das Protokoll so durchlese - haben die Abgeordneten aller Parteien offensichtlich die konkreten Inhalte der Sammlung nicht diskutieren wollen. Diese wurden schlicht und einfach ausgeblendet. Auch der politische Background der Mitarbeiter von Peter Tamm und ihre Nähe zur rechtslastigen bis nachweislich wahrlich rechtsextremen Szene, der sich relativ leicht beim Googeln finden lässt, wurde nicht berücksichtigt.


Bei der damaligen Bürgerschaftsdebatte ging es lediglich um Themen wie Finanzierbarkeit und - wie in Ihrer Rede - die Forderung eines stichhaltigen Museumskonzepts, um die Besucherzahlen einschätzen zu können sowie die Kritik an der singulären Position von Peter Tamm. Alle beteiligten PolitikerInnen wussten bei der Abstimmung, wie die Verträge mit Peter Tamm lauteten: der Admiral³ hat das alleinige Sagen. Offensichtlich wusste aber so recht niemand, wie das Museumskonzept konkret und inhaltlich umgesetzt wird - bis heute.

Ich bin nicht Politikerin - trotzdem habe ich schon vor dem Erscheinen des Buchs von Friedrich Tamm reichlich kritische Stimmen gehört. Diese aber erreichten offensichtlich die Politikerohren in dieser Stadt nicht.


Unsere KiP-Aktion (Künstler informieren Politiker) geht schlicht davon aus, dass die Volksvertreter nicht gut informiert waren und dass sie in Unkenntnis abgestimmt haben. Darum müssen wir KünstlerInnen nun Patenschaften übernehmen. Ich bin Ihre Patin. Unser Patenschaftsverhältnis ist ohne Ihren Wunsch (aber mit Ihrer Zustimmung) zustande gekommen


Patenschaft beschreibt sich als einseitiges Fürsorgeverhältnis³, wenn Umstände dies erforderlich machen. Ich möchte Sie also informieren. Und mit Ihnen debattieren. Wie sich jetzt herausstellt, gibt es offensichtlich nicht wenige KollegInnen in der Bürgerschaft, die ihre Künstler-Paten abwimmeln. Ich hoffe, unser Gespräch bleibt.


Sie haben recht: die unvorteilhaften Verträge der Stadt und Steuerzahler mit Herrn Tamm lassen sich - rein juristisch gesehen - nicht rückgängig machen. Politisch vielleicht. Die Ausstellung von unkommentierten Hakenkreuzen und das Verlegen klar antisemitischer Bücher und deren Vorstellung an der Elbchaussee 277 könnten wir wohl auch juristisch anfechten. Und Herrn Tamm die Fähigkeit zur Führung eines öffentlichen Museums nach den Ethischen Richtlinien für Museen (ICOM) absprechen.


Gleich um die Ecke zum Kaispeicher B wird aus dem Lohse-Platz ein Gedenkplatz für die deportierten Juden gemacht. Auf die Historie des Platzes hatten die GAL und auch ich aufmerksam gemacht. Die Nachbarschaft zur hakenkreuzstarrenden Tamm-Sammlung finde ich geschmacklos und unerträglich. Eins ist klar: ich werde meine ausländischen BesucherInnen nicht einmal in die Nähe des Tamm-Museums bringen, denn ich muss mich schämen für diese Stadt, von der ich bisher glaubte, sie sei mit den Jahren meine Heimat geworden.


Tamm-Museum, “;Tansania-Park”;, Straßenbenennungen nach Welteroberern in der Hafencity: “;Geschichtsbewusstsein von vorgestern für die Stadt von morgen”;, wie Heiko Möhle, Eine Welt Netzwerk kritisch bemerkt.


Heute gleich zwei Fragen und zwei Bilder:


FRAGE 03 Möglichkeiten des parlamentarischen Weges: Ihre Enthaltung bringt nicht klar zum Ausdruck, dass Sie die Sammlung ohne Herrn Tamm behalten wollten. Für die Öffentlichkeit wirkt sie unentschieden und wie ein lauer Kompromiss. De facto gab es ja denn auch keine Gegenstimmen, die laut und deutlich zum Ausdruck gebracht hätten, was man von den Fähigkeiten des Herrn Tamm als Museumsinhaber hielten. Und: Wo blieben und bleiben die inhaltlichen Kritikpunkte? Warum wurde nicht mit Fragen gelöchert? Warum haben Sie nicht gefordert, dass die Bedingungen neu verhandelt werden? Eine Anfrage zu den Inhalten der Sammlung an den damaligen Schwarz-Schill-Senat gerichtet? Noch bis nach den unmittelbar bevorstehenden Neuwahlen gewartet? Mein Eindruck ist, dass es genügend parlamentarische Wege gegeben hätte, die aber von Ihnen nicht begangen wurden.


Nun zu einem weiteren Thema: als wir die Tamm-Sammlung besuchten, waren mit uns in der Gruppe einige Besucher, die augenzwinkernd durchblicken ließen, dass ihr Hobby³ der Besuch militärhistorischer Museen auf der ganzen Welt sei. Bewundernd standen sie vor einigen recht zweifelhaften Objekten.


FRAGE 04 Wie wollen Sie verhindern, dass das Tamm-Museum im Kaispeicher B zu einem Forum und Wallfahrtsort für Neonazis und Ewiggestrige wird? Das Tamm-Museum wird nicht nur Kinderebenen zu allen Wissensgebieten³ (Nikolov) und einen maritimen Kindergarten³ anbieten, sondern auch Kunstworkshops für Kinder und Jugendliche (Photo 04). Wer überprüft die Lehrinhalte auf ihre Demokratiefähigkeit hin? Welche konkreten Kontrollinstrumente stehen Ihnen und Ihrer Partei zur Verfügung?



05.09.2005

ANTWORT AUF KiP-FRAGEN 03 UND 04


An einem Punkt haben Sie mich mißverstanden: Ich will keine Sammlung und kein Museum “;ohne Tamm”;. Das wäre ja auch absurd: Ohne die Sammelleidenschaft von Herrn Tamm gäbe es die Sammlung nicht, die immerhin auf dem Feld der Schiffahrtsgeschichte eine der größten der Welt ist. Und in diese Sammlung ist ein erheblicher Teil des privaten Vermögens von Herrn Tamm geflossen. Man kann den Gründer einer Stiftung nicht von deren Ausgestaltung ausschließen wollen. Mir geht es lediglich darum, den leidenschaftlichen Sammler in ein Spannungsverhältnis zu einer wissenschaftlichen Begleitung etwa durch einen Beirat zu bringen. Und ein solches Spannungsverhältnis ist nur echt, wenn Beiratsmitglieder, die ebenfalls das Museum wollen, auch Rechte haben.


Nun einige Bemerkungen zum Buch von Herrn Möwe, das Sie ein wenig wie die abschließende Bibel über das Museum behandeln: Ich finde, es wird der Sammlung in keiner Weise gerecht! Im wesentlichen handelt es sich um den Versuch, die Motive von Herrn Tamm als ultranationalistisch und kryptofaschistisch zu entlarven. Der ganze erste Teil beschäftigt sich überhaupt nicht mit der Sammlung, sondern mit Tamms “;Marinemeise”; (wie er sich selbst ironisierte) als Verleger.


Der zweite Teil, der so tut, als ob er die Sammlung vorstellte, bezieht sich wiederum nur auf den Teil, der die militärischen Schaustücke enthält. Das ist aber nur der kleinere Teil. Der größte Teil befaßt sich mit Handelsschifffahrt, technischen Sonderschiffen, mit einer Unmenge von Konstruktionsplänen und mit See- und Marinemalerei.


Und die NS-Symbole, die Ihnen ein solcher Dorn im Auge sind, machen im Militaria-Teil der Sammlung wiederum nur einen Bruchteil aus. Aus der Geschichte der deutschen Marine kann man sie aber nun mal nicht aussortieren, ohne Geschichtsfälschung zu begehen: Es war tatsächlich Hitlers Marine, die in einem vökermorderischen Vernichtungskrieg mitkämpfte. Und es ist auch kein Zufall, dass Hitler ausgerechnet den Chef der Kriegsmarine, den Großadmiral Dönitz zu seinem Nachfolger für die letzten Tage machte, sozusagen den treuesten der Paladine, einen politischen Idioten und Kriegsverbrecher, mit einem gewissen Rückhalt bei der Marine wegen seiner taktischen Fähigkeiten.


Inzwischen habe ich erfahren, dass der Name des Autors “;Friedrich Möwe”; ein Pseudonym ist. Damit ist der Mann für mich nicht mehr voll satisfaktionsfähig. Wir leben in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat. Die Nachteile, die man durch ein freies Wort eventuell hinnehmen muss, sind also relativ. Und wer darin austeilt und dabei sein Gesicht nicht zeigt, von dem halte ich zunächst einmal wenig.


Schließlich Ihre Frage, warum nicht inhaltlich von Abgeordneten diskutiert wurde. Die Wahrnehmung stimmt nicht. Meiner Erinnerung nach habe ich versucht darzustellen, um welchen Grundgedanken herum das Museum organisiert werden sollte: Den Beitrag der Seefahrt zur Herausbildung der einen Menschheit - in allen dabei auftretenden Widersprüchen.

Die Gefahr, dass das Museum zur Pilgerstätte von Neonazis werden könnte, sehe ich nicht, selbst wenn die bisher uns vorliegenden konzeptionellen Gedanken noch schmal sind. Herrn Tamm in dieser Hinsicht gar eine Absicht zu unterstellen, halte ich für abseitig. Eher fürchte ich, dass eine ressentimenthaft hassende Linke durch schräge Paukenschläge ein solches rechtsradikales Kultziel überhaupt erst in die Welt trommeln könnte.


Ich glaube aber, dass eine Diskussion wie die jetzt von Ihnen angezettelte, dazu beitragen kann, das künftige Museum zu verbessern. Die Museumsmacher werden unter Rechtfertigungsdruck gesetzt. Vorhandene Befürchtungen werden deutlicher. Und ich bin sicher, dass auch die Museumsmacher darauf reagieren werden. Der Sammler Tamm will ja vor allem den Erfolg des Museums und hat kein Interesse daran, dass es unter PC - Generalverdacht gerät.



06.09.2005

KiP-ERWIDERUNG AUF ANTWORT AUF FRAGEN 03 UND 04


Heute keine neuen Fragen, sondern eine Erwiderung auf Ihre Mail.


Sie bekommen heute noch eine zweite Mail, die sich auf der Metaebene mit den Fragestellungen Ihrer vorletzten Mail beschäftigen.

Morgen bekommen Sie eine Mail mit der Frage 5.


- zur Größe der Sammlung: wie schon an anderer Stelle angedeutet: nicht die Quantität der Sammlung ist bedeutend (außer, man betrachtet diese als Kuriosum), sondern wir müssen auf Qualität und Didaktik achten.


- zum Stifter:

Das private Vermögen bleibt auch beim Herrn Tamm bzw. seiner Stiftung, denn er verschenkt ja seine Sammlung nicht an die Stadt. In der Bürgerschaftsdebatte vom 28.1.04 hat Burkhard Müller-Sönksen, FDP etwas die Befürchtung geäussert, Herr Tamm könne mit seiner Sammlung Hamburg verlassen, auch später. Er wird ja vertraglich nicht daran gehindert. Gottesvertrauen hilft da nicht viel. Gesetzt den Fall also, Herr Tamm beschließt aufgrund von wachsendem inhaltlichen Druck seine Sammlung anderswohin zu geben, dann würden doch Senat und Bürgerschaft dumm aus der Wäsche gucken. Was sind das bitte für Verträge? Diese meine frühere Frage zu den Verträgen haben Sie noch nicht beantwortet. Sind diese also Ihrer Meinung nach unvorteilhaft für die Stadt? War es ein politischer Fehler, solche Verträge abzuschließen?


- zum Thema Beirat: Der Beirat scheint ja nicht so richtig zustande zu kommen. Kunsthallen-Direktor Uwe M. Schneede hat vom Anfang an seine Teilnahme verweigert. Die Kultursenatorin wird nicht in dem Kreis sitzen. Wilhelm Hornbostel, Museum für Kunst und Gewerbe, Wulf Köpke, Völkerkundemuseum und Bärbel Hedinger, Altonaer Museum haben nach einigen Treffen ebenfalls ihre Teilnahme abgesagt. Das Helms-Museum, das Museum der Arbeit und das Museum für Hamburgische Geschichte werden wohl dabei bleiben (oder ist Frau Jaaks auch inzwischen ausgetreten?), es sei denn, dass sie das Gefühl haben, nichts ausrichten zu können. Haben Sie denn schon mit den Ausgeschiedenen über ihre Motivationsgründe gesprochen?


- zum Buch von Friedrich Möwe: Das Buch ist nicht wie eine Bibel für mich, sondern einer von vielen Impulsgebern. In unserer Korrespondenz weise ich nur auf gewisse Buchinhalte hin, weil ich davon ausgehe, dass wir es beide gelesen haben - sozusagen als einzige gemeinsame Quelle und Diskussionsgrundlage neben dem Protokoll der Bürgerschaftsdebatte vom 28.1.2004. Ich hatte Ihnen das Buch als Geschenk gekauft, aber Sie teilten mir ja mit, dass Sie es schon besitzen. Abgesehen vom Buch habe ich Ihnen als Quellen ja auch eigene Photographien mit Kommentaren und Fragen zugemailt. Und Sie werden noch einige Webadressen und Zeitungsartikeln zum Weiterlesen bekommen.


Ich habe ja das Buch nur gekauft, weil mir schon vorher zu viel zu Ohren gekommen war. Inzwischen habe ich ganz unterschiedliche Informationsquellen aus der Presse, dem Internet. Das Ausschlaggebende zum Mitmachen bei KiP war mein Besuch in der Tamm-Sammlung. Als Künstlerin, Ausstellungsmacherin, Kuratorin, Gutachterin und frühere Museumsmitarbeiterin verstehe ich einiges von Museumsdidaktik. Mich persönlich interessiert schon die Zusammensetzung der Sammlung, aber noch vielmehr deren VERMITTLUNG.

Wie Sie richtig vermerken, beschäftigt sich das Buch sowohl mit der Person Tamm beschäftigt als auch mit der Sammlung. Die ausgiebige Beschäftigung mit dem Persönlichkeitsprofil Tamms ist wohl gerechtfertigt, weil der Sammler ja im Mittelpunkt seiner Sammlung steht - mit seiner Sammelrichtung und seiner autokratischen Stellung im zukünftigen öffentlichen Museum. Dass es lediglich politische Unterstellungen seien, wird sich noch herausstellen. In meinem Fundus befinden sich einige Informationen, die ich Ihnen noch zur Verfügung stellen werde.


- zum Pseudonym von Friedrich Möwe: Der Autor erklärt folgendes: “;Zur Verwendung eines Pseudonyms habe ich mich nach reiflicher überlegung aus speziellen privat-familiären sowie beruflichen Gründen entschlossen bzw. entschließen müssen. Diese Gründe haben nichts mit der Person von Herrn Tamm zu tun. Es geht mir besonders darum, eine mit mir namensgleiche und mir sehr nahe stehende Person zu schonen, der es ziemlich schlecht geht und die durch journalistische Berichte und Nachfragen mit Sicherheit sehr

beunruhigt würde. Zum anderen ist mir daran gelegen, dass die - in privater Initiative erarbeitete - Dokumentation von der Ebene meiner beruflichen Tätigkeit, bei der von mir politische Zurückhaltung erwartet wird, strikt getrennt bleibt. Und beides ist leider nur durch die Verwendung eines Pseudonyms möglich.”


Damit macht sich der Autor angreifbar - das weiß ich. Sie benutzen den militärischen Ausdruck, er sei nicht “;satisfaktionsfähig”;. Aber es ist zu leicht, die Recherchen wegen des Pseudonyms abzutun. Und es bleibt ja allen die Möglichkeit, selbst zu recherchieren: in der Presse, im Internet, in der Sammlung. Quellen gibt es inzwischen genug: das Hohe Lied der Springerpresse und kritischere aus heterogenen Zusammenhängen.


Sie schreiben: “; Wir leben in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat. Die Nachteile, die man durch ein freies Wort eventuell hinnehmen muss, sind also relativ.”; Lieber Herr Maier, da irren Sie sich leider. Die gesellschaftliche Wirklichkeit sieht anders aus, auch in europäischen Ländern.


KünstlerInnen/WissenschaftlerInnen/PolitikerInnen, die ihr Mund aufmachen, werden bedroht (oder sogar ermordet). Die eigene Privatsphäre zu schützen, ist wichtig, das weiß ich aus Erfahrungen mit meinen Kunstprojekten. Ich bin oft und vulgärsprachlich angefeindet worden. Zwei andere Beispiele: Prof. Gerhardt, Afrikanist an der Uni Hamburg, bekam einen Drohbrief: “;Du antideutsche Sau!”;. - nur weil er in einer städtischen Kommission zum Thema “;Tansania-Park”; seine Stimme erhob. Ich kann diese Angabe weitergeben, weil Herr Gerhardt selbst damit öffentlich umgeht. Das Photo eines Freundes von mir, eines Berliner Historikers, der zur Kolonialgeschichte Bücher schreibt, wird als “;Feind”; auf einer Neonazi-Internetseite veröffentlicht. Sein Anwalt sagt, er könne nichts dagegen tun.


- zur Sammlung Tamm: Es ist richtig, dass sich die Sammlung auch mit ziviler Schiffahrt beschäftigt. Wieviel Prozent dieser Teil einnimmt, vermag ich nicht sagen - dieses wäre doch eine Fragestellung für den (rudimentären) Beirat. Doch sehr wichtig ist zu schauen, wie die VERMITTLUNG ist: bei der Museumsführung ist doch aufgefallen, dass wir sehr lange bei den Militaria-Exponaten blieben, die vom Museumsführer ausgiebig mit Personennamen und Schlachten erklärt wurden (“;in der Seeschlacht xy da haben wir den Feind in die Flucht geschlagen”;; “;der Heldentod von xy”;). Bei der Marinemalerei besprach der Museumsführer lediglich die Bilder mit Kampfhandlungen. Im einzigen “;friedlichen”; Raum, in dem eigentlich nur “;neutrale”; Gemälde ausgestellt waren - das Treppenhaus mit den “;Seestücken”; - war in einer Vitrine ein Zerstörer angebracht. Kann der Sammler es nicht lassen?

Also: es geht ZENTRAL um die Frage der Vermittlung, der Museumspädagogik, die Positionierung und Erklärung von Exponaten. Das sollte wir klar von der tatsächlich vorhandenen Sammlung unterscheiden. Mit meinen Photographien habe ich versucht, Ihnen dieses an Einzelbeispielen zu erklären. Herrn Tamm ist eine moderne, wissenschaftliche Museumspädagogik definitiv nicht zuzutrauen. Es bringt also wenig, wenn wir nur darüber reden, wie groß der Teil der zivilen Schiffahrt in der Sammlung ist.


Und: die Zurschaustellung von Hakenkreuze und ähnlichen Symbolen ist nicht per se aufklärend. Häusern, die diese nicht zeigen, Geschichtsverfälschung vorzuwerfen, ist absurd. Wenn solche Exponate doch gezeigt werden, dann bitte nicht als Devotionalien.


Der von Ihnen angeführte Dönitz ist ein gutes Beispiel: sein Marschallstab liegt dort in einer zentralen Vitrine in Samt und Seide ohne jegliche Erklärung, wer Dönitz war und was es mit dem Stab auf sich hat. Der Museumsführer hat es so dargestellt, dass die Marschallstäbe der ganze Stolz des Hauses seien. Mir liegt ein Filmdokument vor, in dem Dönitz endlich zu den Friedensverhandlungen mit den Alliierten antreten muss. Er kommt also in den Raum rein und fuchtelt wie verrückt mit seinem hakenkreuzbesetzten Stab, als ob er der Sieger wäre. Es wirkt wie Slapstick angesichts der tatsächlichen Situation. Seine Lederhandschuhe zieht er nicht aus, er gibt nicht die Hand. Die anderen anwesenden Kommandanten sind da bescheidener. Diesen Filmausschnitt könnte man z.B. in einem Museum zu seinem Stab aufklärend zeigen. Wenn also umgekehrt Dönitz' Stab in der Sammlung verehrt wird, wird damit auch der Paladin Dönitz verehrt.


Interessant finde ich Ihre These, dass eine “;ressentimenthaft hassende Linke durch schräge Paukenschläge ein solches rechtsradikales Kultziel überhaupt erst in die Welt trommeln könnte”;. Also sind die “;Linken”; (wer?) schuld daran, wenn das Museum eine rechte Kultstätte wird, nicht die Art der Sammlung. Im nächsten Absatz fahren Sie dann aber umgekehrt fort: “;Ich glaube aber, dass eine Diskussion wie die jetzt von Ihnen angezettelte, dazu beitragen kann, das künftige Museum zu verbessern.”; Wie habe ich diese zwei Ansagen nebeneinander zu verstehen? Zu Ihrer Information: meine beteiligungsorientierten Kunstprojekte werden von den “;Linken”; genauso angefeindet wie von den “;rechten”; Rändern. Das macht mir nichts aus, weil mich die Beteiligung der Mitte der Gesellschaft mehr interessiert, also diejenigen, die nicht dogmatisch, die vielleicht nicht politisch und evtl. auch nicht informiert oder interessiert sind. Sie zu erreichen, finde ich eine künstlerische Herausforderung. Schätzen Sie meine Arbeit und meine politische Einstellung bitte nicht falsch ein.


- Zu Ihrer Rede in der Bürgeschaftsdebatte am 28.1.2004:

“Der größte Beitrag Hamburgs zur Menscheitszivilisation ist durch Hamburger Seeleute, durch Hamburger Hafenarbeiter, durch Hamburger Kaufleute geleistet worden (Bodo Theodor Adolphi, Ronald-Schill-Fraktion: "Und Tamm!")... Allerdings weiß jeder von uns, dass das auch ein sehr widersprüchlicher, ein ambivalenter und gewaltsamer Prozess war, richtig gewaltsam durch viele Kriege, durch viele Unterdrückungen hindurch. Darum gehört in ein solches Schifffahrts- und Meeresmuseum, auch der Marinebestandteil, denn es ist ein Bestandteil, der eine Rolle gespielt hat bei der Herausbildung dessen, was wir heute in den Anfängen als eine Menscheit haben, die sogar anfängt, sich auf gemeinsame Rechtsbegriffe zu beziehen.”


Die gewaltsame Geschichte der Welteroberung durch seefahrende Kaufmänner und deren militärischer Begleitung noch heute als "Menscheitszivilisation" zu bezeichnen, ist paternalistisch. In unserer globalisierten Welt haben wir die Pflicht, Völkern gleichwertig zu begegnen und uns dafür zu entschuldigen, dass wir mal in dem (Irr)glauben gehandelt haben, unsere "Zivilisation" als Segnung (oder vielmehr aus Profitgier) über andere bringen zu müssen. Wenn dieser damalige (Irr)glaube in einem Museum anhand von Exponaten ausgestellt wird, dann muss er als solche bezeichnet und nicht glorifiziert dargestellt werden.



06.09.2005

KiP-METAEBENE


Zurückgehend auf Ihre Mail vom 04.09.2005 hier meine Erwiderung.


Die Frage 5 kommt morgen.


METAEBENE:

zuerst möchte ich zu Ihrer vorletzten Mail vermerken, dass ich als Ihre Patin in diesem Zusammenhang weder über die Fehler der CDU Hamburg/Ole v. Beust austauschen möchte (dafür gibt es genug andere KiP-KollegInnen), noch darüber sprechen möchte, dass unsere Aktion zu spät³ kommt. Ich möchte vor allem Ihre persönliche Rolle und diejenige Ihrer Partei verstehen und mit Ihnen darüber debattieren.


1) Ihre Kritik des Zuspätkommens geht an eine falsche Adresse. Ich weise sie zurück. Wir KiP-KünstlerInnen waren ja nicht gefragt, als es um die Entscheidung in der Bürgerschaft ging, Sie hingegen als (oppositioneller) Entscheidungsträger waren wohl involviert; es ist auch mehr Ihr als mein Job. Unsere städtischen Springerpresse-Monopolisten haben keine öffentliche Kritik an diesem Skandal zugelassen. Die Kulturbehörde war ungenügend informiert und wies ebenfalls alle Kritik zurück. Nach und nach sickerten dann doch Informationen durch (taz, FSK, F. Möwe, verschiedene Internet-Seiten), die sich zu einem Gesamtbild formieren ließen. Der Besuch der Sammlung gab dann endgültige Sicherheit.

2) die Hauptsache ist, dass die Kritik überhaupt kommt, nachdem alle PolitikerInnen in Hamburg die Tamm-Sammlung unisono befürwortet haben. Auch nach meiner Einschätzung können wir den Geldzufluss an Peter Tamm nicht mehr stoppen, denn das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Es geht vielmehr darum, der öffentlichkeit klar zu machen, dass es eine Fehlentscheidung war und danach zu fragen, was noch zu retten ist.


3) KiP wird an die öffentlichkeit gehen, wenn wir die Aktion ausgewertet haben. In welcher Form dieses passieren wir, ist noch nicht klar - wahrscheinlich bekommt das Ganze eine künstlerische Form.


4) und als Ihre Patin möchte ich Ihnen alle Erkenntnisse, Informationen und Webadressen, die noch nicht im Buch von F. Möwe sind und über die Sie vielleicht noch nicht verfügen, zusammenfassend mitteilen in der Hoffnung, dass auch Sie und Ihre Partei noch etwas bewegen können, sei es juristisch, politisch, öffentlich. Wenn Sie und Ihre Partei eine deutlichere Kritik ausüben würden, könnten Sie unser Bündnispartner werden. Dann müssten wir allerdings noch darüber diskutieren, ob a) lediglich die vertraglich festgelegte, autokratische Rolle von Peter Tamm abzulehnen ist oder ob b) die ganze Sammlung so rechtslastig ist, dass sie sich als öffentliches Museum - auch ohne Herrn Tamm - nicht eignet, mögen doch Einzelexponate auch noch so interessant sein. Und ob c) Hamburg/Hafencity wirklich ein solches Museum braucht. Es sprechen einige gute Argumente dagegen. Solange Sie sich jedoch in der Kunst der möglichst neutralen Enthaltung üben, sehe ich da schlechte Chancen für eine Bündnispartnerschaft. Solange können wir ja trotzdem unsere Patenschaft, die Befragung und unseren Dialog fortsetzen.



07.09.2005

KiP-FRAGE 05

THEMA HEUTE: die Person Peter Tamm und sein Mitarbeiterstab - in den Verlagen und im Schiffahrtsmuseum.


Auf Anfrage der Presse hin bezeichnet sich Peter Tamm als Konservativer³ und weist seine Zuordnung als Rechter³ entschieden ab. Ich überlasse es Ihnen zu beurteilen, was die folgenden Zitate über die Gedankenwelt von Herrn Tamm sagen:

- Ein Volk, das auf den Meeren erfolgreich ist, wird in der Weltgeschichte immer einen überragenden Platz finden.³

- Eine Wissenschaft in Demutshaltung, quasi bemäntelt mit dem hierzulande allgegenwärtigen Büßerhemd³, sei seine Sache nicht.

(aus einem Interview in: Schiff & Zeit³, Mittler-Verlag)


- Als Peter Tamm 2004 vom TV-Sender Hamburg 1 und der Springer-Zeitung WELT zum Hamburger des Jahres³ gekürt wurde, erklärte er, einem Schiff könne nichts passieren, wenn es klar nach dem Können³ und ohne Mehrheitsentscheidung³ geführt werde. Ein Staat, der diesem Prinzip folge, würde exzellent funktionieren. Da gibt¹s nicht so viel Gerede, sondern wäre eine klare Ordnung, ... aber im Moment haben wir das noch nicht, wir sind noch ein Stück weg.³


- Und für mich als Hamburger muss ich hinzufügen, es ist der größte Einschnitt seit Gründung der Stadt vor 1000 Jahren. Hamburg ist mal gegründet um den Hafen herum, der Hafen lag immer auf der östlichen Seite der Elbe, und Hamburg war sozusagen die Schutzburg um das Ganze. Dann ist als Erstes im 19. jahrhundert der Schiffbau auf die andere Seite gegangen, und jetzt ist die gesamte Schifffahrt auf der anderen Seite, d.h. alles, was mit der Schifffahrt heute zu tun hat, ist auf der Westseite der Elbe, und auf der Ost- bzw. Nordseite ist nun die reinrassige Stadt.³


(Peter Tamm in der TV-Sendung Kultur in der Hafencity³, Hamburg 1 am 07.07.2004)

Wir wissen inzwischen, dass Peter Tamm einer recht militaristisch ausgerichteten verlegerischen Tätigkeit nachgeht (Möwe S. 15 ff.; S. 27). Dieses Jahr kam auch das kolonialapologetische Buch Die Deutschen Kolonien - Schauplätze und Schicksale³ im Mittler-Verlag heraus. http://www.koehler-mittler.de)


Peter Tamm stellte 2002 in seinem Institut ein antisemitisches Buch vor: Das St. Louis-Drama³, Stocker Verlag Wien 2001 von Georg Mautner Markhof, einem Hobbyhistoriker und Stellvertreter Jörg Haiders. Dieses Werk, das zynisch über das Schicksal von flüchtenden Juden auf der St. Louis³ erzählt und versucht, das Täter-Opfer-Verhältnis auf den Kopf zu stellen, wurde persönlich von Peter Tamm in seinem Schifffahrtsmuseum vorgestellt.


Nirgends sei eine Buchvorstellung so verteidigungsfähig wie hier³, betonte Hausherr Tamm angesichts der Mörser und Kanonen. Ein Besuch der jüdischen Webseite http://www.hagalil.com/archiv/2002/02/st-louis.htm, die auf das Buch eingeht, ist lohnenswert.


Alexander Rost, ebenfalls Mittler-Verlag, schrieb ein Vorwort zum Buch Jäger im Weltmeer³ des rechtsextremen Autors Lothar-Günther Buchheim. Auch hier werden aus Tätern Opfer gemacht. In diesem Buch beflügelt das U-Boot im kriegerischen Kampf faschistoide Männerphantasien. (http://www.graswurzel.net/216/buchheim.shtml)


Der vielkritisierte Philosoph Ernst Jünger (Bücher: Der Kampf als inneres Erleben³; In Stahlgewittern³) war über 20 Jahre Autor im Mittler-Verlag. Thomas Bantle, Verlagsmitarbeiter organisierte kürzlich ein Ernst-Jünger-Symposion mit, das in der rechtslastigen Zeitung Junge Freiheit³ besprochen wurde. http://www.jf-archiv.de/archiv02/162yy46.htm


Insbesondere Hans-Georg Prager, ein enger Mitarbeiter von Peter Tamm fällt durch seine Nähe zu rechtsextremen Kreisen auf. Prager hat in diesem Jahr im Auftrag des Tamm-Schiffahrtsmuseums eine Seeminenausstellung in Cuxhaven mit organisiert und hierzu das begleitende Buch Gefahr aus der Tiefe³ (Mittler-Verlag) geschrieben. http://www.marinekameradschaft-cuxhaven.de/seeminen/info.htm


Der Jugendbuchpreisträger (!) Prager ist gemäß dem taz-Artikel vom 16.06.2005 (http://www.taz.de/pt/2005/06/16/a0295.nf/text) nicht nur Gründungsmitglied des “Freundeskreises Filmkunst”, der alte NS-Filme vor “geschlossenen Gesellschaften” vorführte. Er trug auch das von dem Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger jahrzehntelang geführte Neonazi-Zentrum “Hetendorf 13” mit, das die niedersächsische Innenbehörde 1998 schloss. 1999 benannte sich der Verein in “Norddeutscher Kulturkreis e.V.” um. Die Nachfolgeorganisation Heide-Heim³ und auch der "Freundeskreises Filmkunst" haben jetzt ihren Sitz in Hamburg.


Hans-Georg Prager hat insgesamt 22 Titel verfasst und im eigenen oder im Mittler-Verlag veröffentlicht. Hier einige Titel: - Abstich 11 Uhr - Männer zwischen Glut und Eisen - Panzerschiff Deutschland, Schwerer Kreuzer Lützow: ein Schiffs-Schicksal vor den Hintergründen seiner Zeit - Seenot - Opfer - Siege - Es begann auf Sansibar: 100 Jahre DOAG: eine Bilanz deutsch-überseeischer Wirtschaftsgeschichte.



FRAGE 05 Zugegeben: diese folgende Frage variiert in verschiedenen Zusammenhängen - sie ist sicherlich einer der zentralen Fragen.

Wie können Sie und Ihre Partei also verantworten bzw. verhindern, dass es der Museumsvorstand zulässt, dass rechtslastige und rechtsextreme Mitarbeiter in einem öffentlichen Museum arbeiten, das ein Kulturträger in unserer Stadt ist und einen Bildungsauftrag hat? Und wie, dass zukünftige Museumspublikationen in Verlagen erscheinen, die ein militaristisches/ rechtslastiges Programm haben? Und mit den anderen Titeln aus diesen Verlagshäusern in einem Bücherregal (wie jetzt an der Elbchaussee) zum Verkauf angeboten werden



05 07.09.2005


ANTWORT AUF KiP-FRAGE

Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft haben keinerlei direkten Einfluss auf die Einstellung von Mitarbeitern bei einer privaten Museumsstiftung. Es gibt nur die indirekte Einflussnahme über die öffentliche Meinung, die meiner Wahrnehmung nach so funktionieren wird, dass die Museumsstiftung keinerlei Interesse haben dürfte, dass ihre Einrichtung in rechtsradikalen Verdacht kommt. Falls das geschehen sollte und die Stiftung selbst dazu Veranlassung gegeben hat, wäre der Erfolg des Museums unmittelbar gefährdet. Für den Betrieb ist es ja angewiesen auf Besucher und auf Spender.


Dass Mittler ein Verlag mit großer Militaria-Abteilung ist, lässt sich nicht bestreiten. Und dass Bücher über Kriegsschiffe und Waffen meist nicht von politisch links orientierten Menschen verfasst werden ebenso wenig. Waffenfetischismus ist eben in Deutschland vorwiegend bei politisch rechts orientierten Männern anzutreffen, was ich mir immer populärpsychologisch mit einer prekären Ausbildung von Männlichkeit erkläre.


Ich weiß ebenso wenig wie Sie, welche Bücher der Museumsshop anbieten wird, aber ich vermute, dass sich sein Angebot nicht ausschließlich auf den kleineren Teil des Museums, auf die Marine-Etage beziehen wird. Ich hoffe also geradezu, dass neben Titeln des Mittler - Verlages auch Bücher anderer Verlage im Museumsshop stehen werden. Und ich bin ziemlich sicher, dass das der Fall sein wird. Die Veranstalter sind schließlich nicht blöd und verstehen was vom Verkaufen. Das hat Herr Tamm beim Springer Verlag bewiesen. Und er hat - bei allen Meinungsverschiedenheiten - aus Springer keineswegs ein rechtsradikales Verlagshaus gemacht. Warum also die so überaus beflissene vorauseilende Besorgnis?


07.09.2005

KiP-KOMMENTAR AUF ANTWORT Wie schon angemerkt- als Besucher/Zielgruppe für ein Schiffahrtsmuseum, das in Seeschlachten romantisch schwelgt, kommen rechtsneigende Militaria-Fans in Frage und als Spender ebensolche Institutionen. Eine allgemeine Tendenz in Richtung Akzeptanz militaristischer Themen ist zu beobachten, betrachtet man allein die Anzahl neuer Zeitschriften. Diese werden allmählich politically correct. Gehen Sie mal zu “;Stiehlke”; am Ottensener Bahnhof, dort gibt es ein ganzes Regal für solche Veröffentlichungen. Offensichtlich gibt es eben auch Kundschaft dafür. Der Militarismus läuft der viel beschworenen Weltoffenheit und dem Interkulturalismus Hamburgs entgegen.


Die “;überaus beflissene vorauseilende Besorgnis”; kommt auch “;zu spät”;, wie Sie in einer anderen Mail zutreffend bemerkten. Die wachsende Besorgnis selbst kommt vom Versagen der Bürgerschaft, von der eigenen Wahrnehmung, den Inhalten des Hauses und den Beschäftigungen der Mitarbeiter. Die Entscheidung in der Bürgerschaft ist gefallen, die EUR 30 Mio., das anderswo DRINGEND und JETZT fehlen, ist schon ausgezahlt.


Meine nächste Frage wird sich denn auch mit den Finanzen beschäftigen.



08.09.2005

06 KiP-FRAGENKOMPLEX


Bei den Menschen, die seine Sammlung besuchen dürfen, soll es sich schon um “eine gewisse Auslese” handeln, und gegen einen etwaigen elitären Eindruck sieht er schon gar keine Veranlassung, sich zu wehren: “Ich möchte diejenigen, die wirklich interessiert sind, einladen, aber sie müssen sich darum bemühen”, sagt der Hausherr. (Peter Tamm in der Zeitschrift mare³)

Ich habe keine Lust, mir etwas vorschreiben zu lassen. (Zitat Peter Tamm, Kieler Nachrichten, 1. Juli 2005)


THEMA HEUTE:

Die Finanzen, der Kulturhaushalt, die Förderung des Tamm-Museums


Ihre Ressorts sind Kultur und Haushalt. Denken Sie ans Sparen, wenn Sie an Kultur denken?


Sparen müssen wir alle, sagt man. Die Stadtkassen sind leer, wie uns Kulturschaffenden immer beteuert wird. Gürtel enger schnallen, mehr Ehrenamt übernehmen, Sponsoren suchen, Public-Private-Partnerschaften eingehen, umsonst arbeiten auf innovativen, experimentellen kulturellen Feldern, auf denen nicht warenförmige Kunstprodukte entstehen. Die Quadratur des Kreises.

Auch Herr Tamm ist mit seiner Stiftung eine Public-Private-Partnerschaft eingegangen, auch er sucht Sponsoren. Dafür wurde er ja in der Bürgerschaftsdebatte vom 28.01.05 hochgelobt. Die Springerpresse, die Kulturbehörde und die Website Hamburg.de helfen ihm dabei. Von der Stadt bekommt er EUR 30 Mio und immerhin eine mietfreie Unterkunft für 99 Jahre. Sein Kritiker, der Fregattenkapitän a.D. Dr. Dieter Hartwig bescheinigt ihm ja sogar Talent bei der Ergatterung der EUR 30 Mio zu einseitig günstigen Konditionen (das Zitat hatte ich Ihnen zugemailt).


Wie und wo taucht dieser große Betrag nun plötzlich auf? Ja, durch Umschichtungen, im Programm Wachsende Stadt³, für die Hafencity.


Auf der schattigen Seite der Straße, weil nicht leuchttumqualifiziert, nicht glänzend genug:

  • - Frauenkulturprojekte wurden fast von einem Tag auf den anderen abgeschafft. Damit ist auch eine langjährige, kulturelle Vernetzung zerstört

  • - öffentliche Bücherhallen als wichtige Kultur- und Veranstaltungsorte werden in belasteten Stadtteilen geschlossen.

  • - die Zukunft der Geschichtswerkstätten, in denen größtenteils ehrenamtlich gearbeitet wird, als das Gedächtnis und die oral history der Stadt und der kleinen Leute³ ist ungesichert. Es geht um eine Einsparung von EUR 539.000,--.

  • - die Filmförderung in der Filmmetropole Hamburg³ wurde 2005 drastisch gekürzt

  • - und aus meinem eigenen Bereich: für die individuelle Projektförderung in der bildenden Kunst gibt die Kulturmetropole Hamburg³ gerade EUR 48.000,-- (!) p.a. aus.


Es kam so: die ohnehin knappe Projektförderung wurde Anfang 2005 in einem unerwarteten, beispiellosen Coup der Kultursenatorin um die Hälfte gekürzt: nach einem Gießkannenprinzip bekommen nun kleinere und neuere Künstlerhäuser zwei Jahre lang (und voraussichtlich nicht länger) etwas Geld aus dem Topf der Projektförderung, das aber nicht reicht. Diese Mittel fehlen nun in der Einzelförderung, und es ist zu erwarten, dass es bei der Kürzung bleibt. Dieses führte dazu, dass schon Anfang Juni für das ganze Jahr 2005 keine Mittel mehr vorhanden waren. Eine solche Situation gab es noch nie - ganz ohne Haushaltsstopp. Gerade vor ein paar Tagen teilte mir die Kulturbehörde mit, dass es eine Lücke von EUR 30.000,-- in diesem Topf gäbe: von der Kunstkommission schon zugesagte Kunstprojekte können nicht realisiert werden. Der Projekt- und Finanzsstau wird in das nächste Jahr weitergegeben. Aber es sind ja Peanuts und interessiert offensichtlich keinen Haushaltsexperten. Dagegen wehren sich nur 121 bildende KünstlerInnen.

u.v.m.


Ich werde das Argument nicht gelten lassen, dass es verschiedene Töpfe gibt, die Unterschiedliches fördern.


Unsere KiP-These: Geld ist genug da - nur: es wird in prestigeträchtige, mainstreamige Großprojekte und Blockbusters gegeben. Avantgardistisches, experimentelles, innovatives ist zwar der Humus der Stadt, wie alle Kulturexperten beteuern, aber man ist immer erst hinterher schlauer. In zwanzig Jahren werden dann einige Hungerkünstler, die durchgehalten haben, posthum geehrt.

Der saturierte Marinekunstsammler Peter Tamm zum harten Broterwerb des Künstlers: ...mehr als 5.000 Gemälde, Aquarelle und Grafiken von 1570 bis heute. Peter Tamm kann anhand der Marinemalerei beweisen, dass ein Volk immer dann, wenn es Seemacht wurde, auch die Menschen begeisterte, sich mit ihrer neu gewonnenen Stellung auseinanderzusetzen. So hatten z.B. künstlerisch veranlagte Menschen zunehmend das harte Los eines Malers auf sich genommen, um alles festzuhalten. Sie waren die Berichterstatter ihrer Zeit. Sobald jedoch dieser Status geschwunden war, war auch das Interesse für die Dokumentation der Seefahrt erloschen.


Tamm: ’Unter tausend Menschen gibt es immer die annähernd gleiche Zahl von Begabungen. Die Frage ist, ob diese Begabungen durch ihre Umwelt herausgefordert werden - die Menschen sich also dem mühsamen Broterwerb der Malerei verschreiben - oder aber dem gesicherten Status eines Beamten zuneigen.Œ http://www.pro-academia.de/forum/printthread.php?Board=Studienfahrten&main=38&type=post

Ich werde den Eindruck nicht los, dass Herr Tamm eine enorme Lobby in dieser Stadt hat. Es geht nicht so sehr um die Sammlung, von der ja keiner weiß, wie sie ausgestellt werden wird, es geht darum, dass ein Mann, der über die richtigen politischen Kontakte verfügt, alles bekommt, was er begehrt. Das ist nichts Neues, aber immer wieder erschütternd. Der eigentliche Skandal ist die ideologische Prägung seiner militaristischen Sammlung, deren öffentliche Verbreitung aus Steuergeldern finanziert wird.



FRAGENKOMPLEX 06


Warum wird ein Museumsprojekt, dessen genaues Konzept keiner so richtig kennt, von dem niemand weiß, ob es einen wissenschaftlichen Anspruch standhält, das von einem spleenigen Sammler autokratisch beherrscht wird, mit einer Riesensumme von EUR 30 Mio. aus Steuergeldern gefördert? Warum die übertriebene Eile vor den Wahlen, das Projekt noch gerade in der alten Parteienkonstellation durch die Bürgerschaft zu peitschen? Warum bekommt Herr Tamm schon 14 Tage danach die erste überweisung von der Stadt (Kulturschaffende warten oft mehrere Monate)? Was können Sie persönlich und Ihre Partei dafür tun, dass eine lebendige und avantgardistische Kunstszene in Hamburg bleibt und nicht auswandert in Städte, in denen Gelder auch zu ihren Gunsten verteilt werden? Was tun Sie konkret zur Unterstützung von niedrigschwelligen, soziokulturellen Angeboten, die zur Zeit vom Senat peu-à-peu abgeschafft werden?



13.09.2005

ANTWORT AUF KiP-FRAGENKOMPLEX 6


Wir haben bei den Haushaltsberatungen den Antrag gestellt, die vorgesehenen Kürzungen im Kulturbereich (vor allem Filmförderung und öffentliche Bücherhallen) zurückzunehmen und haben dazu auch einen Finanzierungsvorschlag unterbreitet: Wir wollten, dass der Senat auf Bundesebene die Blockade gegenüber der Absenkung von Steuersubventionen aufgibt. Allein die Beseitigung der Eigenheimpauschale brächte in den ersten beiden Jahren für Hamburg Mehreinnahmen von 30 Mio. EUR. Daraus sollte u.a. die Rücknahme der Kürzungen im Kulturhaushalt finanziert werden.


Der Verzicht auf das Schiffahrts-Museum - wenn er denn möglich wäre - brächte nicht in gleicher Höhe Mittel für Künstlerförderung. Der Zuschuss an die Museums - Stiftung besteht aus sog. Investitionsmitteln, die von der Stadt kreditär finanziert werden dürfen, während Mittel für laufende Kulturförderung aus dem kanpperen sog. Betriebshaushalt finanziert werden müssen. Haushaltstechnisch stünden bei einem Verzicht auf das Museum zugunsten von Künstlerförderungen also lediglich die Zinsen zur Disposition, die die Stadt für den Investitionskredit zahlen muss, also etwa 4-5 % von 30 Mio., d.h. 1,2 - 1,5 Mio. EUR.



13.09.2005


KiP-FRAGE 07


Bevor wir zur Frage 07 kommen, möchte ich einige Verständnisfragen/Wünsche/Forderungen zu Ihrer letzten Antwort stellen:


1. Warum greifen Sie nur zwei Themen auf: Filmförderung und öffentliche Bücherhallen? Wir wollen ausdrücklich für alle diese von mir erwähnten Bereiche mehr Förderung, die dringend für unsere Arbeit benötigt wird. Hierfür hat doch Ihre LAG Kultur Gespräche mit Vertretern verschiedener Kunst- und Kulturbereiche geführt.


2. Verstehe ich Sie richtig: die Stadt hat Kredite aufgenommen, um das Schiffahrtsmuseum von Peter Tamm zu fördern? Es ist in der Tat skandalös. Gerade jetzt kritisiert der Zukunftsrat Hamburg (http://www.zukunftsrat.de), dass seit 2002 das Haushaltsdefizit der Stadt ständig steigt. Er fordert Nachhaltigkeit und mehr Investition in die Zukunftsfähigkeit - im monetären wie auch inhaltlichen Sinne: (Umwelt, Soziales, PISA, Lebensqualität, nachkommende Generationen). Das Tamm-Museum wird nicht die Lebensqualität in dieser Stadt verbessern und hoffentlich auch kein Vorbild für die nachkommenden Generationen sein! Als Tourismusziel ist es ein Schandfleck.


3. Wie ich schon in meiner Mail erwähnte, lasse ich das Argument nicht gelten, dass die Mittel aus unterschiedlichen Töpfen kommen. Mir geht es nicht um haushaltstechnische Fragen, sondern um den kulturpolitischen Willen der politisch Verantwortlichen in unserer Stadt.


4. Immerhin: verzichten wir auf das Tamm-Museum, bekommen wir die Zinsen von 1,2 - 1,5 Mio. Das ist ja schon ein guter Anfang! Gehen wir es an!


Die heutige Frage 07 beschäftigt sich mit der Kommunikationsfähigkeit und -willigkeit von Bürgerschaftsabgeordneten, unseren gewählten Volksvertretern.


Bei unserer KiP-Aktion zeichnet sich ein folgendes Bild ab:


Die CDU-Mitglieder begegnen uns KiP-Kunstschaffenden/WissenschaftlerInnen entweder recht rüde (Beschimpfung, Rausschmiss) oder ignorieren uns, indem sie Briefe und Mails nicht beantworten oder aber delegieren uns an eine Einzelperson, die die Anfragen zentral beantworten soll. Damit geben wir uns aber nicht zufrieden, weil wir der Meinung sind, dass jede/r Bürgerschaftsabgeordnete seine/ihre Stimme mit seinem/ihrem Gewissen vereinbaren muss. Selbst diejenigen PolitikerInnen, die noch nicht bei der Bürgerschaftsabstimmung vom 28.01.2004 dabei waren, werden von uns aufgefordert, Stellung zum Tamm-Museum zu beziehen.


Die SPD gibt sich zur Zeit erstaunlich offen und gesprächsbereit. Aus wahltaktischen Gründen? Oder aus ihrem Selbstverständnis und ihrer Parteigeschichte heraus?

Die GAL hält sich bisher etwas zurück. Soweit ich es mit kriege, ist unser beider Dialog am weitesten fortgeschritten.

KiP-FRAGE 07:

(die vorletzte Frage) betrifft wieder Sie als Person und Politiker. Sie waren bei der Grundsteinlegung des Tamm-Museums am 14.06.05 anwesend. Mir wurde folgendes erzählt: als Sie nach der Veranstaltung mit Ihrem Fahrrad an den DemonstrantInnen vorbei fuhren, forderten diese Sie auf, anzuhalten und über das Museumsprojekt zu diskutieren. Sie aber fuhren wortlos weiter.


Stimmt die Geschichte so? Wenn ja, warum haben Sie keine Dialogbereitschaft gezeigt? Wenn Sie es eilig hatten, warum haben Sie keinen anderen Termin angeboten?



14.09.2005


ANTWORT AUF KiP-FRAGE 07 Ich habe mich nur auf Filmförderung und öffentliche Bücherhallen bezogen, weil wir nur in den Punkten Anträge gestellt haben, den Kulturhaushalt über das vom Senat geplante Volumen auszuweiten. Solche Ausweitung steht immer in Konkurrenz zu anderen berechtigten Wünschen Für uns waren das Wünsche nach besserer schulischer Ausbildung und Betreuung, nach Kita-Betreuung und nach einer Verbesserung für Sozialhilfeempfänger (Sozialticket).


Da wir einigermaßen plausibel darstellen müssen, woher die Finanzmittel für zusätzliche Leistungen kommen sollen, mußten wir uns innerhalb der 15 Mio. EUR bewegen, die wir jährlich mehr hereinbekommen wollten durch eine Handlungsweise, die innerhalb der Möglichkeiten einer Hamburger Regierung liegt. Da sind dann die Möglichkeiten für eine Opposition, die sich nicht einfach aufs freie Wünschen verlegt, beschränkt. Aber auch nur diese beiden Positionen (Filmförderung und öffentliche Bücherhallen) sind im Haushalt der Kulturbehörde wirklich gekürzt worden. Alle anderen Veränderungen sind innerhalb des alten Volumen vollzogen worden, zumeist innerhalb des Bereichs der exekutiven Vollzugsmöglichkeiten im parlamentarisch beschlossenen Handlungsrahmen.


Tatsächlich sind die Zuschüsse an die Tammsche Museumsstiftung aus Krediten der Stadt finanziert worden. Das ist allerdings leider nicht ungewöhnlich, sondern wird seit Jahrzehnten mit allen städtischen Investitionen so gemacht. Wollte man diese übung abschaffen, so müßte man die städtischen Ausgaben für laufende Betriebskosten um weitere 1 Mrd. EUR senken. Das ginge dann direkt zu Lasten von Schulen, Kitas, Sozial- und Kulturpolitik, Polizei und Justiz. Davor schrecken selbst strenge Haushälter bei Regierung und Opposition immer noch zurück.


Ob Sie das Argument der verschiedenen Finanztöpfe nun gelten lassen wollen oder nicht: Als Abgeordnete können wir uns nur innerhalb der Verfassung und Gesetze bewegen. Und der Unterschied zwischen Betriebs- und Investionsmittel hat zwar in Hamburg nur Gesetzesrang innerhalb der Landeshaushaltsordnung, im Bund aber Verfassungsrang und das würde im Streitfall durchgreifen.


Schließlich schlagen Sie vor, dann wenigstens die 1,5 - 2 Mio. EUR mitzunehmen, die an Zinsen bei einem Verzicht auf das Museum gespart werden könnten. Abgesehen davon, dass ich Ihre Meinung zur Verderblichkeit des Museums ja nicht teile: Das Geld ist bewilligt und ausgezahlt. Die Zinsen müssen von der Stadt schon aufgebracht werden und können nicht noch einmal für Künstlerförderung verausgabt werden.

Nun zur eigentlichen Frage: Tatsächlich war ich am Tag der Grundsteinlegung in ziemlicher Eile, weswegen ich sofort nach den offiziellen Reden auch die Versammlung verlassen habe, ohne noch beim Fest zu bleiben. Wer aber mit mir diskutieren will, der findet leicht meine Adresse. Und wie unser Mail-Wechsel belegt entziehe ich mich auch nicht unbequemen Fragen. Ich muss allerdings zugeben, dass mein Eindruck darauf hinauslief, dass es nicht in erster Linie um Diskussion ging, sondern um eine Art Kleintribunal vor Gleichgesinnten. Aber auch damit komme ich klar, wenn ich Zeit habe.



16.09.2005


KiP-FRAGENKOMPLEX 08


Das ist nicht richtig. Im Frühsommer wurde z.B. - wie ich schrieb - die individuelle Projektförderung in der bildenden Kunst von EUR 95.000,-- p.a. auf EUR 48.000,-- p.a. gesenkt, weil die Kultursenatorin plötzlich der Meinung war, dass die kleinen Künstlerhäuser mehr GGeld brauchen. Es sind definitiv zwei unterschiedliche Töpfe mit unterschiedlichen Zielgruppen.


Das heißt, die KünstlerInnen, die nicht in den Künstlerhäusern beheimatet sind, ergo die auch nicht etwa Miet- und Atelierrenovierungskostenzuschüsse bekommen, dumm in die Röhre gucken. EUR 48.000,--, das reicht gerade für 2-3 Projekte im Jahr! Für die "wachsende" Großstadt Hamburg!


Nun befürchten die KollegInnen auch aus den Künstlerhäusern, dass nach der von der Senatorin angekündigten Zweijahresfrist a) sowohl die Häuserförderung zurückgenommen wird als auch b) die Mittel nicht mehr in den Projekttopf für individuellen Förderung zurückfließen.


Aus diesem Grund waren auch die KollegInnen Cornelia Sollfrank und Jan Holtmann in Ihrer LAG Kultur und haben dieses ganz klar vorgetragen. Schade, dass das Anliegen vergessen worden ist.


Und dass die Stadt Kredite für Schulen und Kitas, Polizei und Justiz aufnimmt, ist in der Tat verständlicher als für das Tamm-Museum!


Sie schrieben: "Ob Sie das Argument der verschiedenen Finanztöpfe nun gelten lassen wollen oder nicht: Als Abgeordnete können wir uns nur innerhalb der Verfassung und Gesetze bewegen." Keine Verfassung und kein Gesetz schreibt vor, das Tamm-Museum zu fördern.


"Abgesehen davon, dass ich Ihre Meinung zur Verderblichkeit des Museums ja nicht teile: Das Geld ist bewilligt und ausgezahlt." (Ihre letzte Mail) "Mir geht es lediglich darum, den leidenschaftlichen Sammler in ein Spannungsverhältnis zu einer wissenschaftlichen Begleitung etwa durch einen Beirat zu bringen. Und ein solches Spannungsverhältnis ist nur echt, wenn Beiratsmitglieder, die ebenfalls das Museum wollen, auch Rechte haben." (Ihre Mail vom 05.09.)


Ihr Wort in des Sammlers Ohr. Irgendwie kriegt es schon irgendwer hin.


Ein Beispiel: ein Museum besitzt eine Maschine/ein Schiff/eine Kanone etc. Es will damit “Geschichte vermenschlichen”, “den Menschen mit seinen Maschinen”; zeigen. Also schickt es ein ganzes Team von engagierten und hochbezahlten HistorikerInnen los, um Zeitzeugen zu suchen, zu interviewen, abzulichten. Es trägt in minutiöser Arbeit Lebensläufe zusammen und gestaltet den Museumsraum nach allen wissenschaftlichen Kriterien.


Der "Mensch" ist im "Schiffahrtmuseum" abwesend. Die Sammlung zeigt die Geschichte der "großen Männer", des Kaisers, Kurfürsten, Kanzlers, Marschalls, Admirals, Kommandanten - mehr nicht.


Wer soll denn die "Vermenschlichung" der Sammlung hinkriegen? Der Beirat? Nein, weil die Mitglieder mit ihren eigenen Museen die Hände voll zu tun haben. Der Sammler oder die MitarbeiterInnen? Nein, denn sie besitzen weder den nötigen Sinn noch den Willen hierfür. Es fehlt also eine ganze Menge von Stellen für jahrelange Forschungsarbeit, um aus dem riesigen Sammelsurium ein veritables Museum des 21. Jahrhunderts zu machen. Selbst wenn Peter Tamm zulassen würde, dass auch andere mitreden können, wer soll denn einen neuen Mitarbeiterstab bezahlen?


"Tatsächlich war ich am Tag der Grundsteinlegung in ziemlicher Eile, weswegen ich sofort nach den offiziellen Reden auch die Versammlung verlassen habe... Wer aber mit mir diskutieren will, der findet leicht meine Adresse. ... Ich muss allerdings zugeben, dass mein Eindruck darauf hinauslief, dass es nicht in erster Linie um Diskussion ging, sondern um eine Art Kleintribunal vor Gleichgesinnten." (Ihre letzte Mail)


Die Demonstranten waren GEW-Mitglieder, Angehörige des Hamburger Forums für Völkerverständigung und Weltweite Abrüstung, KünstlerkollegInnen und einzelne besorgte BürgerInnen. Während sich drinnen gleichgesinnte Politiker mit Herrn Tamm das kommende Museum feierten, drückten draußen die gleichgesinnten Demonstranten ihre berechtigte Sorgen aus. Wenn Sie die Demo als “;Kleintribunal”; bezeichnen, welchen Namen finden Sie denn für unsere KiP-Aktion?


Eine Grundsteinlegung ist eine höchst rituelle Handlung und beschreibt ein gemeinsames Interesse. Ich frage Sie, inwieweit die restliche Skepsis, die sich noch 2004 in der Stimmenenthaltung Ihrer Partei in der Bürgerschaft äußerte und auch in Ihrer Ansage, dass Sie sich zwar das Museum wünschen, aber nicht die autokratische Stellung von Herrn Tamm, jetzt einem Einverständnis auch zum letzten Punkt gewichen ist?


Natürlich erreicht man Sie auch so. Im Gegensatz etwa zu Herrn Sarrazin, ebenfalls GAL, der für die KiP-Aktion untergetaucht ist [Später dann doch noch auftauchte.Anm. der Redaktion].

Aber wenn wir schon beim Ritual sind: so harmonisch die Feier im Kaispeicher B auch war, so hätte es genauso eine stark symbolische Bedeutung gehabt, hätten Sie kurz angehalten. Viele BürgerInnen denken nämlich, dass die GAL heute die einzige Partei ist, die Antimilitarismus noch im Programm hat - trotz der Befürwortung der Jugoslawien-Einsätze. Das schafft einen Sympathiebonus für viele Wähler. Oder stimmt der Sachverhalt nicht mehr? Joschka Fischer zumindest zeigt sich dieser Tage richtig enttäuscht, dass die UN und das Treffen der Staatschefs die weltweite Abrüstung nicht wollen.


Zu Möwes Buch schreiben Sie in Ihrer Mail vom 05.09.05:


"Im wesentlichen handelt es sich um den Versuch, die Motive von Herrn Tamm als ultranationalistisch und kryptofaschistisch zu entlarven."


Die Sammlung, die ich ja mit eigenen Augen gesehen habe, ist schlimmer als die Analyse im Buch. Die Diskussion beginnt erst. Es ist Kritik aus unterschiedlichen Richtungen zu erwarten. Ich unterstelle einfach mal, dass es gute Gründe vonseiten der Politik gab, für die doch ungewöhnlich zügige Beschlussfassung und den unmittelbaren Geldtransfer in Richtung Tamm. Es funktioniert trotzdem nicht, die Bürger einfach zu überrumpeln und vor vollendete Tatsachen zu stellen und weder Informationen über die bestehende Sammlung noch über die geplante Museumskonzeption zu veröffentlichen.


Wenn der Sammler in seinem 'stillen Kämmerlein' an der Elbchaussee 277 sammeln will, kann man das in Frage stellen. Wenn seine Sammlung in einem öffentlichen, von der Stadt geförderten Museum auftaucht, darf die öffentlichkeit auch unbequeme Fragen stellen. Als wir das Haus besuchten, mochte der 'Museumsführer' solche Fragen jedenfalls nicht und auch nicht, dass kritische Menschen die Sammlung besichtigen. Dass die öffentliche Zurschaustellung in der Hafencity aus unseren Geldern finanziert wird, und wir deshalb das Recht haben, uns diese unter die Lupe zu nehmen, ließ er als Argument nicht gelten.



EINLEITUNG ZUM FRAGENKOMPLEX 08


Wir 121 KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen haben uns die Mühe gemacht, verantwortungsvolle Patenschaften für 121 Bürgerschaftsabgeordnete zu übernehmen, weil wir der Meinung sind, dass diese nicht gut informiert waren, als sie für das Tamm-Museum abstimmten bzw. sich der Stimme enthielten. Wie wir jetzt feststellen mussten, haben viele PolitikerInnen weder die Sammlung besucht noch hatten sie genug Informationen, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Gerne delegiert man heute nämlich an die "Experten" der Fachausschüsse.


Dann gibt es noch diejenigen, die auf Anfragen - auch auf mehrere - nicht antworten. Und solche, die an eine zentrale Antwortstelle delegieren. Und weitere, die sich rüde verhalten. Hier Bürgerkontakt gleich null. Das finde ich besonders traurig und fragwürdig.


Sie haben sich bereit erklärt, mit mir zu kommunizieren. Das finde ich gut. Und auch ich habe mir die entsprechende Zeit genommen.


Leider haben Sie sich nicht auf die Bildebene begeben wollen, weil Sie eine Reiz-Reaktions-Abfolge befürchteten. Daher haben Sie auch nicht auf die Fragen geantwortet, die ich als Bildunterschriften formuliert habe. Aber Sie werden sicherlich festgestellt haben, dass eine Frage-Antwort-Abfolge in textlicher Form genauso auf Reiz und Reaktion abspielt.


Es ist schwierig, über eine Sammlung, über die Exponate schriftlich zu kommunizieren, weil diese zum größten Teil nur visuell rezipierbar ist. So klingen denn auch viele Ihrer Antworten standardisiert - wie eben ein Berufspolitiker so redet. Zum Kern der Sache - die Inhalte, die Herr Tamm vermittelt - sind wir über unsere Text-Mails nicht durchgedrungen.


Ich als Künstlerin bin der Meinung, dass Kommunikation über Bilder neue Türen öffnet zu neuen Wahrnehmungen. Leider haben Sie die Chance nicht wahrgenommen. Aber es ist noch nicht zu spät. Ich lade Sie nach wie vor ein, zu den Bildern Stellung zu nehmen.



Nun zum FRAGENKOMPLEX 08


  • Haben Sie während unseres Gesprächs neue Erkenntnisse gewonnen?

  • Ist es mir gelungen, Ihnen Sachverhalte zu verdeutlichen, die Sie noch nicht kannten? Welche?

  • Wenn ja, hat sich irgendetwas in Ihrer Meinung zum Tamm-Museum geändert?

  • Möchten Sie noch zum einen oder anderen der neun Bilder ein Kommentar abzugeben?

  • Wollen Sie das Tamm-Museum befürworten, auch wenn Herr Tamm das alleinige Sagen hat?

  • Wollen Sie das Tamm-Museum befürworten, wenn ein Beirat bestellt ist?

  • Wollen Sie das Tamm-Museum befürworten, selbst wenn sich herausstellt, dass der Beirat es nicht schafft, die Riesensammlung aus eigenen Kräften zu einem Museum des 21. Jahrhunderts zu modernisieren?

  • Ist Ihre Partei Ihrer Meinung?

  • Können GAL und KiP konkret zusammenarbeiten?



19.09.2005


ANTWORT AUF KiP-FRAGENKOMPLEX 08


Einige kurze Bemerkungen zu Ihren Vorbemerkungen auch von mir vorweg:

Meine Formulierung zu den Kürzungen bei der Filmförderung und bei den Bücherhallen bezog sich darauf, dass nur in diesen beiden Fällen es zu einer Kürzung des Kulturhaushaltes gekommen ist, die vom Parlament in den Haushaltsberatungen beschlossen werden mußte (und mit den Stimmen der CDU auch beschlossen wurde). Bei der Kürzung der individuellen Projektförderung zugunsten der Atelierförderung handelt es sich um Veränderungen innerhalb des beschlossenen Haushaltsrahmens. Damit mußte der Senat die Bürgerschaft nicht befassen und hat es meiner Erinnerung nach auch nicht getan.


Alsdann: Ich habe nicht die Demonstration als ein Tribunal bezeichnet. Ich bin entschiedener Anhänger des Demonstrationsrechtes. Ich habe aber mehrfach die Erfahrung gemacht, dass wenn man mit einer Demonstration diskutieren will, sich daraus leicht eine Art Kleintribunal für Politiker mit anderer Meinung entwickelt. Auch davor scheue ich mich nicht, konnte mir dazu in der damaligen Situation nicht die Zeit nehmen.


Nun zu Ihren Fragen Nr. 08:


Neue Erkenntnisse über die Sammlung Tamm und über das Museumsprojekt habe ich nicht gewonnen, wohl aber neue Wahrnehmungen und Erkenntnisse über die Besorgnisse bei Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen.


Die Sachverhalte, die Ihre Besorgnisse motivieren, waren mir durchweg bekannt. Ich hatte das Buch von Möwe vorher gelesen und war insoweit orientiert.

Meine Meinung zum Tamm-Museum hat sich im Grundsatz nicht geändert. Ich bin der Meinung, dass sich aus dieser Sammlung ein hervorragendes Museum gestalten läßt. Aber ich bin nicht sicher, dass das geschieht. Insoweit teile ich Ihre Besorgnisse. Als probates Mittel, um die Gestaltung eines Museums an die aktuelle wissenschaftliche und kritische Diskussion anzuschließen, betrachte ich einen wissenschaftlichen Beirat. Dabei ist mir klar, dass ein solcher Beirat nicht die konkrete Arbeit der Museumseinrichtung leisten kann. Das wird in diesem Fall wie in anderen Fällen wohl auch als Auftrag an professionelle Ausstellungsmacher vergeben.


So viel Arbeitsaufwand wie während der Einrichtungsphase nötig ist, kann sich kein Museum dauerhaft für den Betrieb leisten. Da die Tamm-Stiftung sich geweigert hat, durch einen unabhängigen wissenschaftlichen Beirat eine Art Verfahrensgarantie zu schaffen für eine angemessene wissenschaftliche Konzeption des Museums und sein Geschichtsbild, kann ich das Museumsprojekt aktuell nicht unterstützen und habe das auch immer zum Ausdruck gebracht. Natürlich kann ich aber nicht ausschließen, dass die Museumsmacher am Ende alle unsere Besorgnisse als unbegründet erweisen, indem sie ein Museum präsentieren wie man es sich nur wünschen kann. Dann würde ich natürlich nicht aus Prinzip dagegen sein, sondern mich über eine Bereicherung der Hamburger Museumslandschaft freuen.


Tritt das Gegenteil ein, werde ich gegen das Museum sein. Ich habe meine Meinung zu dem Museumsprojekt in der GAL-Fraktion immer so vertreten wie jetzt Ihnen gegenüber. Die Abstimmung darüber war in der letzten Legislaturperiode. Damals haben die Mitglieder der Fraktion meine Haltung einhellig unterstützt und auch ebenso abgestimmt. Seitdem ist neu gewählt worden. Unsere jetzige Fraktion ist größer und verändert zusammengesetzt. Die neue Fraktion ist mit der Frage des Museums nicht wieder befaßt worden, weil die Bürgerschaft nichts mehr zu sagen hat nachdem der Beschluß gefaßt und das Geld geflossen ist. Ich denke allerdings, dass wir uns im Kulturausschuss über die Fortentwicklung der Konzeption berichten lassen werden. Das ist auch schon zugesagt worden. Einfluss nehmen können aber auch wir dabei nur auf die öffentliche Meinung, wie Sie als Künstlerinnen und Künstler ja ebenfalls tun. Und ich bin sicher, dass die Museumsmacher diese öffentlichen Diskussionen auch genau verfolgen. Ja, welche Zusammenarbeit zwischen KiP Aktiven und GAL kann es geben? Wenn ich recht unterrichtet bin, sind noch einige Gespräche verabredet. Das war während des Wahlkampfs sicher etwas eng. Und ich bitte auch um Verständnis, wenn nicht alle Abgeordneten sich dafür zur Verfügung stellen. Jeder von uns hat Mühe, sich durch die Vielzahl von Drucksachen; Zuschriften, Besuchen und Terminen zu kämpfen, die im eigenen Politikfeld anfallen. Da ist eine gewisse Arbeitsteilung nötig. Hinsichtlich der Bild-Kommentierungen möchte ich bei meiner Haltung bleiben. Ich bedanke mich sehr für Ihre Mühe und hoffe, dass ich Ihnen meine Gründe einigermaßen verständlich machen konnte - auch bei unterschiedlicher Meinung in der Sache.



20.09.2005


KiP-ADDENDUM

Vielen Dank für das Gespräch.


 


Ich kann es mir doch nicht verkneifen, noch einiges, worüber Sie schrieben, weiter zu kommentieren bzw. sogar noch neue Fragen zu stellen. Doch bevor ich es tue, möchte ich Sie bitten um Ihr Einverständnis, Ihre Antworten auf der KiP-Webseite, die im Entstehen ist, zu veröffentllichen. D'accord?


Sie schreiben, dass es notwendig sei, einen professionellen Ausstellungsmacher zu beauftragen, weil es zu befürchten ist, dass der Beirat versagen wird vor so viel autokratischer Haltung des Herrn Tamm.


- Wer soll diesen professionellen Ausstellungsmacher bezahlen? Die Stadt?

Also noch mehr Kosten? Herr Tamm? Es sieht ja nicht danach aus.


- Professionelle Ausstellungsmacher, die ein Museum beschäftigt, sind selten Historiker. Sie kümmern sich wohl um Zusammenhänge, aber eher in gestalterischer Hinsicht. Soweit meine Museumserfahrung reicht, glaube ich keinesfalls, dass ein einziger Ausstellungsmacher sich durch die riesige Sammlung hindurch arbeiten kann. Und wie gesagt: es fehlt dort grundsätzlich an den Fragestellungen, die ein modernes Museum ausmachen: die Geschichte von unten, die Geschichte der einfachen Matrosen, der Opfer des Seekriegs, der Kolonisierten, der Zivilisten, der Hafenarbeiter u.a.


- Sie schreiben, dass Sie gegen das Museum sein werden, wenn das konzeptlose Konzept so bleibt, wie es ist.

Finden Sie es nicht etwas spät?


Warum haben Sie und alle anderen Bürgerschaftsabgeordneten solch unvorteilhaften Verträge machen können?


War es dilettantisch? Warum ist nicht einer aufgestanden und hat gesagt, dass die Stadt solche vertraglichen Bedingungen nicht akzeptieren kann, zumal es ja um Steuergelder geht?


War es die Angst, Herr Tamm könnte eine andere Stadt bevorzugen? (wie es in der fatalistisch-devoten Haltung von Burkhard Müller-Sönksen, FDP zum Ausdruck kommt (Bürgerschaftsdebatte 28.2.2004): "Ich glaube nicht, ... dass der Stifter Tamm stiften geht aus Hamburg, sonst hätte er sich nicht die Mühe mit dem Senat gemacht, so lange und intensiv darum zu verhandeln. Ich glaube auch, dass wir diese Sorge nicht haben müssen, obwohl Sie natürlich prinzipiell Recht haben. Aber das kann man auch noch anders regeln, außer dass wir das jetzt hier in der Bürgerschaft dem Senat vorgeben. Ich glaube, die Botschaft ist angekommen, und ich habe da in der Tat keine Sorge."


"Hinsichtlich der Bild-Kommentierungen möchte ich bei meiner Haltung bleiben." Finden Sie nicht, dass die Wahlplakate Ihrer Partei auch eine starke Reiz-Reaktions-Abfolge hervorrufen? Mir als Bürgerin werden diese ja auch allgegenwärtig zugemutet.



21.09.2005

ANTWORT AUF KiP-ADDENDUM


Ja, Sie können meine Antworten gerne auf der KiP-Webseite veröffentlichen.


Was die Frage der professionellen Ausstellungsmacher angeht, so weiß ich, dass die Museums-Stiftung die verschiedenen thematischen Etagen ausgeschrieben und wohl auch schon Aufträge dafür vergeben hat. Ich kenne aber die Ergebnisse noch nicht und nehme an, dass wir im Laufe dieses Jahres noch im Kulturausschuss darüber unterrichtet werden. Die Kosten dafür werden nicht zusätzlich von der Stadt übernommen, sondern müssen von der Museums-Stiftung entweder aus den 30 Mio.Zuschuss der Stadt für die Baukosten oder aus sonstigen Stiftungsmitteln aufgebracht werden.


Mrein bzw. unser Abstimmungsverhalten habe ich schon mehrfach erläutert:

Ich möchte die Sammlung für die Stadt erhalten und dass daraus ein interessantes und lehrreiches öffentliches Schiffahrts- und Meeresmuseum entwickelt wird. Ich lehne also - anders als Sie - nicht schon die Sammlung ab. Ich wünschte mir aber eine andere Konstruktion der Zuständigkeiten dafür. Ob das anders und besser durch die Stadt hätte verhandelt werden können, weiß ich nicht genau, weil diese Verhandlungen nicht von den Abgeordneten, sondern vom Senat geführt worden sind. Meine überzeugung ist, dass ein für die Stadt besseres Ergebnis hätte erzielt werden können. Aber beweisen kann ich es nicht und zudem ist es Schnee von gestern.

Mit den Wahlplakaten haben Sie recht: Da wird auf eine Raktion der Wählerpopulation gehofft. Aber keine Wählerin und kein Wähler sind verpflichtet, diese Produkte öffentlich zu kommentieren.



21.09.2005

KiP-ADDENDUM 2


Zitat aus Ihrer Mail:

"Mein bzw. unser Abstimmungsverhalten habe ich schon mehrfach erläutert: Ich möchte die Sammlung für die Stadt erhalten und dass daraus ein interessantes und lehrreiches öffentliches Schiffahrts- und Meeresmuseum entwickelt wird. Ich lehne also - anders als Sie - nicht schon die Sammlung ab. Ich wünschte mir aber eine andere Konstruktion der Zuständigkeiten dafür. Ob das anders und besser durch die Stadt hätte verhandelt werden können, weiß ich nicht genau, weil diese Verhandlungen nicht von den Abgeordneten, sondern vom Senat geführt worden sind. Meine überzeugung ist, dass ein für die Stadt besseres Ergebnis hätte erzielt werden können. Aber beweisen kann ich es nicht und zudem ist es Schnee von gestern."


Ich habe nicht gesagt, dass ich die ganze Sammlung in Bausch und Bogen verurteile. Meine Zweifel und meine Besorgnis betrafen immer den Tatbestand, dass es “;ein interessantes und lehrreiches öffentliches Schiffahrts- und Meeresmuseum”; würde zu den uns beiden bekannten Konditionen. Es gibt dort durchaus einzelne interessante Exponate, die - richtig ausgestellt - sogar lehrreich sein könnten. Ich habe aber immer wieder betont, dass ich nicht glaube, dass es die Stiftung mit einem Ausstellungsmacher hinkriegt oder einem - eher abwesenden - Beirat und zudem noch ohne zusätzliche Kosten. Und ein weiterer Kritikpunkt meinerseits war, dass die Entscheidung der Bürgerschaft und des Senats zu servil war, dass zu schlechte Konditionen mit öffentlichen Geldern ausgehandelt wurden, um ein gutes Museum hinzukriegen. Grundsätzlich will ich aber auch die Frage in den Raum stellen dürfen, ob endlose Reihen von (Kriegs-)Schiffsmodellen wirklich der letzte museumspädagogische Kick sind oder ob nicht anhand von richtigen Schiffen mehr aus der Geschichte gelernt werden kann.


Zentral ging es ja in meiner Argumentation auch darum, dass der MENSCH in der Sammlung abwesend ist. Noch einmal: Sie selbst haben das Museum in der Bürgerschaftsdebatte ausdrücklich aus dem Grund befürwortet, weil es auch die Hintergründe der Berufsgruppen, die in der Seefahrt tätig sind, reflektieren sollte. Doch es tut es nicht, und Sie haben mir nicht glaubwürdig dargestellt, dass es möglich ist, diesem Anspruch so auf die Schnelle bis 2007 nachzukommen.

Zitat aus Ihrer Mail: Mit den Wahlplakaten haben Sie recht: Da wird auf eine Raktion der Wählerpopulation gehofft. Aber keine Wählerin und kein Wähler sind verpflichtet, diese Produkte öffentlich zu kommentieren.


Recht haben Sie. Aber wir haben ja festgestellt, dass auch eine Interview-Situation eine Reiz-Reaktionsabfolge bedeutet. Grundsätzlich also die Frage: warum haben Sie Bedenken vor Bilder? Warum meinen Sie, diese würden etwas anderes auslösen als Text?


Haben Sie sich denn zumindest meine Photos und die Bildunterschriften angeschaut? Wenn ja, möchte ich doch noch von Ihnen hören, was Sie dazu meinen, dass der M E N S C H in der Tamm-Sammlung so abwesend ist? Wenn Sie mir diese obige Fragen zu meiner Zufriedenheit beantwortet haben, können wir unser Gespräch beenden. Vorher nicht.

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