Quelle: www.eppendorf-politik.de
Sehr geehrter Herr Wersich,
ich bin etwas ratlos, wie ich weiter mit Ihnen vorgehen soll. Was erhoffe ich mir eigentlich von einem Gespräch mit Ihnen „in Fleisch und Blut“? Worum geht es bei diesem nicht zustande kommenden Kontakt?
Es ging mir bei meiner Anfrage an Sie um das Anstoßen eines Dialogs zwischen zwei Personen, Ihnen und mir, zu dem es normalerweise nicht kommen würde, weil unsere jeweiligen Realitäten fast keine Überschneidungspunkte mehr zu haben scheinen. Trotzdem leben wir in der gleichen Stadt, und immerhin verdankt sich ihr Mandat ja der Grundannahme, dass Sie als Volksvertreter, in einem natürlich sehr abstrakten Sinn, auch mich vertreten.
Betrachte ich Ihre Reaktion, komme ich mir etwas naiv vor, auf solche Urbilder von Demokratie zu pochen. Wahrscheinlich ist es heutzutage auch naiv geworden, gerade von einem Politiker zu erwarten, dass er das Prinzip des Streits um eine Sache und zwar von (gewählter) Einzelperson zu (nicht gewählter) Einzelperson wieder erkennt als ein Prinzip, das viel mit seinem eigenen Beruf zu tun hat.
Ihr Schreiben führt uns wieder weit hinter diesen Ausgangspunkt zurück. Sie verweisen mich auf die Expertenmeinung ihres Parteifreundes Herrn Rusche und hoffen, dass sich meine Bedenken damit zerstreut haben. Dabei sind Sie sich wahrscheinlich auch im Klaren, dass dies nicht der Fall ist. Aber auch das wird Sie nicht sehr belasten, schließlich war das mit dem Gespräch ja nicht Ihre Idee, sondern meine.
Quelle: www.eppendorf-politik.de
Was ich bisher von Ihnen kennenlernen konnte, ist ihre Homepage. Es gibt dort ein Foto von Ihnen, Öffnungszeiten Ihres Büros, sie signalisieren: „Ich bin erreichbar“, „Sprechen Sie mich an“. Ich finde dort nichts in dem Sinne von: „Ich werde Sie an einen geeigneten Experten meiner Fraktion verweisen und hoffe, dass ihre Bedenken damit zerstreut sind.“ Im Gegenteil, es scheint Ihnen wichtig zu sein, gerade Ihr unbürokratisches, undogmatisches Handeln zu betonen. Besonders aufgefallen ist mir dabei ihre Online-Wahlaktion zum Thema „Soll vor Karstadt ein Wochenmarkt stattfinden?“ 30 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage sind dafür, 23 Prozent dagegen.*
Wen diese Frage beschäftigt, der ist also bei Ihnen an der richtigen Adresse gelandet, dennoch denke ich nicht, dass Sie sich als Experte für die Einführung von Wochenmärkten vor Einkaufszentren verstehen würden. Es geht wohl mehr darum, dass kein Bürgerproblem so unbedeutend ist, dass es nicht ihre Aufmerksamkeit verdiente. Oder wollen Sie vielleicht sogar damit ausdrücken, dass der Bürger alle für ihn wichtigen Belange direkt, gewissermaßen auf Knopfdruck selbst entscheiden kann, dass er wirklichen Einfluss auf (Ihre) Politik hat?
Nicht erst seit ihrem Brief stellt sich für mich die Sachlage doch anders da. Ich habe eher starke Zweifel daran, ob Sie als Bürgerschaftsabgeordneter immer nach Ihrem persönlichen Gewissen abstimmen. Stattdessen sehe ich Fraktionszwang, Beeinflussung von außen, Absprachen der Fraktionen untereinander. Aber auch dies ist natürlich schon zum Allgemeinplatz geworden. Vielleicht kann man sogar vermuten, dass Ihre Online-Aktion eine mediale Schadensbegrenzung an diesem stark ramponierten Abgeordnetenbild darstellen soll? Was meinen Sie: Würden Sie sich überzeugen lassen, wenn ich auf der Internetseite unserer Aktion www.tamm-tamm.info eine Online-Abstimmung durchführte zum Thema „Braucht Hamburg das Tamm-Museum in seiner geplanten Form?“ und die Abstimmung ein „Nein“ ergäbe?
Quelle: www.eppendorf-politik.de
Worauf ich hinaus will, ist, dass es hier an vielen Stellen um das Verhältnis von Demokratie und Glaubwürdigkeit geht: Eine Aktion wie ihre Karstadt-Wochenmarkt-Abstimmung verliert an Glaubwürdigkeit, wenn Sie andererseits auf konkrete Gesprächsangebote und -bedarf hin nur mit dem Verweis auf Fraktionsmeinung und Expertentum reagieren. Genauso verliert ein umstrittenes Museum noch mehr an Glaubwürdigkeit, wenn es nicht in demokratische Meinungsbildungsprozesse eingebunden ist, sondern gewissermaßen von einem Alleinherrscher regiert wird. Herrn Rusches Meinung dazu, der Sie sich angeschlossen haben, steht meine gegenüber, in einer Online-Abstimmung stünde es 1 zu 1.
Gerade weil das Thema so komplex erscheint, dass alle Fakten nur ein Experte, wie der von Ihnen bemühte kulturpolitische Sprecher zusammenhalten kann, wollte ich Sie statt dessen auffordern, auf einer Nichtexpertenebene mit mir zusammenzutreffen. Denn die Fakten scheinen je nach Expertenblickwinkel so gar nichts mehr miteinander zu tun zu haben. Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Expertentum eher den Blick verschleiert (auch ein Vorwurf der Ihnen als Politiker nicht ganz neu sein sollte).
Ich denke, wir können auch als Nichtexperten eine Meinung dazu haben, welche Bedeutung die Institution des Museums innerhalb einer Öffentlichkeit besitzt, was ein Museum zu einem Museum macht und was nicht ausreichend ist. Ich erwarte als Nichtexperte von einem historischen Museum, dass es Geschichte als Dialog öffnet, als sich wandelnden Blick auf Exponate, als Ergebnis von Diskussion und Meinungsbildung. Was dafür notwendig ist, ist eine Struktur, die Entscheidungen transparent macht, die aus demokratischen Prozessen entsteht, anstatt nur auf die Arroganz der Macht oder der Mehrheit, zu verweisen. Momentan, in seiner bisher geplanten Form, stellt das Museum meiner Meinung nach ein Beispiel für den Verfall einer Gesprächs- und Streitkultur, eigentlich des politischen, demokratischen Funktionierens von Kultur dar.
Quelle: www.eppendorf-politik.de
Am 18.10.2005 wurde in der WELT Herr Tamms Aussage zitiert (und zwar unkommentiert), dass die Kritik am geplanten Museum meist ja leider anonym vorgebracht werde. Nun ist bei aller möglicher Kritik ein unbestreitbarer Kernpunkt unserer Aktion, dass sich 121 Personen gerade namentlich gegen die Museumspläne stellen, dies wird jedoch genau ins Gegenteil verkehrt. Ein solcher Diskurs verweist nicht mehr auf verhandel- und überprüfbare Fakten, die Gegenstand eines Streits geworden sind, sondern nur noch auf die Definitionsgewalt desjenigen, der am Drücker sitzt, sei es nun der Verlag Springer mit seinem ehemaligen Geschäftsführer Tamm oder in ähnlicher Weise die Hamburger Bürgerschaft in ihrer Beschlussfassung ohne Gegenstimmen. Was nicht ins Bild passt, wird einfach weggedacht.
Wie gesagt, ich weiß nicht, was ich mit Ihnen anfangen soll, ob ich Ihnen wirklich noch ein Treffen vorschlagen soll, oder ob diese Situation der Sprachlosigkeit nicht vielleicht als Statement zum Projekt Tamm-Museum für Hamburg ausreicht. Vielleicht habe ich Sie aber doch mit diesem Schreiben aus der Reserve gelockt.
In diesem Fall wäre ich immer noch sehr an einem weiteren Dialog interessiert.
Mit freundlichen Grüßen, Jo Zahn
* P.S.: Das Schreiben dieses Briefes hat sich so lange hingezogen, dass sich inzwischen das Thema ihrer Umfrage verändert hat. Jetzt fragen Sie nach Radfahrern in Parks. Wird es nun einen Wochenmarkt vor Karstadt geben? Ich werde den Brief an Sie so lassen, wie er ist, auch wenn die Fragestellung schon überholt ist. Vielleicht macht es das sogar einfacher, sich die Frage noch einmal unabhängig von ihrem Inhalt anzuschauen und zu überlegen, worum es dabei eigentlich gehen könnte.
Sehr geehrter Herr Zahn,
vielen Dank für Ihr Interesse bezüglich des Tamm-Museum. Unser kulturpolitischer Sprecher, Herr Dietrich Rusche, hat ein Antwortschreiben am 16. September Ihrer Initiative zugeleitet. Darin wird zum Einen erläutert, warum nicht jeder einzelne von uns antwortet und zum Anderen inhaltlich sehr ausführlich Stellung bezogen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen das Schreiben zur Verfügung gestellt wurde / wird. Ich unterstütze die Ausführungen von Herrn Rusche, war in der letzten Legilatur allerdings noch nicht Mitglied der Bürgerschaft - bin es zwar heute, aber nicht im Kulturausschuss tätig.
Ich hoffe, dass Ihre Sorgen zerstreut werden konnten und verbleibe, mit freundlichem Gruß Ihr
Ekkehart Wersich
MdHB, CDU-Fraktion
Sehr geehrter Herr Wersich,
Vielleicht haben sie schon von der Aktion „Künstler informieren Politiker“ im Zusammenhang mit dem geplanten „Internationalen Schiffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm, Hamburg“ gehört. Die Idee der Aktion ist, einen Dialog und eine Diskussion zwischen Kulturschaffenden dieser Stadt und den Bürgerschaftsabgeordneten über die Errichtung oben genannten Museums in Gang zu setzen. Jeweils ein Künstler wurde einem Abgeordneten per Zufall zugeteilt, da mein Los auf Sie fiel, melde ich mich nun bei Ihnen und hoffe, dass wir zu einem Gespräch zusammenkommen können. Ich selbst bin Künstler und Filmemacher und lebe seit 1997 in Hamburg.
Bei der Betrachten des Vorgehens der Hamburger Bügerschaft im Zusammenhang mit dem Aufbau dieses Museums stellen sich mir viele gravierende Fragen und ich wundere mich doch, dass diese und ähnliche nicht Gegenstand von Diskussion in der Bürgerschaft waren, sondern stattdessen ein einstimmiger Beschluß gefasst wurde. Wie ich aus Ihrer Homepage entnehme sind Sie erst kurz nach der Abstimmung über das Museum Mitglied der Hamburger Bürgerschaft geworden. Sicherlich haben Sie aber trotzdem eine Position dazu, über die ich mich gerne von Ihnen informieren lassen würde.
Ich würde mich mit Ihnen gerne vor allem über ein Detail der gesamten Angelegenheit unterhalten, nämlich die Satzung der „Peter Tamm sen. Stiftung“, der Trägerin des geplanten Museums. Der Senat hat nach dieser Satzung keine rechtliche Handhabe Entscheidungen inhaltlicher Art bezüglich des Museums zu treffen oder getroffene Entscheidungen zu revidieren, wenn dies nicht im Sinne Herrn Tamms ist, (§8: „Solange der Stifter dem Vorstand angehört, entscheidet seine Stimme“, §9: „Solange Prof. Peter Tamm dem Vorstand angehört ist die Berufung eines Kuratoriums fakultativ“.) Dabei beziehe ich mich allein auf öffentlich zugängliche Unterlagen der Bürgerschaft, v.a. der Satzung der neu gegründeten Peter Tamm sen. Stiftung. (Mitteilung des Senats #1F296 Drucksache 17/3986 vom 6.1.04), die ich als PDF-Dokument an dieses Schreiben anhänge.
In einer Zeit der massivsten Kürzungen von Kulturförderung durch den Senat finde ich es doch sehr befremdlich, dass Millionen an Fördergeldern in eine nicht demokratisch kontrollierbare Institution fließen sollen. Daß dies dann aber ausgerechnet bei einer Sammlung geschieht, die sowohl bezüglich ihrer Wissenschaftlichkeit als auch ihrer inhaltlichen Ausrichtung äußerst umstrittenen ist, halte ich für nicht akzeptabel im Sinne einer demokratischen Kulturpolitik. Auch wenn Sie vielleicht die Bedenken an der inhaltlichen Ausrichtung der Sammlung Peter Tamms nicht teilen sollten, gehe ich davon aus, dass Sie, entsprechend dem Wahlspruch ihrer Homepage „ideologische Klientel-politik? nein danke!“ ein Interesse daran haben, diese Sorgen zu zerstreuen. Halten Sie persönlich eine solche demokratische Anbindung eines Museums für notwendig oder überflüssig?
Über einen Gesprächstermin mit Ihnen würde ich mich sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen,
Jo Zahn
P.S.: Es ist ein Reader mit Recherchen zum geplanten Tamm-Museum erschienen, es besteht die Möglichkeit diesen Reader kostenlos im Internet unter http://people.freenet.de/hamburgerforum/aktuelle.htm herunterzuladen. Ich wäre aber auch interessiert an Informationsmaterial über das Museum das Sie mir zukommen lassen könnten, so dass ein Gespräch auf der Grundlage möglichst vieler Fakten /Sachkenntnis stattfinden könnte.
Von: Jo Zahn <jo.zahn@gmx.de> Datum: Do, 1. Dez 2005 17:39:10 Europe/Berlin An: Ekkehart Wersich MdHB <e.wersich@eppendorf-politik.de> Betreff: Re: Tamm-Museum
Sehr geehrter Herr Wersich,
vielen Dank für Ihre Antwort. Mich irritiert, dass Sie zuerst meine Bitte um einen Gesprächstermin ignorieren, und mir jetzt vorwerfen, dass ich nicht einfach ohne Einladung in Ihre Sprechstunde gekommen bin. Um mit der wechselseitigen Rechthaberei aufzuhören: Ich würde sehr gerne in Ihre Sprechstunde kommen, allerdings möchte ich immer noch über das von mir vorgeschlagene Thema "Tamm-Museum" sprechen. Wenn sich daraus andere Themen ergeben, die mehr mit Ihrem Schwerpunkt zu tun haben, würde mich das auch sehr interessieren. Ich wende mich mit meiner Anfrage nicht an Sie als Privatperson, sondern als Mitglied und Vertreter der Hamburger Bürgerschaft. Daher betrachte ich Sie auch als Ansprechpartner für Vorgänge, die vor Ihrer Zeit als Abgeordneter beschlossen wurden, die aber momentan im Namen der Bürgerschaft umgesetzt werden. Ich möchte nicht ohne Ihr Einverständnis in Ihre Sprechstunde kommen und bitte Sie daher noch einmal um einen Terminvorschlag. Mit freundlichen Grüßen, Jo Zahn
Am Freitag, 18.11.05, um 15:26 Uhr (Europe/Berlin) schrieb Ekkehart Wersich MdHB:
Sehr geehrter Herr Zahn,
Ihr erneutes Schreiben zeugt von einer gewissen Kreativität.
Sie bemängeln einerseits Gesprächsbedarf (persönliches Treffen) andererseits haben Sie es in den letzten 2 Monaten nicht in eine der Sprechstunden meines Büros geschafft (und das bei "kundenfreundlichen" Öffnungszeiten). Da stellt sich - und da gebe ich Ihnen völlig Recht - die Frage, was wollen wir eigentlich besprechen - was wollen Sie überhaupt von mir?
Sie zweifeln eine Beschlusslage aus der letzten Legislatur an ("Arroganz" , "Macht" von Mehrheiten), einer Entscheidung, an der ich nicht beteiligt war. Hierüber gibt es zwischen uns über das bereits ausgetauschte wohl auch nichts weiter zu besprechen. Was hat mein Abstimmungsverhalten ("Fraktionszwang", Beeinflussung von außen" usw) mit Ihrem Anliegen zu tun?
Das Eppendorfer Bürgerbüro steht den Menschen mit den Themen aus dem Stadtteil zur Verfügung und wird auch dementsprechend genutzt. Diesen Eindruck haben Sie wohl auch von meiner homepage gewonnen. Kein Eppendorfer hat sich bisher in Bezug auf das Tamm-Museum bei mir gemeldet. Und auch diesem würde ich keine andersweitige Auskunft > geben.
Ihre Vorstellungen von Demokratie, Alleinherrschern etc. ist für mich etwas abenteuerlich und deckt sich nicht mit meinen Überzeugungen (aber das ist Ihnen ja sowieso schon klar, wie ich Ihrem Schreiben entnehme).
Ich persönlich wende mich mit meinem Wissendrang gerne als "Nichtexperte" an "Experten".
Als "Feierabend-Parlamentarier" ist es mir übrigens nicht möglich, thematisch alle Politikfelder abzudecken, geschweige denn alle angebotenen Termine außerhalb der parlamentarischen Arbeit wahrzunehmen. Vielleicht treffen wir uns ja mal im Rahmen einer meiner Themenschwerpunkte?
Mit freundlichem Gruß Ihr
Ekkehart Wersich, MdHB CDU-Fraktion
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