TAMM TAMM

Künstler informieren Politiker

Peters, Sibylle

21.September 2005

Sehr geehrter Herr Kienscherf,

leider haben wir auf unser Schreiben von vor 11 Tagen bisher keine Antwort erhalten.
Sollen wir daraus schließen, dass Ihr Informationsbedarf zur Sammlung Peter Tamm gedeckt ist?
Oder haben die Bundestagswahlen den Terminkalender blockiert?
Anbei senden wir Ihnen einen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung von vergangener Woche, der Ihnen noch einmal bestätigen wird, dass das beschriebene Problem durchaus dringlich ist. Wir bitten daher noch einmal um einen Gesprächstermin.

mit freundlichen Grüßen
Sibylle Peters und Matthias Anton

Hymnen auf die Kriegsmarine?

In Hamburg mehren sich die Stimmen, die vor der Installation des von Peter Tamm gestifteten, privat betriebenen "Internationalen Schifffahrtsmuseums" in der Hafen-City warnen

In Hamburgs zweitgrößtem Museum lassen sich grinsende Glatzen vor dem hakenkreuzverzierten Marschall-Stab von Großadmiral Dönitz fotografieren, sie bestaunen die NS-Orden der Legion Condor in modernen Schauvitrinen und fachsimpeln vor dem riesigen Modell der "Graf Zeppelin", ob Nazi-Deutschland wohl den Krieg gewonnen hätte, wäre dieser Flugzeugträger fertig gebaut worden. Eine unvorstellbare Szene? Unter Hamburgs Kultur- und Museumsleuten regt sich gerade lautstark die Befürchtung, dass genau das passieren wird, wenn Peter Tamm – aus dessen riesiger maritimer Sammlung diese Exponate stammen – im Jahr 2007 sein Internationales Schifffahrtsmuseum in der Hafen-City eröffnet. In einer großen Initiative von Künstlern und Kuratoren sollen die Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten, die das Museum 2004 beschlossen haben, nun in Einzelgesprächen von der drohenden Gefahr eines kriegsverherrlichenden "Museums" unterrichtet werden.

Ausgelöst wurde die aktuelle Aufregung durch eine GEW-finanzierte Studie mit dem Titel "Tamm-Tamm". Der zentrale Vorwurf dieser Untersuchung lautet, dass Tamm, der langjährige Vorstand des Axel-Springer-Verlags, rechtsnationaler Gesinnung sei, eine militaristische Ausstellungspolitik betreibe und in seiner Begeisterung für Schiffsmodelle, Uniformen, Orden und Waffen die Verbrechen von Krieg, Kolonialismus, NS-Regime und Sklaverei ignoriere.

Leuchtturm am Hafen

Würden diese Vorwürfe stimmen, wäre das ein enormes Politikum, denn das neue Museum wird zwar privat von Tamm geführt, entsteht aber nur Dank einer 30-Millionen-Euro-Unterstützung der Stadt, die Tamm zudem einen historischen Kaispeicher für 99 Jahre mietfrei zur Verfügung stellt. Sollte dieses zweite Leuchtturm-Projekt für die Hafen-City neben der Elbphilharmonie nun eine Pilgerstätte für Skins und Militaria-Sammler werden, wäre das ein Desaster nicht nur für das Projekt selbst, sondern für die ganze Hafen-City-Entwicklung.

Was ist also dran an den Vorwürfen? Die Studie, die unter dem Pseudonym Friedrich Möwe vom "Informationskreis Rüstungsgeschäfte" veröffentlicht wurde, trägt akribisch historisches und kritisches Material zu einigen Exponaten der Sammlung, ihrer kommentarlosen Präsentation in dem Schaulager, in dem sie jetzt untergebracht sind, und der Biografie Tamms zusammen. Leider schwächt sie ihre Aussage durch eine Unzahl unterstellender Vermutungen sowie das Versäumnis, Tamms Stellungnahme einzuholen. Dennoch müssen auch wissenschaftliche Beobachter zugeben, dass die Schlussfolgerungen nicht ganz von der Hand zu weisen sind.

Gisela Jaacks, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte und in dieser Funktion in einem informellen Beirat für das Tamm-Museum vertreten, sagt: Die Angst vor kriegsverherrlichenden Tendenzen ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn der Anteil der Exponate der Kriegsmarine ist in Herrn Tamms Sammlung riesig. Diesen Schwerpunkt muss man zurückfahren und in den entsprechenden geschichtlichen Kontext stellen." Zwar besitzt Tamm zig-tausende Exponate aus allen Bereichen der Schifffahrtsgeschichte, von seinem wissenschaftlich bedeutenden Archiv mit 110000 Büchern, 50000 Originalbauplänen und 1,5 Millionen Fotos ganz zu schweigen. Aber dennoch hinterlässt beim Besuch in seinem "Wissenschaftlichen Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte" an der Elbchaussee der militärische Komplex den prägnantesten Eindruck.

Im Garten des ehemaligen Nobelhotels ragen Kanonenrohre phallisch in den Himmel, daneben liegen Torpedos und Mini-U-Boote im Kies. Säleweise Waffen, Uniformen, Kriegsschiffmodelle, Orden und Gemälde, sowie Sonderkojen für NS-Devotionalien zeugen von dem entfesselten Fetischismus, der jeden manischen Sammler umtreibt, der aber bei Militaria doch einen sehr herben Beigeschmack bekommt.

Verschärfend kommt hinzu, dass das Programm von Tamms Verlag Koehler-Mittler Bücher anpreist, die "ein facettenreiches Bild der deutschen Kolonialherrschaft" mit "Lebensbildern berühmter Kolonialherren" oder "kritische" Analysen für "das Versagen der Deutschen" im Kampf gegen den jugoslawischen Widerstand während des 2. Weltkriegs versprechen. Bekannte Rechtsradikale wie Franz Uhle-Wettler sind hier Autor, die Themen sind seeromantisch oder kriegs- und militärfixiert, und das Urteil von Gisela Jaacks über dieses Unternehmen lautet dann in aller Vorsicht: "Der Verlag Koehler-Mittler hat einen sehr deutlichen Schwerpunkt im Nationalistischen, der von einer demokratischen staatlichen Stelle nicht so ohne weiteres gutgeheißen werden kann."

Verbrechen des Kolonialismus

Tamm selbst, ein generöser älterer Herr mit Zigarre in der Hand, und die Geschäftsführerin der privaten Stiftung, in die Tamm seine Besitztümer einbringt, Russalka Nikolov, streiten die Vorwürfe allerdings kategorisch ab. "Nur ein Irrer kann für Krieg sein", sagt Tamm in grantiger Empörung, und: "Ich habe nicht vor, das Dritte Reich zu verherrlichen, das ist völliger Schwachsinn. Natürlich war das ein Verbrechen, und die Auswirkungen davon haben wir heute noch am Hals." Selbstverständlich würden auch die Rollen von KZ-Häftlingen beim Schiffsbau, die Beteiligung der Flotte am Sklavenhandel oder die Verbrechen des Kolonialismus in adäquater Weise in dem künftigen Museum behandelt werden, erklärt Nikolov.

Tamms wissenschaftlicher Berater für die Museumskonzeption, der Historiker Hermann Schäfer, Präsident des Hauses der Geschichte in Bonn, rät ebenso wie die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck denn auch dazu, Verleger und Sammler, Person und Projekt auseinander zu halten. Er habe hervorragende Exponate in der Sammlung gesehen, so Schäfer, um die Unmenschlichkeit des Sklavenhandels oder die Brutalität des U-Boot-Kriegs darzustellen. Und Karin von Welck, die "im regen Austausch" mit Peter Tamm steht, erklärt: "Hamburg hat größtes Interesse daran, dass das ein vernünftiges Haus wird, ich bin mir sicher, dass wir das auch hinkriegen."

Alles also nur ein Sturm im Wasserglas? Erst, wenn garantiert ist, dass der Sammler mit seiner Obsession einer vernünftigen Museumskonzeption nicht im Wege steht, lassen sich die Zweifel ausräumen. Denn das Problem aller Museen, bei denen der Stifter auch Gründungsdirektor wurde, ist deren strukturelle Unfähigkeit, zwischen privaten Neigungen und öffentlichen Interessen zu unterscheiden. Nur die Trennung von Person und Projekt mit Hilfe von unabhängigem, externem Sachverstand kann dafür sorgen, dass die Leser von Tamms Verlag nicht auch die Besucher seines Museums werden. TILL BRIEGLEB

9.September 2005

Sehr geehrter Herr Kienscherf,

wir sind Sibylle Peters und Matthias Anton, Künstler und Wissenschaftler, die seit vielen Jahren in Hamburg leben und arbeiten. Wir wenden uns heute an Sie in Sachen des geplanten Seefahrtmuseums Peter Tamm, das in der Hafencity entstehen soll. Wie Sie wissen, hat die Stadt Herrn Tamm den Kaispeicher B und 30 Millionen Euro zur Realisierung dieses Projekts zur Verfügung gestellt; die Bürgerschaft hat dies, soweit uns bekannt ist, ohne Gegenstimmen gebilligt.
Nun liegen Informationen vor, die befürchten lassen, dass das geplante Museum dem Ansehen der Stadt großen Schaden zufügen wird. Diese Informationen betreffen insbesondere die unverhohlen militaristische und nationalistische Ausrichtung der Tamm'schen Sammlung, die die Grundlage des geplanten Museums bilden soll. Nicht nur fehlt der Sammlung erkennbar jedes Interesse an einer sozialgeschichtlichen Perspektive auf die Seefahrt, hier wird auch der Krieg als solches und sogar die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands offen verherrlicht. Wie uns bekannt ist, wird aufgrund dessen bereits erwogen, rechtliche Schritte wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen Herrn Tamm einzuleiten.
Für erste Presseberichte sei außerdem auf folgenden Link verwiesen:
http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID1445346,00.html

Als promovierte (bzw. magistrierte) Kulturwissenschaftler haben wir uns im übrigen davon überzeugt, dass dem sogenannten wissenschaftlichen Institut, das die Sammlung Peter Tamm betreut, eine seriöse wissenschaftliche Legitimation und Kompetenz völlig abgeht.
Es hat sich nun ein Kreis von Hamburger Kulturschaffenden gebildet, der es sich zur Aufgabe macht, die öffentliche Diskussion über das beschriebene Problem anzuregen und nach Lösungsansätzen zu suchen. Wie Sie möglicherweise bereits wissen, wird jeder einzelne Bürgerschaftsabgeordnete von einem Mitglied dieses Kreises angeschrieben und um ein Gespräch gebeten; einige dieser Gespräche haben bereits stattgefunden. Dabei geht es uns um die Frage, wie es zu dem Abstimmungsergebnis in Sachen des Tamm-Museums kommen konnte, und welche Maßnahmen die Abgeordneten ergreifen werden, um den befürchteten Schaden von der Stadt abzuwenden?
Wir möchten unsere Anfrage an Sie jedoch auch als ein Angebot verstanden wissen: Haben Sie weiteren Informationsbedarf zum geplanten Museum? Dann sind wir Ihnen gerne behilflich! Gerne übergeben wir Ihnen eine gerade publizierte kritische Studie zur Sammlung Peter Tamm oder bemühen uns um einen Termin zur Besichtigung der Sammlung selbst.

In der Hoffnung, bald von Ihnen zu hören, verbleiben wir mit freundlichen Grüßen

Sibylle Peters und Matthias Anton

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