TAMM TAMM

Künstler informieren Politiker

Wucher, Monika

Alles wird gut

Gespräch zwischen Monika Wucherer und Dr. Mathias Petersen, 31.1.2006.

Dr. Mathias Petersen ist niedergelassener Arzt, seit 1997 SPD-Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft, Vertreter des Bezirks Altona und Mitglied der Ausschüsse Sport und Umwelt; darüber hinaus ist er Landesvorsitzender der Hamburger SPD und gilt als wahrscheinlichster neuer Bürgermeisterkandidat der Partei.
Ich heiße Monika Wucher, bin Kunsthistorikerin und Ethnologin. Zugleich kooperiere ich in zeitgenössischen Kunstprojekten, insbesondere in der Hamburger 'Projektgruppe', einer freien Arbeitsgemeinschaft, die relationale Konzepte und neue Möglichkeiten internationaler künstlerischer Zusammenarbeit entwickelt.  

Gedächtnisprotokoll:
Bis es zu einem Treffen mit dem Abgeordneten Dr. Petersen kam, brauchte es ein gutes Vierteljahr. Seit dem 2. September 2005 regte ich per E-mail und auch telefonisch ein persönliches Gespräch an, worauf seine Referentin meist in größeren Zeitabständen antwortete. Die erste Antwort-Mail vom 20.9.05 (teilweise verfasst im Wortlaut der Mitteilung des Senats vom 6.1.04, Drs. 17/3986) legte mir nahe, mit meinem Anliegen eher an die kulturpolitische Sprecherin der SPD heranzutreten. Die Begegnung mit Herrn Dr. Petersen fand schließlich am 15. Dezember 2005 statt. Seine Referentin hatte mir den Ort für das Treffen mitgeteilt. Interesse an einem Vorschlag meinerseits war nicht spürbar geworden; auch ein neutraler Treffpunkt, etwa ein Café, kam offenbar nicht in Betracht. Ich wurde in die SPD-Zentrale in der Kurt-Schumacher-Alle geladen. Von der Eingangshalle aus leitete mich die Empfangsmitarbeiterin in einen Raum unmittelbar hinter der Pförtnerloge, in dem der Abgeordnete einmal im Monat eine "Bürgersprechstunde" abhält.

Er wartete, bis ich das Gespräch in Gang brachte. Ich begann, ihm sei mein Anliegen sicher von seiner Referentin mitgeteilt worden, es ginge um das geplante Tamm-Museum und darum, dass mich als KiP-Beteiligte vor allem seine persönliche Haltung gegenüber dem Museums-Projekt interessieren würde. Mein Gesprächspartner äußerte sich informiert, wusste über KiP und die bestehenden Künstler-Politiker-Patenschaften Bescheid. Er widersprach auch meiner Vermutung nicht, er zähle zu den Befürwortern des Museums. Im Gegenteil, er referierte in eher trocken protokollarischem Stil, dass er v. a. aufgrund der "HafenCity"-Standortpolitik von vornherein für das Museum gewesen sei.

Daraufhin erkundigte ich mich nach seiner heutigen Meinung, indem ich die in der jüngsten Zeit zunehmend publik gewordenen fragwürdigen Aspekte des Museums-Projekts zur Sprache brachte. Der Abgeordnete zeigte sich von den Kritikpunkten wie dem militaristischen, herrschaftsgeschichtlichen Kern der Tamm-Sammlung und den inakzeptablen vertraglichen Bestimmungen über Inhalt, Form und Leitung des geplanten Museums wenig berührt. Er habe die Tamm-Sammlung an der Elbchaussee bereits zweimal besucht und sei von deren Fülle und Potenzial beeindruckt. Demgegenüber sei ihm die Form der öffentlich geäußerten Kritik eher negativ aufgefallen. Als Beispiel erwähnte er die Museums-Vorstellung im Kaispeicher B, bei der er selbst zugegen war. Durch die Präsenz der Museumsgegner sei die Veranstaltung für Herrn Tamm "der reinste Spießrutenlauf" gewesen. Man müsse sich doch vor Augen führen, dass man hier das Lebenswerk eines alten Mannes angreife, dies sei nicht sehr menschlich … Und überhaupt dieses Motto, fuhr der Abgeordnete fort. (Es dauerte einen Moment, bis ich verstand, dass er auf "Tamm-Tamm" abzielte.) Das müsse einen betagten Herrn, der sein ganzes Leben einer Herzenssache gewidmet habe, zutiefst treffen.

Da somit das Problem der Einfühlung angesprochen war, hatte ich Anlass zu fragen, welche Art von Museum in diesem Fall überhaupt denkbar sei. Wie stellt sich der Abgeordnete das geplante Museum vor, wie sind seine Erwartungen daran und was fände er wünschenswert? Dr. Petersen meinte, um dies zu benennen fehle ihm die Phantasie. Dennoch sei er überzeugt, dass sich mit der Tamm-Sammlung etwas Gutes machen ließe, und sicher würde das Museum Massen von Besuchern anziehen. Ich versuchte ein etwas klareres Bild zu erhalten und regte die Überlegung an, mit welchen Teilen der Sammlung dies denn geschehen könnte und welche Präsentationsmittel zum Einsatz kommen sollten. Dr. Petersen gab sich hinsichtlich der Museumsinhalte weiterhin defensiv: Das Museum solle so sein, dass es jeder bedenkenlos besuchen könne. Was die Präsentation anbelangt, habe er persönlich einen eher "altmodischen Geschmack", spektakuläre Gags würden ihm weniger gefallen. Alles in allem solle man sich aber doch am besten überraschen lassen. Sie (er deutete auf mich) würden aus der Sammlung sicher ein tolles Museum machen. Nur, so etwas wie das Modelleisenbahn-Land in der Nachbarschaft solle es nicht werden. Ich fand das schade, denn Schiffsmodelle und Modellschiffe in Augsburger Modellgewässern wären sicher ein Spaß. Ansonsten würde ich, wenn ich tatsächlich gefragt würde, die Sammlung in ihrer derzeitigen Aufmachung, mit dem originalen Nebeneinander der Dinge und der gewachsenen Prägung durch den Sammler möglichst exakt und detailgetreu so wie sie ist belassen und als Environment im Kaispeicher B ausstellen. An dieser Stelle ergab sich wieder eine Bedenkpause in unserem Gespräch.

Ich hob dann erneut an, eine Auseinandersetzung mit dem Tamm-Projekt und der "HafenCity" allgemein sei heute verstärkt spürbar. Selbst beim Schwimmbadbesuch stieße man darauf, wenn - wie ich unlängst im Altonaer Bismarckbad erlebte - Gäste lauthals ihren Unmut darüber äußerten, dass das Volksbad eingespart und auf der anderen Seite die "HafenCity" gepäppelt würde. Auch Abgeordnete befassten sich in der letzten Zeit eingehender mit dem Museums-Projekt, was zu neuen Fragestellungen geführt habe. Ich fragte, welche parlamentarischen Mittel zur Verfügung stünden, solche Fragen zu klären. Welche Möglichkeiten böten beispielsweise Anhörungen? Dr. Petersen winkte gleich ab, all dies bringe überhaupt nichts. Der einzige Weg sei das persönliche Gespräch mit dem Sammler. Das sei unbedingt zu betonen. Man könne sehr gut mit ihm reden. Ob das seine Kritiker je gemacht hätten? In einer privaten Unterhaltung ließen sich einzelne Dinge, die in der neuen Ausstellung vielleicht Kritik hervorrufen könnten, sicher verhindern oder später korrigieren. Grundsätzlich, bekräftigte der Abgeordnete nochmals, sei er dem Museumsprojekt gegenüber sehr zuversichtlich.

Ich wollte zusammenfassen und fragte, ob ich also richtig verstanden hätte, dass es aus seiner Sicht vorzuziehen wäre, dem Museum hoffnungsvoll entgegenzusehen, anstatt seine Voraussetzungen zu hinterfragen. Und dass die zutage getretenen Kritikpunkte besser zurückgestellt werden sollten. Zum ersten Mal zeigte der Politiker eine Regung: Man würde ihm "in unseren Kreisen" wahrscheinlich vorwerfen, er sei naiv. Dies berühre ihn jedoch nicht sonderlich. Vielmehr verwehre er sich dagegen, sich nicht gekümmert zu haben. Schließlich habe er beispielsweise die Sammlung wie gesagt zweimal in Augenschein genommen. Ich verdeutlichte, dass ich "dem Museum hoffnungsvoll entgegensehen" und "Kritik besser zurückstellen" als seine Vorschläge an kulturpolitisch Interessierte wie mich und als Ergebnis unseres Gesprächs zusammengefasst habe.

Dr. Petersen stellte fest, dass ich dennoch wohl grundsätzliche Bedenken hegte. Dabei hätte ich die Sammlung doch noch nicht einmal gesehen. Neben dem Verweis auf zahlreiche andere Informationsquellen berichtete ich von meinen beiden Besichtigungsversuchen, bei denen es über die Anfrage nach einem Besuchstermin nicht hinausging: Die Begründung lautete jeweils, dass alle Termine auf unabsehbare Zeit ausgebucht seien. Ich bat den Abgeordneten, doch auf direktem Weg einen Termin für mich und eine kleine Gruppe von weiteren Interessierten anzufragen, dies habe sicher Erfolg. Und so würde sich nicht zuletzt auch unser Patenschaftsverhältnis auf einer gegenseitigen Basis fortsetzen. Dr. Petersen wollte nicht gleich zusagen, aber er lehnte auch nicht ab. Indessen lud er mich zu einem gemeinsamen Besuch des Museums ein, sobald es eröffnet sei. Da fiel mir wieder die Broschüre zur "Anregung der öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum" ein, die ich als Patengeschenk mitgebracht hatte und die schon die ganze Zeit auf dem Tisch zwischen uns lag. Mit der Bemerkung, er habe sie schon bei der Präsentationsveranstaltung im Kaispeicher B erstanden, endete die Sprechstunde. Der nächste Bürger wartete.

Epilog:
"Good night, good night, heut' müß' ma no weit, gute Nacht, gute Nacht, 's wird höchste Zeit, gute Nacht." (Wolfgang A. Mozart)

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