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Weißmann, Gerd |
13. Februar 2006
Liebe Cornelia,
hier nun mein Bericht über das Treffen mit Wolfgang Marx.
Morgen kommt noch ein Foto von so einer Zwangsarbeiterbaracke von der Stülckenwerft, aufgenommen 1999, leider jetzt schon abgerissen.
Herzlichst
Gerd
Gesprächsprotokoll mit dem Bürgerschaftsabgeordneten Wolfgang Marx in Harburg, Lüneburger Straße, im Café Balzac am 19.10.05, 11 Uhr:
Wie bringe ich es rüber, und reichen meine zwei Schwerpunkte, Argumente zur Ablehnung des Museums, zum Infragestellen des ganzen Tamm-Konzeptes, gegen die Gleichgültigkeit verantwortlicher Hamburger Politiker aus bereits zwei Legislaturperioden?
Die milde Herbstsonne lässt auf der Lüneburger Straße das Laub goldfarben leuchten. Mehrere Eineurojobber kehren es vor dem Café Balzac mit Besen zusammen.
Ich sitze sinnierend vor meinem Kaffee und erkenne Wolfgang Marx gleich beim Eintreten. Sein von ihm genanntes Erkennungsmerkmal, Größe 2 Meter, lässt uns schnell zusammenkommen - und zur Sache.
Wie in dem Tamm-Tamm Buch beschrieben, fehlen zum Thema Kriegsschiffe jede Art an Zusammenhängen und kritischen Hintergrundinformation, so mein Einstieg in das Gespräch.
Ob bekannt sei, dass auf den Werften in der Kriegszeit Zwangsarbeiter malocht haben? Wobei das Wort Maloche, Umschreibung für schwere Arbeit, noch harmlos ausgedrückt ist. Denn Zwangsarbeiter waren zum "Verbrauch" bestimmt, Ausbeutung der Arbeitskraft bis zum Tod nach Wochen oder Monaten. Mit anderen Worten: Wohnlager der "NS-Sklaven" waren den Außenstellen der KZ ähnlich oder gleichzusetzen.
Als ehemaliger Werftarbeiter der Stülckenwerft - von 1957 bis 1961 - nachfolgende Erinnerung, beiläufige Worte eines älteren Arbeiters zu mir Lehrling: "Guck mal, wie die Ausländer (zu der Zeit “Gastarbeiter” genannt) da in den Quartieren (Norderelbstraße, ca 6 Baracken) leben. Sie haben ihre Wäsche zwischen den Holzbuden aufgehängt und kochen auf offenem Feuer. Im Krieg war das auch so. Nur wenn sie dann noch gesungen haben, kam der Wachschutz und hat Schluss gemacht. Alt waren die da nie geworden. Es kamen immer neue Ausländer. Und die konnten auch was. Aber sie verhungerten fast. Man durfte ihnen nichts zu essen geben."
Hierzu ist in der Chronik der Stülckenwerft (1955 ersch.) nachzulesen: "...und seit dem Herbst 1942 erhielt die Werft laufend Ostarbeiter zugewiesen. Für ihre Unterbringung standen 5 Wohnlager zur Verfügung, die insgesamt 600 Mann aufnehmen konnten. ..."
Alle großen Werften (Blohm und Voss, Deutsche Werft, Howaltwerft usw.) haben zum Aufffüllen der Personallücken während des Krieges Zwangsarbeiter beschäftigt. Ein erster Teil dieser Menschen waren auch als Fremdarbeiter (bezahlte Arbeitskräfte aus dem Westen) beschäftigt. Im Krieg änderte sich der Status dieser Menschen rapide hin zum Zwangsarbeiter und auch schnell zum "wertlosen Menschenmaterial" (russische Kriegsgefangene).
Die von Tamm in stiller Verherrlichung ausgestellten deutschen Kriegsschiffe wurden auch von Zwangsarbeitern, die zum Teil durch diese Arbeit zu Tode kamen, gebaut.
Dabei fehlen außerdem in dem Museum noch die völkerrechtswidrigen Zielorientierungen dieses Kriegsschiffbaus, nämlich die für einen Angriffskrieg.
Noch schlimmer ist der Sachstand zum Informationsmangel in der Tammschen Militariasammlung. Der dort ausliegende Großadmiralsstab von Dönitz ist aus massivem Gold ca 1944 hergestellt worden. Jeder weiß, daß die Goldreserven des Deutschen Reiches zu der Zeit so gut wie verbraucht waren und durch "Beutegold" aufgefüllt wurden. Degussa hat bis Kriegsende auch Zahngold aus den KZ tonnenweise für das Deutsche Reich aufbereitet. Es ist also nicht auszuschließen, dass der Originalstab von Dönitz aus diesem Beutegold hergestellt ist. In der Tamm‘schen Sammlung liegt zwar nur das Entwurfsstück dieses Stabes - das Original wurde Dönitz bei seiner Verhaftung Ende Mai 1945 in Flensburg von den Engländern abgenommen - und ist zum Teil vermutlich aus vergoldetem Silber gefertigt. Für den/die MuseumsbesucherIn wird aber der Eindruck erweckt, daß dort ein Unikat gänzlich aus Gold vorliegt.
Also hat Dönitz zu offiziellen Anlässen einen Großadmiralstab in den Händen gehalten, dessen Material möglicherweise den vergasten KZ-Häflingen mit Zangen aus den Gebissen gebrochen wurde, aus den Gebissen von Greisen, Eltern und deren Kinder.
Ich hoffe, dass alle Verantwortlichen, die diesem Museum weiterhin zustimmen, nicht mehr ruhig schlafen können!
Wolfgang Marx sagte zur Verabschiedung bei der Übergabe einer kleinen Dokumentationsmappe und dem Tamm-Tamm Buch von Friedrich Möwe zu mir: "Ich sehe eine Möglichkeit das Thema Kriegsschiffe/
Zwangsarbeiter im nächsten Kulturausschuss über seine Fraktion in die Bürgerschaft einbringen zu können."
Und wer denkt an die vergasten Menschen, an die Widerstandskämpfer, an die Roma und Sinti, an die Juden, deren Goldzähne in den Insignien der Nazis, hier auch in der Sammlung Tamm, enthalten sind?
Draußen, vor dem Café Balzac, haben die "Zwangsarbeiter" des Arbeitsamtes das goldfarbene Herbstlaub in eine Tonne getreten.
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